Der Auktionsmarkt in Österreich 1930-1945
Insgesamt konnten zwischen 1930 und 1945 713 in Österreich erschienene Auktionskataloge ermittelt werden, wovon 435 Kataloge des Dorotheums aus diesen Jahren einen Schwerpunkt bilden. Anders als in Deutschland oder der Schweiz, wo zahlreiche Städte um die Vormachtstellung im Kunstmarkt konkurrierten, hatte sich in Österreich allein Wien als Zentrum etabliert. Im gesamten Zeitraum zwischen 1930 und 1945 erschienen lediglich 1932 ein Kunstauktionskatalog in Graz und 1944 ein Auktionskatalog in Salzburg als kriegsbedingter Ausweichort der Münchner Firma Otto Helbing Nachf.
Große Kunstversteigerungen mit hochwertigen Kunstobjekten führten insbesondere das Dorotheum sowie die alteingesessenen Firmen C. J. Wawra (Alfred Wawra) und das Auktionshaus für Altertümer Glückselig durch. Daneben hielten vor allem das Auktionshaus Albert Kende sowie das seines Bruders S. Kende sowohl Kunstauktionen im eigenen Haus als auch zahlreiche Wohnungsauktionen ab. Auf dem Graphikmarkt agierte insbesondere Gilhofer & Ranschburg mit hochwertigen Arbeiten. Im niedrigpreisigen Sektor, in dem neben einigen Kunstgegenständen viel Hausrat angeboten wurde, versteigerten Firmen wie das Wiener Auktionshaus J. Fischer oder das Auktionshaus für alte und neue Kunst, Ing. Othmar Hasenlechner. Relativ gleichmäßig veröffentlichten in den Jahren 1930 bis 1937 jährlich sechs bis acht Auktionshäuser zwischen 43 und 68 Auktionskataloge, wovon das Dorotheum ungefähr die Hälfte des Volumens auf sich vereinte.
Der „Anschluss“ Österreichs am 12. März 1938 brachte für den Auktionsmarkt sofort einschneidende Umwälzungen mit sich. Beraubungsmechanismen, der Ausschluss jüdischer Händler und Auktionatoren sowie die Entrechtung, Enteignung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung, wie sie sich in Deutschland seit 1933 mehr und mehr ausgebildet hatten, wurden nun in Österreich mit einem Schlag durchgesetzt. So waren die 1937 florierenden Auktionshäuser – Albert Kende, S. Kende, das Auktionshaus für Altertümer Glückselig, das Auktionshaus J. Fischer und Gilhofer & Ranschburg – mit einem Schlag vom Markt gefegt. Die beiden zuvor besonders aktiven Häuser S. Kende und Albert Kende wurden arisiert: S. Kende wurde schon ab November 1938 vom Münchner Auktionator Adolf Weinmüller als Wiener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, das Auktionshaus Albert Kende ab 1940 von Josef Gruber, später von Ferdinand Nagler, unter dem Namen Kunstauktionshaus Kärntnerstraße „arisiert“ und weitergeführt.
1938 jedoch bestritt zunächst nur das Dorotheum mit 67 von 76 Katalogen den Auktionsmarkt; sieben Kataloge der anderen Auktionshäuser waren noch vor dem „Anschluss“ Österreichs erschienen, zwei Kataloge veröffentlichte Weinmüller im November des Jahres. Vierzig dieser Kataloge erfassten den Bestand von Wohnungsversteigerungen, die damit erstmals die der Kunstversteigerungen weit überstiegen.
Schon am 13. und 14. März 1938 war es zu Plünderungen von jüdischen Wohnungen gekommen, ab April 1938 wurden jüdische Wohnungen systematisch durch die Gestapo beschlagnahmt, die Mobilien teilweise privat weiterverwendet, teilweise dem Dorotheum zur Versteigerung übergeben. Wie im „Altreich“ erging am 26. April 1938 an alle jüdischen Bürger Österreichs die Verordnung zur Anmeldung des Vermögens (RGBl. I, 1938, S. 414), nach der sämtlicher Besitz basierend auf Schätzgutachten offengelegt werden musste. Die Gutachten gingen an das Dorotheum und an die Zentralstelle für Denkmalschutz. Kunstwerke, die nicht ausgeführt werden durften, wurden von der Zentralstelle für Denkmalschutz durch den Wiener Magistrat sichergestellt, an Sammlungen und Museen abgegeben oder für den Führervorbehalt vom 18. Juni 1938 sichergestellt. Bereits im Juli 1938 war 30% des jüdischen Vermögens beschlagnahmt, bis Ende 1938 hatten insgesamt 9800 Wohnungsbeschauungen stattgefunden.
