Der gemeinsame Nenner

30 Jahre Künstlerbuch-Almanach COMMON SENSE und die Grafik- und Künstlerbuchsammlung der SLUB nach oben

1989, kurz vor Ende der DDR, erschien der erste Band des Künstlerbuch-Almanachs ›COMMON SENSE‹. Dieses neueste Projekt der ›edition augenweide‹ war als Jahrespublikation konzipiert und sollte Beiträge einer Vielzahl von Künstler*innen und Autor*innen vereinen. Zwei Jahre zuvor hatten der Schriftsteller Jörg Kowalski und der Künstler Ulrich Tarlatt die ›edition‹ in Halle (Saale) gegründet, um Künstlerbücher in kleiner Auflage zu produzieren. Ziel der Neugründung war es, einen Raum für künstlerische und literarische Experimente zur Verfügung stellen, den es im schwerfälligen und restriktiven offiziellen Verlagswesen der DDR nicht gab.

Damit griff die ›edition augenweide‹ einen Trend in der Kunst- und Literaturszene der späten DDR auf. Ende der 1970er Jahren begannen Künstler*innen und Literat*innen das Medium des selbst hergestellten Künstlerbuches zu nutzen, um ihre Werke, Gedanken und nicht zuletzt ihre Kritik an der gesellschaftlichen Realität der späten DDR äußern zu können. Ein Schlupfloch im Reglement der verlegerischen Praxis ermöglichte eine Veröffentlichung auch kritischer Texte und Bilder ohne direkte staatliche Zensur: Künstlerische Druckgrafik konnte bis zu einer Auflage von 99 Exemplaren ohne Druckgenehmigung vervielfältigt werden. Für Literatur galt dagegen die Genehmigungspflicht bereits ab dem ersten reproduzierten Blatt. Das führte zu einer Allianz von Autor*innen und Bildenden Künstler*innen, die begannen, Bücher und Zeitschriften in Kleinstauflagen und in Eigenregie gemeinsam herauszugeben. So entstand – wenn auch nicht gänzlich unbeobachtet, aber dennoch weitgehend unabhängig von staatlichen Regeln und Vorgaben – eine zumindest für eine begrenzte Öffentlichkeit sichtbare, vielgestaltige und unkonventionelle Publikationstätigkeit.

Auch der erste Band des ›COMMON SENSE‹ entstand unter diesen Bedingungen. Die Zusammenarbeit von Literat*innen und Künstler*innen gehörte, wie schon bei den Künstlerbüchern der ›edition augenweide‹, von Anfang an zum verlegerischen Konzept. Mit Abschluss des Almanachs 2018 hatten in den 30 Bänden rund 500 Autor*innen und Künstler*innen Texte und Zeichnungen, Fotografien und Gedichte veröffentlicht.

Bereits der allererste Band gelangte auf Initiative der Herausgeber auch in den Bestand der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, heute SLUB. ›COMMON SENSE‹ bereicherte fortan jährlich den Bestand der Grafik- und Künstlerbuchsammlung der SLUB. Schon zu Beginn der 1980er Jahre hatte man dort begonnen, neben offiziellen Verlagspublikationen auch Künstlerbücher und -zeitschriften zu sammeln, die jenseits staatlicher Kulturpolitik entstanden. Bis 1986 wuchs der Bestand derart, dass eine eigene Bestandsgruppe gebildet wurde, die heutige Grafik- und Künstlerbuchsammlung. Heute, 2022, umfasst sie einen Bestand von rund 2.900 Büchern, Zeitschriften, Grafiken und Plakaten mit nahezu 3.700 Exemplaren und Ausgaben.