Zum Auktionshaus Hugo Helbing
Hugo Helbing (1863-1938) eröffnete 1885 seine erste Kunsthandlung in München und veranstaltete ab 1887 Auktionen in stetig steigender Anzahl. Mit dem Umzug in das von Gabriel von Seidl (1848-1913) errichtete Eckhaus in der Liebigstraße 21 im Jahr 1900 konnte die 100. Kunstauktion Hugo Helbings im April 1902 in eigenen „museumsartig eingerichteten Räumen“ stattfinden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte das Kunstversteigerungswesen in Deutschland eine Blütezeit und auch die Zahl der bei Helbing abgehaltenen Auktionen stieg an.
Im Frühjahr 1906 trat Theodor Neustätter (1880-1936) als Teilhaber in die offene Handelsgesellschaft ein, 1915 kamen Dr. Ernst Spiegel (1878-1953) und Hugo Helbings Sohn aus erster Ehe, Fritz Helbing (1888-1943) hinzu.
Bis 1935 veranstaltete die Firma Helbing über 800 Auktionen. In den aufwendig recherchierten und gestalteten Auktionskatalogen spiegelt sich das gesamte Spektrum musealer Sammlungen und bürgerlicher Repräsentation, darunter Gemälde, Grafik und Skulpturen, aber auch Textilien, Porzellan, Schmuck, Antiken, Waffen, Autographen oder Musikinstrumente. Internationale Museen und Kunsthandlungen sowie namhafte Sammler:innen zählten zum Kundenstamm der Galerie Helbing.
Aufgrund der großzügigen Förderung u. a. der bayerischen Kunstsammlungen durch Hugo Helbing sowie der führenden Stellung seines Auktionshauses in Deutschland erhielt Helbing 1911 den Titel des Kommerzienrates und 1918 auf Anregung des Generaldirektors der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Friedrich Dörnhöffer (1865-1934) den Titel des Geheimen Kommerzienrates verliehen.
Trotz eines Zusammenbruchs des Auslandsgeschäfts brachte der Erste Weltkrieg kaum wirtschaftliche Einbußen auf dem Kunstmarktsektor - 1916 gründete Helbing eine Auktionsgemeinschaft mit dem Kunstsalon von Paul Cassirer (1871–1926). Gemeinsam mit der Firma Cassirer – nach Cassirers Tod vertreten durch Grete Ring (1887-1952) und Walther Feilchenfeldt (1894-1953) – veranstaltete Helbing bis 1932 über 80 Versteigerungen bedeutender Sammlungen auf einem Preisniveau, das mit Häusern in Paris und London mithalten konnte.
1917 eröffnete Helbing eine Zweigniederlassung in Berlin. Die in der Matthäikirchstr. 12 ansässige Kunsthandlung „Hugo Helbing“ wurde von Julius Schlesinger (1872-?) geleitet. Schlesinger, seit 1923 auch Inhaber der Berliner Filiale, schied 1932 aus der Firma Helbing aus und eröffnete eine eigene Kunsthandlung. Die Berliner Filiale der Firma Helbing zog im selben Jahr an das Lützowufer 5 um.
1919 gründete Hugo Helbing eine weitere Zweigstelle in Frankfurt am Main, die in der 1883 erbauten Villa in der Bockenheimer Landstraße 8, seit 1917 in Besitz von Max von Goldschmidt-Rothschild (1843–1940), ansässig war. Als Prokurist stellte Helbing den Kunsthistoriker Dr. Arthur Kauffmann (1887-1983) ein, der bald darauf Direktor und gleichberechtigter Partner wurde und eigenständige Auktionen in der Frankfurter Filiale veranstaltete.
Die „Gleichschaltung“ des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels ab 1933 setzte dem Erfolg der Firma Helbing ein Ende. Das am 16. Oktober 1934 verabschiedete Gesetz über das Versteigerergewerbe versagte fortan als jüdisch geltenden Personen die Versteigererlizenz. Im August 1935 wurden vierzig als jüdisch verfolgte Kunst- und Antiquitätenhandlungen sowie Antiquariate per Einschreiben zur „Umgruppierung oder Auflösung“ des Betriebes binnen vier Wochen aufgefordert. Wenngleich sich die „Abwicklung“ der Galerie Helbing durch den Referenten der Landesleitung der Reichskammer der Bildenden Künste München Max Heiß (1891–1962) noch bis 1941 hinziehen sollte, war das Geschäft durch die neue Versteigerergesetzgebung bereits lahmgelegt.
Unter der Leitung des „arischen“ Prokuristen Adolf Alt (1866-1947), der seit 1911 für Helbing tätig war, konnten bis 1935 nur mehr vereinzelt Auktionen bei Helbing abgehalten werden. Im Dezember 1935 schied Fritz Helbing als Teilhaber des Unternehmens aus. Theodor Neustätter starb im April 1936; Ernst Spiegel schied im selben Jahr als Teilhaber aus und emigrierte im Dezember in die USA. Bis 1937 konnte die Galerie Helbing nur noch einige wenige Ausstellungen mit Freihandverkauf veranstalten.
Im Sommer 1937 wurde auch Arthur Kauffmann aufgrund seiner jüdischen Abstammung untersagt, in der Frankfurter Filiale Versteigerungen abzuhalten. 1938 emigrierte er mit seiner Familie nach London und kehrte auch nach dem Krieg nicht mehr zurück. Hugo Helbing wurde in der Pogromnacht 1938 verhaftet, brutal niedergeschlagen und erlag am 30. November 1938 im Alter von 75 Jahren seinen schweren Verletzungen. Fritz Helbing wurde im März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Der Verbleib der Geschäftsunterlagen der Galerie Helbing, die nach der Übernahme der Geschäftsräume durch den „Abwickler“ Max Heiß noch vorhanden waren, ist der Forschung unbekannt; möglicherweise sind sie oder Teile davon in Folge des Luftangriffes am 27. November 1944 im Münchner Stammhaus verbrannt. Umso relevanter sind die in den Handexemplaren und Protokollkatalogen enthaltenen Informationen zu versteigerten Objekten und Kund:innen der Galerie Helbing.