Mit der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938 (RGBl. I, 1938, S. 1620) wurde die Beschlagnahmung und Beraubung schließlich gesetzlich legalisiert. Wie im Deutschen Reich durften ab Anfang 1939 Juden Erlöse aus Verkauf von Kunst- und Wertgegenständen nur behalten, wenn der Wert unter 1000 Reichsmark lag. Höhere Beträge mussten auf ein Sperrkonto eingezahlt werden (RGBl. I, 1938, S. 1709ff.). Erlöse der Versteigerungen oder Käufe gingen meist direkt an die Finanzbehörden zur Abdeckung von Schulden aus diskriminierenden Steuern wie der Reichsfluchtsteuer oder der Judenvermögensabgabe. Zur Handhabung und Verwertung der Unmengen jüdischen Umzugsguts wurde Ende August 1940 die VUGESTA, die Verwertungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo, geschaffen. Gebrauchtwaren wurden direkt verkauft, während wertvollere Gegenstände an das Dorotheum zur Versteigerung übergeben wurden. Später übernahm die VUGESTA auf die gleiche Weise die Verwertung des Vermögens der deportierten Juden.
Die Rolle, die das Dorotheum in der Ausplünderung jüdischen Eigentums spielte, wurde bereits mehrfach untersucht, ohne dass der genaue Gewinn und der tatsächliche Umfang an Bereicherungen aus diesem Vermögen hätte abschließend geklärt und quantifiziert werden können. In den jährlichen Rechenschaftsberichten finden sich die eindeutigen Bekundungen, durch „Auflösung der jüdischen Haushalte“ die Einnahmen gesteigert haben zu können.
Neben der Gestapo brachte auch die Gemeinde Wien sowie die Zoll- und Finanzämtern Vermögenswerte in die Auktionshäuser ein. Obwohl es zwischenzeitlich Überlegungen gab, die Versteigerungen des entzogenen Vermögens durch das Finanzamt selbst durchführen zu lassen, ging der Großteil dieser Versteigerungsobjekte schließlich doch an das Dorotheum, da dessen professionelle Auktionen höhere Gewinne versprachen. Zudem wirkten Experten des Dorotheums als Schätzer für die Finanzämter.
Betrachtet man die Anzahl der Katalogveröffentlichungen des Dorotheums, ging die immense Steigerung, die 1938 stattgefunden hatte, schon 1939 nahezu auf die Hälfte zurück. Offenbar machte sich bemerkbar, dass ein Großteil der geplünderten und enteigneten Wohnungsversteigerungen bereits verwertet worden war. Dennoch entfielen von 31 Katalogen des Jahres 16 auf Wohnungsversteigerungen. Sieben weitere Auktionskataloge in diesem Jahr wurden von Adolf Weinmüller herausgegeben, dem es Dank vielfältiger Protektion als deutschem Auktionator gelungen war, sich auf dem österreichischen Markt durchzusetzen. Insgesamt stieg die Veröffentlichung von Katalogen 1940 nochmals leicht an. Dabei entfielen von den 42 Katalogen 36 auf das Dorotheum, drei auf Weinmüller und drei auf das Kunstauktionshaus Kärntnerstraße. Wie auch im Folgejahr profitierten die Auktionshäuser nun vor allem von den Objekten, die ihnen über die Vugesta zugingen. Eine weitere Quelle für hochwertigen Kunstbesitz, vor allem für das Dorotheum und Adolf Weinmüller, stellten bis 1943 Kunstgegenständen aus den besetzten Gebieten Westeuropas, aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden, dar. Hinzu kamen 1943 Ankäufe von Teilen der Beute des deutschen Raubzugs in Böhmen und Mähren, 1944 beteiligte sich das Dorotheum an der Verwertung des jüdischen Umzugsguts aus dem Hafen von Triest. Dennoch sank die Zahl der veröffentlichten Kataloge in den folgenden Jahren kontinuierlich, bis 1944 nur mehr 18 Kataloge, davon 12 des Dorotheums, erschienen. 1945 veröffentlichte letzteres noch einen Katalog.
(Astrid Bähr, 2013)
Literatur:
Anderl 2006a;
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Anderl/Blaschitz/Loitfellner 2004
Anderl/Caruso 2005
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Hopp 2012, S. 225-294.
Jabloner/Bailer-Galanda/Blimlinger 2003
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Loitfellner 2006
Lütgenau/Schröck/Niederacher 2006.