Geteilte Erinnerungen. Das Fotoalbum - gesteckt, geklebt, gepostet
Millionen Nutzer laden heute täglich ihre Fotos in soziale Netze. Das klassische Fotoalbum erscheint als Relikt längst vergangener Zeiten, ausgestorben mit der analogen Fotografie. Tatsächlich aber erfährt das Medium in den letzten Jahren eine Renaissance, als von digitalen Vorlagen gedrucktes Fotobuch oder als – nach bewährten Gestaltungsprinzipien – in Handarbeit zusammengestelltes Scrapbook. Grund genug, sich heute der rund 600 Objekte umfassenden Albensammlung der Deutschen Fotothek erstmals in einer Ausstellung zu nähern, zumal historische Fotoalben als wohl umfangreichster Quellenfundus zur Bildgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zunehmend zum Gegenstand interdisziplinärer Forschung werden. Mit spektakulären Prachtalben und schlichten Alltagsdokumenten zeigt die Virtuelle Ausstellung eine fotografische Kulturgeschichte rund um das Fotoalbum – von der Einbandgestaltung über die verschiedenen Spielarten des Albums bis hin zum Thema der Aufbewahrung analoger Alben.
Wenn die »goldene Zeit« der Fotoalben vor allem jene von Goldschnitt und Goldprägung im 19. Jahrhundert war, so stammen die kreativsten Beispiele der Sammlung der Deutschen Fotothek aus den 1920er und 1930er Jahren. Der Einzug der Amateurfotografie brachte nicht nur eine größere thematische Vielfalt mit sich, sondern auch ersichtlich mehr Erzählfreudigkeit und Einfallsreichtum. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das Fotoalbum als Teil der allgemeinen Erinnerungskultur angesichts immer größerer Reisefreudigkeit rein mengenmäßig seine Blütezeit. Gleichzeitig wurden die einst kunstvollen Einbände seit den 1950er Jahren immer schlichter und austauschbarer. Seit den 1970er Jahren kommt das Anlegen von Fotoalben zunehmend aus der Mode: Je mehr fotografiert wurde, desto weniger Zeit nahm man sich zum Sortieren, Einkleben und Beschriften – Massen von Bildern zu ordnen bleibt jedoch auch im digitalen Zeitalter Voraussetzung visueller biografischer Selbstinszenierung.