Was sind „Handexemplare“?
Anlässlich einer Versteigerung publizierte Kataloge sind herausragende Quellen für viele kunsthistorische Forschungsfragen (Provenienzforschung, Werkverzeichnisse, Authentizitätsfragen usw.), da sie neben Informationen zur Werkidentität (Künstler*in, Titel, Maße, Technik, Zustand, teilweise Abbildung) manchmal auch Hinweise auf frühere Eigentümer*innen enthalten. Der hohe Quellenwert von Auktionskatalogen wird durch Annotationen noch einmal deutlich gesteigert. Darunter versteht man handschriftliche Notizen zu Käufer*innen oder Zuschlagpreisen, die Auktionsbesucher*innen während oder nach der Auktion in ihrem Exemplar des Auktionskataloges festgehalten haben. Die auf diese Weise erhaltenen Informationen zu Käufer*innen und Preisen sind jedoch aufgrund des individuellen Interesses der annotierenden Person an bestimmten Objekten oder Objektgruppen meist unvollständig und nicht immer verlässlich.
Im Gegensatz zu diesen „zufällig“ bzw. selektiv und partikular annotierten Katalogen handelt es sich bei den Handexemplaren und Protokollkatalogen hingegen um Ausgaben des Auktionskatalogs, die von Mitarbeiter*innen des Auktionshauses für den internen Gebrauch annotiert wurden. In der Regel notierten sie im Vorfeld der Auktion in die Handexemplare, wer die zu versteigernden Objekte in die Auktion eingeliefert hatte, welcher Mindestpreis erzielt werden sollte und wer vor der Auktion ein schriftliches Gebot (Ersteigerungsauftrag) zu einem Objekt eingereicht hatte. Darüber hinaus sind darin häufig detaillierte Auflistungen der Einliefer*innen und Auftraggeber*innen, weitere Informationen zur Herkunft der Objekte oder auch versteigerungstaktische Hinweise enthalten. Während der Auktion wurden schließlich die erteilten Zuschlagpreise und die Namen der Personen, die ein Objekt ersteigert hatten, notiert, oder – sofern der vereinbarte Mindestpreis nicht erreicht wurde – zu welchem Höchstgebot ein Objekt „retour“ ging.
Während Handexemplare also mehr den Verlauf einer Versteigerung, alle beteiligten Akteure und die verschiedenen Preiskategorien enthalten, dokumentieren Protokollkataloge primär die Ergebnisse einer Auktion. In ihnen sind meistens Limit- und Zuschlagpreise sowie die Namen der Käufer*innen notiert. In beiden Varianten befinden sich zudem häufig Angaben zu außer Katalog angebotenen Objekten, die entweder handschriftlich in den Katalog ergänzt wurden oder in Listen erfasst sind. Diese Informationen sind umso relevanter, da sie ausschließlich in den Handexemplaren bzw. Protokollkatalogen überliefert sind.
Zu einer Auktion gab es demnach mehrere annotierte Exemplare, die unterschiedliche Funktionen erfüllten. So sind der Forschung aktuell etwa 1.000 Handexemplare bzw. Protokollkataloge bekannt, die aus der Galerie Helbing stammen. Darüber hinaus sind etwa 80 Protokollkataloge aus dem Kunstsalon Paul Cassirer zu den Versteigerungen erhalten, die die Galerie Helbing gemeinsam mit dem Kunstsalon Paul Cassirer veranstalteten. All diese Handexemplare und Protokollkataloge werden derzeit von der Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert und sukzessive online gestellt.
Da sie direkt aus dem Geschäftszusammenhang der Galerie Helbing bzw. dem Kunstsalon Paul Cassirer stammen und von Mitarbeiter*innen der Galerien annotiert wurden, sind die darin enthaltenen Informationen in der Regel vollständig und verlässlich und bilden damit einen Quellenbestand von herausragender Bedeutung.