Der Auktionsmarkt von 1930-1945 in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Mit einem Quellenbestand von knapp 3000 Auktionskatalogen, von denen 2600 in Deutschland, Österreich und der Schweiz erschienen, können nun erstmals präzisere Aussagen zur Entwicklung des Auktionsmarkts in den jeweiligen Ländern auf einer breiten Grundlage getroffen werden. Ausschlaggebend für die Entwicklung des Kunstmarkts und insbesondere des Auktionsmarkts war ab 1933 die nationalsozialistische Politik mit ihrer restriktiven, rassistischen Kunstpolitik, die beträchtlich durch die Entrechtung, Beraubung, Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung bestimmt wurde. Mit diesen Maßnahmen kamen große Mengen von hochwertigen Kunstwerken, aber auch an Möbeln und Hausrat auf den Markt, deren Umfang immer noch nicht präzise abzuschätzen ist. Der gewaltige Eigentumswechsel durch die „Arisierung“ einer Vielzahl von Unternehmen ist bis heute nicht vollständig aufgearbeitet, geschweige denn durch Restitutionen ausgeglichen.

Neben den schon unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtergreifung erlassenen Gesetzen zur Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung, wie etwa dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I, 1933, S. 175) oder dem Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935 (RGBl. I, 1935, S. 1146), die viele jüdische Bürger in die Emigration trieben, waren es vor allem die zahlreichen fiskalischen Maßnahmen, die jüdische Bürger zunehmend aus dem Wirtschaftsleben drängten und damit zur Veräußerung ihres Besitzes zwangen, was sich in erheblichem Maße auf den Auktionsmarkt auswirkte. Zu diesen Maßnahmen gehörten die Ausweitung der 25% Reichsfluchtsteuer ab dem 18. Mai 1934 auf ein Vermögen von 50.000 Reichsmark, Abgaben auf das Umzugsgut, Steueranpassungsgesetze für inländische Juden oder die Verschärfung des Devisenrechts, um nur einige zu nennen. Insgesamt wurden bei der Emigration 96% des Vermögens vom Staat einbehalten. Am 26. April 1938 folgte die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden (RGBl. I, 1938, S. 414f) und mit der Progromnacht vom 9. November 1938 der Übergang zur staatlich kontrollierten „Zwangsarisierung“ jüdischer Gewerbetreibender und der Verordnung über die Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit vom 12. November 1938 (RGBl. I, 1938, S. 1579), mit der die jüdische Bevölkerung zur sogenannten „Judenvermögensabgabe“ von insgesamt 1,12 Milliarden Reichsmark gezwungen wurde. Mit der Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 (RGBl. I, 1938, S. 1709f.) durften Wert- und Kunstgegenstände nur bis zu einer Grenze von 1000 Reichsmark veräußert werden, höhere Beträge mussten auf ein Sperrkonto eingezahlt werden. Am 21. Februar 1939 wurde die Zwangsabgabe von Gold, Silber und Platin sowie Edelsteine und Perlen eingeführt, für die der Materialwert von einem Zehntel des Marktpreises ausgezahlt wurde (RGBl. I, 1939, S. 282). Mit dem Führererlass vom 29. Mai 1941 (RGBl. I, 1941, S. 303) wurde die rechtliche Basis für die Einziehung und Verwertung des Vermögens von Reichsfeinden gelegt und ab 25. November 1941 verfiel mit der XI. Verordnung zum Reichsbürgergesetz (RGBl. I, 1941, S. 722f.) das gesamte Vermögen, sobald ein deutscher Jude die Reichsgrenze übertrat. Mit dem Entzug der Bürgerrechte und der ab Oktober 1941 in Deutschland einsetzenden Deportation verfiel schließlich alles Vermögen an den Staat.

Neben dem über Auktionskataloge erfassten Auktionsgut, bei dem es sich zum Großteil um hochwertige Kunstobjekte handelt, die einen kostenaufwendigen Druck finanziell rechtfertigten, fanden zahlreiche Versteigerungen statt, die sich nicht in Katalogen niederschlugen. So haben sich etwa im Landesarchiv Berlin zahlreiche Versteigerungslisten erhalten, wie sie laut dem Versteigerungsgesetz vorgeschrieben waren und mit deren Hilfe das Auktionsgut zur behördlichen Genehmigung erfasst, nicht aber in Form eines gedruckten Katalogs veröffentlicht wurde. Das Versteigerungshaus Union etwa veröffentlichte 48 Kataloge zu Auktionen, im Landesarchiv Berlin existieren jedoch ca. 362 Versteigerungslisten dieses Auktionshauses, das Stuttgarter bzw. Mannheimer Auktionshaus Dr. Fritz Nagel rühmte sich 1937 mit der hundertsten Auktion, während zu diesem Zeitpunkt lediglich neun Auktionskataloge des Unternehmens publiziert sind. In Der deutsche Versteigerer finden sich darüber hinaus zahllose Beschwerden, dem Unwesen der unangemeldeten Versteigerungen und Hausauktionen, die gänzlich ohne Listen und Genehmigungsverfahren abgehalten wurden, Einhalt zu gebieten.

