Fotoalbum 2.0

Seit Mitte der 1980er Jahre wurde an der Entwicklung der Digitalen Kamera gearbeitet. In den 1990er Jahren zur Serienreife gebracht und zunächst vorrangig für professionelle Fotografie eingesetzt, setzte sich die Digitale Fotografie dank rasanter Entwicklungen schnell durch, bis sie sich Anfang der 2000er Jahre mit stark sinkenden Preisen auch im privaten Bereich etablierte. Damit waren die Tage der analogen Fotografie mit Kleinbildfilm und zu entwickelnden Papierfotografien gezählt.

Spätestens mit der Integration digitaler Kameras in Handys und später in Smartphones hatte die analoge Kamera ausgedient. Die Produktion von Fotos war nie so einfach und kostengünstig. Alles und jeder konnte nun in beliebiger Anzahl und zu jeder Zeit abgelichtet werden - ohne die Limitierung der 36 Bilder eines Kleinbildfilms. Unterstützt wurde der Prozess durch Social Media Kanäle, die allesamt auf visuelle Information inform von digitalen Bildern ausgelegt sind. Das private Leben jedes Einzelnen war niemals so gut dokumentiert wie heutzutage, da jeder noch so kleine Anlass genutzt wird, um das Smartphone zu zücken und den Moment festzuhalten. Die Folge sind tausende von Fotos – pro Person! – , die in Speicherkarten, Clouds und Social Media abgelegt sind. Weltweit besitzen so viele Menschen wie nie zuvor eine Kamera, die viele in Form ihres Smartphones permanent mit sich führen. 

Was aber passiert mit der privaten, digitalen Bilderflut? Der – vermutlich – größte Teil fließt mittlerweile in Social Media Kanäle. Auf Facebook, Instagram, Pinterest und Twitter wird das eigene Leben dokumentiert, katalogisiert und archiviert. Hier verlässt die Zusammenstellung der Fotografien das Terrain des klassischen Fotoalbums. Sinn und Zweck aber sind durchaus vergleichbar: Erinnerung und Selbstvergewisserung anhand mehr oder weniger bedeutsamer Augenblicke des eigenen Lebens. Die Virtuellen Lebenschroniken haben dabei einerseits den Vorteil einer automatischen Verknüpfung mit Zeit, Ort und Personennamen des geposteten Moments, die eine Ordnung ermöglicht, andererseits lassen sie sich mit Anderen problemlos teilen. Das soziale Moment der Teilhabe am Leben der Anderen, das zur modernen Selbstinszenierung unweigerlich gehört, findet in der Form dieses ›virtuellen Albums‹ seine größte Ausprägung.

Neben den Social Media-›Alben‹ mit den kleinen und großen Momenten des alltäglichen Lebens zeigt sich aber auch und gerade in der immateriellen Welt des Digitalen Bildes, dass das Bedürfnis, wichtige Momente ›in der Hand zu halten‹, keineswegs verschwunden ist. Die großen Momente des Lebens – Hochzeiten, Geburten, Runde Geburtstage – werden noch immer zwischen die Deckel analoger Alben gepresst. Am Computer werden die digitalen Fotos gewissenhaft ausgesucht und liebevoll zusammengestellt. Entsprechende Dienste belichten die Bilder aus und binden die Bücher, so dass der Fotograf am Ende ein durchaus repräsentatives, individuelles Album in den Händen halten kann. Auch das gänzlich selbst gestaltete, geklebte Album ist keineswegs vollständig verschwunden. In sogenannten Scrapbooks werden noch immer hingebungsvoll  allerlei analoge Materialien verklebt und individuelle Alben zu unterschiedlichsten Themen hergestellt.

Das Fotoalbum ist also derzeit dabei sich neu zu erfinden. Das Bedürfnis, die Bilder des eigenen Lebens in eine Ordnung zu bringen und mit anderen zu teilen, bleibt erhalten und findet mit den neuen Möglichkeiten der digitalen Welt neue Ausdrucksformen.

Simone Fleischer