Autos, Frauen und Mode

Die 1920er Jahre sind vom Aufkommen einer neuen „kommerziellen Massenkultur“ gezeichnet (Torp 2011, 89). Insbesondere zwischen 1924 und 1929 kommt es zu einem starken Anstieg des Durchschnittsverdiensts, womit sich ein neues Konsumverhalten herausbildet. Damit eng verknüpft ist die Entwicklung illustrierter Magazine zum Massenmedium. Eine wichtige Rolle spielt in diesen die Werbung, die zwischen 1924 und 1929 allgegenwärtig in der visuellen Kultur der Weimarer Republik wird, wenngleich das Ausmaß der Werbung in diesen Jahren keineswegs die reale Kaufkraft spiegelt. Obwohl die beworbenen Produkte insbesondere für Konsument:innen der unteren Volksschichten zumeist ein Sehnsuchtsobjekt bleiben, entstehen mit der Werbung doch neue Formen der öffentlichen Kommunikation, Codes etc., an der alle Schichten partizipieren. Dabei spiegelt Werbung einerseits Aspekte der zeitgenössischen Realität wider und trägt andererseits zur Konstruktion massenmedial vermittelter Stilnormen bei, womit ihr immer auch ein performativer Aspekt zugrunde liegt. Hierzu gehört insbesondere das Bild der Neuen Frau, die sowohl ästhetisch einem androgynen Ideal folgt als auch männlich konnotierte Verhaltensweisen annimmt. Dieses Bild findet vor allem bei Frauen in der Großstadt Anklang, ist aber im Wesentlichen medial konstruiert und großteils noch auf die Medienrealität beschränkt (Lüdtke 2021, 113). 

In den 1920er Jahren werden Frauen zudem als mögliche Zielgruppe für Werbung entdeckt und es kommt zu einer „Feminisierung der Öffentlichkeit“ (Torp 2011, 90). So ist das Bild der Neuen Frau, die als Angestellte nun über einen gewissen finanziellen Spielraum verfügt, untrennbar mit Konsum- und Vergnügungslust verknüpft. Zugleich bleibt ein Großteil des Konsumangebots für viele Frauen nur bedingt zugänglich. Obwohl ungefähr die Hälfte der Frauen gegen Mitte der 1920er Jahre berufstätig ist, verdienen sie im Durchschnitt bis zu 50% weniger als Männer und verfügen somit über weit weniger weitreichende Kaufmöglichkeiten (Portenlänger 2006, 13). Frauen werden also nur bedingt zu Adressatinnen von Werbung, sondern sie werden selbst zu „Werbeträgerin[nen] einer sich entfaltenden Konsum- und Freizeitindustrie, die Weiblichkeit und Erotik in zuvor ungekannter Weise für den Verkauf ihrer Produkte instrumentalisiert[]“ (Eifert 2002, 89).

Der Besitz eines Autos als Frau signalisiert in den 1920er Jahren Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit, wie beispielsweise Anke Hertling in ihrer Studie zu Erika Mann, Ruth Landshoff-Yorck und Annemarie Schwarzenbach herausgearbeitet hat (2011). Die Werbungen des ‚UHU‘-Magazins betten ihre Produkte in verschiedene Gebrauchskontexte ein, die wiederum mit anderen Konsumformen verknüpft sind. Somit entsteht das Bild eines ganzheitlichen Lifestyles, der sich nicht auf das Auto beschränkt, sondern auch andere Stilnormen miteinschließt. Der Erwerb eines Autos unterliegt also nicht nur funktionalen Kriterien, sondern er wird zugleich zu einer Entscheidung über die Identifikation mit dem sozialen Image, das damit einhergeht. 
Gleichzeitig bleibt das Auto ein Luxusprodukt, dessen Besitz nur einer kleinen gesellschaftlichen Schicht vorbehalten ist, wobei es sich hierbei wesentlich um Männer handelt. Folglich werden vor allem Männer in der Werbung adressiert, auch wenn oder gerade weil oftmals mit Frauen geworben wird. 