Mit der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz 1941 und der Deportation der deutschen Juden betätigen sich auch die Finanzämter, denen diese Vermögen zufielen, vermehrt direkt als öffentliche Versteigerer, womit sie ihrerseits verschiedene Kunst- und sonstige Versteigerer betrauten. Mit den Auktionshäusern konkurrierten Gerichtsvollzieher um die Aufteilung und Verwertung des geplünderten Eigentums, das den Finanzämtern unterstellt war. So berichtet Der deutsche Versteigerer, dass man sich an den Reichsminister der Finanzen gewandt habe, um möglichst viele Mitglieder zu erreichen und zu verhindern, dass Gerichtsvollzieher mit der Durchführung dieser Versteigerungen betraut würden. Der Reichsminister habe die Versteigerer für zuständig erklärt. Den Umgang mit „Kunstgegenständen aus eingezogenem und verfallenen Vermögen“ regelte ein Erlass vom 4. November 1941, nachdem “Kunstgegenstände, (Bilder, Plastiken usw.), die nicht von vorneherein als minderwertige Erzeugnisse anzusehen sind“ nicht direkt veräußert werden durften, sondern der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste gemeldet werden mussten, die diese bei musealem Interesse einziehen oder zur Versteigerung beziehungsweise zum Verkauf freigeben konnten.

Zugleich übernahm in vielen Städten auch die Gestapo die Versteigerung der Besitztümer sowohl der aus Deutschland deportierten Juden, als auch der deportierten und ermordeten Juden aus den besetzten Ost- und Westgebieten, die als sogenannte M-Aktion bekannt sind. Laut einer Aufstellung der US-amerikanischen Militärbehörde hatten in den Jahren ab 1941 rund 15.000 Versteigerungen beweglichen Vermögens aus dem Besitz von Emigranten und Deportierten stattgefunden. In Hamburg etwa wurden 5000 Umzugscontainer von Ausgewandeten im Hamburger Hafen aufgebrochen, begutachtet, für Staatszwecke reserviert oder versteigert. Die Versteigerungen übernahm teilweise der Zoll, teilweise ergingen die Aufträge an freie Auktionatoren, teilweise wurden die Hamburger Auktionshäuser damit betraut. Auch aus Köln und Hessen sind zahlreiche dieser Auktionen belegt.

Trotz der Einschränkungen der Aussagen über den Auktionsmarkt der Jahre 1930 bis 1945, die sich aus den Verschränkungen von Auktionswesen, Kunsthandel, Wohnungsauflösungen und der vielen in die Enteignungsmaschinerie einbezogener Institutionen ergeben, bietet die Erfassung der Auktionskataloge und Auktionshäuser dieses Zeitraums eine Chance, einen ersten Überblick über den Auktionsmarkt zu gewinnen, der durch gezielte Einzeluntersuchungen, wie etwa zu Art und Menge des verauktionierten Guts oder zu konkreten Preisentwicklungen, in den nächsten Jahren präzisiert werden sollte. Während etwa zum Kunsthandel nur über vereinzelt erhaltene Geschäftsbücher weniger Firmen Einblicke in deren Tätigkeit gewonnen werden können, lassen sich über die Veröffentlichung der Auktionskataloge dieser Jahre einige Tendenzen des Kunstmarkts verfolgen, die zum Teil bislang angenommenen Trendbewegungen widersprechen bzw. diese differenzieren. Dazu soll im Folgenden ein Blick auf die Entwicklung der Veröffentlichungszahlen der Auktionskataloge und Auktionshäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz geworfen werden.
(Astrid Bähr, 2013)

Literatur:
Bopf 2004, S. 300ff.
Bruhns 2001, S. 436f.
Der deutsche Versteigerer 7, 1936, Feb., S. 1-5
Der deutsche Versteigerer 8, 1937, Feb./März, S. 21-24
Dreßen 1998, S. 45ff.
Meinl/Zwilling 2004, S. 158ff., 196ff.
Nagel 1999, S. 13