Des Kaisers Bart

›Des Kaisers Bart‹ wurde 1990 als das »letzte deutsch-deutsche Buch« der ›edition augenweide‹ konzipiert. 1990 war auch das Barbarossajahr, in dem Friedrich I., genannt Barbarossa (roter Bart), gedacht wurde, der 800 Jahre zuvor starb. Friedrich I. verkörpert als nationaler Mythos die Hoffnung auf die nationale Einheit Deutschlands, die nun im Jahr der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten scheinbar zum Greifen nahe ist. ›Des Kaisers Bart‹ nutzt das Jubiläum als Folie, um die Wiedervereinigung auch durchaus kritisch zu reflektieren. Im Vorwort heißt es: »Ungereimtheiten aber gibt es in Umbruchszeiten zuhauf und sie werden vor allem auf jenen Umstand zurückzuführen sein, […] daß die Leute schneller denken als sie leben und zuzeiten schneller leben als sie denken. Nur so lassen sich die Paradoxa des letzten Jahres erklären. Die Beiträger [sollen] im Überschwang der Ereignisse etwas Besinnlichkeit, Nachdenklichkeit aufkommen lassen.«

Das Buch liegt in einer schlichten Mappe aus grauer Pappe, die mit einem Band verschlossen wird. Die farbige Grafik auf dem Einband kommentiert das Thema der Einheit bereits zwiespältig. Es zeigt zwei Figuren, aneinander gelehnt, vereint also. Aber sie wirken müde und gebeugt, ohne jegliche Freude und Zuversicht. Auf dem Titelblatt stellt Tarlatt in seinem Siebdruck den historischen Bogen bis zu Barbarossa her: Zwischen zwei (west-) deutsch beflaggten Standarten erscheint ein Männerbildnis mit langem, auffälligen Bart, wie er für Barbarossa anzunehmen ist. Doch trägt das Bildnis eine preußische Pickelhaube und der ›Reichsapfel‹ ist mit einem Hakenkreuz versehen. Der historische Bogen wird also weit gespannt und die Grafik gemahnt damit im ›Einheitstaumel‹ auch an die jüngere, durch Nationalismus unheilvoll beeinflusste deutsche Geschichte. 

Bibliografische Angaben

edition augenweide, Halle (Saale), Bernburg 1990
Auflage: 120 Exemplare, davon 30 römisch nummerierte Künstlerexemplare
Herausgeber*innen: Jörg Kowalski, Ulrich Tarlatt
Künstler*innen: Frieder Heinze, Klaus Süß, Ulrich Tarlatt
Autor*innen: Wilhelm Bartsch, Thomas Böhme, Peter Huckauf, Jörg Kowalski, Hans-Ulrich Prautzsch, Florian Felix Weyh
Buchbindearbeiten: Rainer Jacob
Druck der Grafiken: Gerhardt Günther
Typografie: Thomas Glöß
Buchdruck: Heinz und Gerlinde Freiberg
Literatur: hortus animae, 2.6, Wendezeit
Exemplar der SLUB: Exemplar-Nr. 89/120, Grafiken von den Künstlern signiert, teilweise datiert | Signatur 1.G.2.92, 1991 erworben von Jörg Kowalski | Katalogeintrag