Diese Werbungen von Citroën präsentieren autofahrende Frauen als eine modebewusste Gruppe, die stark auf ihr äußeres Erscheinungsbild achtet. Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Werbungen tragen zudem zur Konstruktion eines übergreifenden Markenimages bei. Bereits auf optischer Ebene werden Kontinuitäten hergestellt, wozu zunächst das, wenngleich leicht variierende, Schriftbild zählt. Auch die Pfeilform des Citroën-Zeichens ist auf unterschiedliche Weise in die Gestaltung der Werbung eingegliedert. Dieses Spiel von Schema und Variation spiegelt sich zudem in der Verknüpfung des jeweils gleichen Bilds mit unterschiedlichen Darstellungen. Das Auto wird in verschiedene Gebrauchskontexte eingebettet, wobei die grundlegenden Charakterisierungsmerkmale jedoch identisch bleiben. So wird der Wagen in Verbindung mit sehr elegant gekleideten Frauen, die zeitgenössischen Modeidealen entsprechend in Pelze gekleidet sind und elegante Hüte tragen, gezeigt. Hier wird die Botschaft vermittelt, dass der Besitz eines Wagens der Marke Citroën gleichbedeutend mit Eleganz und gutem Geschmack ist. Zugleich wird ein bestimmtes Bild der Kleidung, die dem Besitz eines Autos angemessen ist, vermittelt, womit diese wiederum ebenfalls als Statussymbol ausgewiesen wird.
Dementsprechend wird auch in den Beschreibungen der Fokus insbesondere auf die ästhetischen Eigenschaften des Wagens gelegt. In der Juli-Ausgabe wird er als Ausdruck des „treffsichere[n] Geschmacks der Dame“ bezeichnet, während die August-Ausgabe darauf hinweist, dass er „dezent die Eleganz der Dame [vervollständigt]“. Interessant ist dabei die Anordnung des Schriftbildes. So wird der Slogan in der Juli-Ausgabe optisch stark hervorgehoben, während er in der August-Ausgabe gegenüber dem Bild in den Hintergrund tritt. In der August-Werbung wird also der Eindruck vermittelt, dass die Qualitäten des Wagens den Rezipient:innen vertraut sind und der Fokus somit auf deren visuelle Darstellung gelegt wird. In beiden Fällen wird der Wagen als ein Modeaccessoire präsentiert, auf das keine modische Frau verzichten darf und das unentbehrlich ist, um wahrhaftige Eleganz auszustrahlen. Gleichwohl sitzen die Frauen am Steuer und werden als selbstständige Fahrerinnen präsentiert, die auch von der Funktionalität des Autos profitieren. 
Indem die Eleganz und das Modebewusstsein der dargestellten Frauen hervorgehoben werden, werden wiederum bestimmte Bilder dieser Eigenschaften vermittelt, die durch die Adressierung einer breiten Schicht von Leser:innen auch für diese als Dresscode verbindlich werden. Wenngleich viele Werbe-Rezipient:innen zwar nicht über die Mittel zum Kauf eines Autos verfügen, so partizipieren sie dennoch an zeitgenössischen Mode- und Konsumdiskursen, die unter anderem durch die von der Werbung vermittelten Stilnormen und Verhaltensweisen geprägt sind. So wird suggeriert, dass jede Frau, wenngleich sie nicht über die Mittel für ein Auto verfügt, sich zumindest über die Kleidung ein ‚Statussymbol‘ zulegen kann. 
Über die weibliche Kleidung und die symbolische Funktion von Frauen als Verkörperung des zeitgenössischen Konsum- und Freizeitkults werden auch Männer angesprochen, die sich mit dem luxuriösen Image identifizieren wollen. Insofern die Werbung mit fahrenden Frauen auf Modernität/Progressivität setzt, spricht sie außerdem Männer an, die modern/progressiv sein wollen, weil sie sich mit den Fahrerinnen vermutlich nicht unmittelbar identifizieren können.
Aber Männer werden implizit und subtil auch vor dem Hintergrund traditioneller Männlichkeitsbilder adressiert. Dies wird z.B. in der Beschreibung des Wagens in der August-Ausgabe deutlich, die ihm die Eigenschaften eines Sportlers zuschreibt. Wie ein durchtrainierter Körper bereitet seine Betrachtung ästhetisches Vergnügen, da seine „Linien das Auge erfreuen“. Es handelt sich um einen „schnelle[n] Läufer“ und einen „vorzügliche[n] Bergsteiger“, der die Insassinnen „sanft und sicher […] über Härten und Hindernisse“ trägt. Neben der Priorisierung ästhetischer Eigenschaften greift die Werbung damit ebenfalls den Körper- und Sportkult der Weimarer Republik auf, der in zeitgenössischen Männlichkeitsdiskursen eine wichtige Rolle spielt (Schmidt 2000, 88ff.). Somit wird ein Konzept von Männlichkeit aufgegriffen, das einerseits eine Sexualisierung des Sportlerkörpers impliziert und zugleich den Mann als Beschützer der Frau darstellt, während letzterer ausschließlich eine passive Rolle zukommt. Trotz der scheinbaren Abwesenheit von Männern und der Autonomie der Frau bleiben traditionelle Geschlechterkonzeptionen also weiterhin präsent und machen auch Männer implizit zu einem Teil der werbeimmanenten Welt.

Literatur

Christiane Eifert: „Die neue Frau. Bewegung und Alltag“, in: Manfred Görtenmaker u. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz (Hrsg.): Weimar in Berlin. Porträt einer Epoche. Berlin 2002, S. 82–103.

Anke Hertling: Eroberung der Männerdomäne Automobil: die Selbstfahrerinnen Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach. Kassel (Diss.) 2011.

Helga Lüdtke: Der Bubikopf. Männlicher Blick – weiblicher Eigen-Sinn. Göttingen 2021.

Monika Portenlänger: Kokettes Mädchen und mondäner Vamp. Die Darstellung der Frau auf Umschlagillustrationen und in Schlagertexten der 1920er und frühen 1930er Jahre. Marburg 2006.

Jens Schmidt: „Sich hart machen, wenn es gilt“. Männlichkeitskonzeptionen in Illustrierten der Weimarer Republik. Münster 2000.
Claudius Torp: Konsum und Politik in der Weimarer Republik. Göttingen 2011.