Die Skulptur im Dienst der Medici

Nach der Machtergreifung der Medici und insbesondere nach dem Regierungsantritt Cosimo‘s I. ändern sich die künstlerischen Prioritäten in Florenz. Dies geschah nicht plötzlich, sondern allmählich, ebenso wie sich der neue herzogliche Hof und seine Strukturen und Apparaturen erst allmählich herausbildeten. Zu den ersten Eingriffen gehörte die bereits unter Alessandro de’Medici beschlossene Umfunktionierung des Palazzo della Signoria zur neuen fürstlichen Residenz. Cosimo I. beauftragte damit zunächst Baccio Bandinelli (1493–1560), der seit seiner Jugend ein treuer Parteigänger der Medici war und der in besonderem Maße die Protektion Giulio de’Medicis, des späteren Papstes Clemens' VII. genoss. Dass er ein fähiger Bildhauer war, zeigt seine nach dem Vorbild des Apollo vom Belvedere um 1519 geschaffene Statue des Orpheus im Hof des Palazzo Medici. Mit seiner originalgroßen Marmorkopie der antiken Laokoongruppe (1520) wollte er laut Vasari das antike Vorbild übertreffen und erntete dafür den Spott Michelangelos. 1525 begann Bandinelli mit der Arbeit an der kolossalen Statuengruppe, die Herkules besiegt Cacus, die als Gegenstück zu Michelangelos David vor dem Palazzo della Signoria konzipiert war und deren Auftrag ursprünglich an Michelangelo ergangen war. Als das Werk 1534 enthüllt wurde, ergoss sich darüber der Spott der Florentiner. Bandinellis ambitiöser und bis zur Neurose verletzlicher Charakter stand ihm bei vielen seiner Unternehmungen im Wege, zumal Anspruch und Wirklichkeit in seinen Projekten oft auseinander klafften. Fatal war für ihn auch die unvermeidliche Konkurrenz zu Michelangelo, der seine Werke nicht gewachsen waren. Er erhielt 1536 die Aufträge für den Skulpturenschmuck der Grabmäler der beiden Medici-Päpste in der römischen Kirche S. Maria sopra Minerva, die ursprünglich in Michelangelos Neuer Sakristei in Florenz aufgestellt werden sollten >L.XII.6. Ab 1540 hatte er die Leitung der Florentiner Dombauhütte inne und war ab 1545 in dieser Funktion verantwortlich für die Gestaltung der neuen Einfriedung des Sakralbereiches unter der Kuppel sowie für den Hochaltar. Vom ikonographisch komplexen und aufwändigen Bildprogramm dieser Anlage, die niemals ganz vollendet wurde und die nach 1838 beseitigt und in ihre Bestandteile zerlegt wurde, überleben die Marmorreliefs mit 88 Propheten und Aposteln, sowie die vollplastischen Figuren des ehemaligen Hochaltars, der 1556 vollendet wurde. Neuere Forschungen haben die Rekonstruktion der Einfriedung und des Altars ermöglicht, der zu den originellsten, aber auch bizarrsten Schöpfungen dieser Kategorie gehört. Auf der Vorderseite erhob sich eine Sitzfigur des Segnenden Gottvater, zu dessen Füßen eine Engelspietà platziert war. Auf der Rückseite des Altars standen die Ureltern Adam und Eva als vollständig nackte Figuren, die den Baum der Erkenntnis mit der Schlange flankierten. Die Kritik an der Gruppe, deren Komposition an Albrecht Dürers Kupferstich Adam und Eva von 1504 erinnert, war schon bei der Enthüllung (1549) vernichtend.

Auf der Nordseite der ehemaligen Sala del Maggior Consiglio, die durch Giuliano di Baccio d’Agnolo in einen Festsaal umgewandelt worden war, wurde ab 1541 eine erhöhte Bühne (Udienza) für die öffentlichen Audienzen des Herzogs errichtet, deren von Bandinelli entworfenes Skulpturenprogramm in einer bedeutenden europäischen Tradition genealogischer Ensembles steht. Der politische Charakter des Programms zeigt sich daran, dass die Statuen der Protagonisten aus der Hauptlinie der Medici mit den Protagonisten der Nebenlinie, der Cosimo I. entstammte, verknüpft wurden. Während der über zwanzig Jahre dauernden Ausführung erfuhr das Figurenprogramm mehrere Veränderungen, vor allem anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten für Francesco I. de‘Medici und Johanna von Österreich im Dezember 1565. Damals wurde die Sitzfigur PapstClemens‘ VII., der noch die Figur des von ihm gekrönten Kaisers Karl V. fehlte, in die östliche Exedra versetzt, während die Sitzfigur Papst Leos X. in der zentralen Exedra aufgestellt wurde.

Bandinellis fähigster Konkurrent war der Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini (1500–1571), wie er ein treuer Gefolgsmann der Medici und nicht weniger ambitiös. Anders als Bandinelli führte er jedoch ein unstetes Leben, was nicht nur die Folge der unruhigen politischen Zeitläufte war, sondern auch mit seinem eitlen, streitsüchtigen und kapriziösem Charakter zusammenhing. Er verübte einen Mord und wurde der Veruntreuung und der Sodomie angeklagt, was die damals übliche Umschreibung für homosexuelle Handlungen war. Nach Aufenthalten in Rom, Mantua und Venedig begab er sich 1540 für fünf Jahre nach Paris, wo er zum Hofbildhauer ernannt wurde und wesentlich an der skulpturalen Ausstattung des Schlosses von Fontainebleau beteiligt war. König François I. erwarb sein wohl berühmtestes Werk, das als Tafelaufsatz geschaffene Salzfaß (Saliera). Die beiden Behältnisse für Salz und Pfeffer sind mit Personifikationen der Erde in Gestalt einer Frau und des Meeres in Gestalt eines Mannes mit den Attributen Neptuns kombiniert, bei denen das Vorbild der Medici-Grabmäler Michelangelos unverkennbar ist. Ein reicher allegorischer Figuren- und Motivapparat – auch hier ist der Rückbezug auf die Medici-Grabmäler evident − ergänzt das Programm des Tafelaufsatzes, der deswegen und aufgrund seiner Kostbarkeit und seines Materialluxus zum Inbegriff der höfischen Kunst geworden ist.

Obwohl von Cellinis Schaffen am französischen Hof nicht viel überlebt hat, war sein Aufenthalt in Paris für die französische Skulptur sehr folgenreich. Umgekehrt profitierte auch der Florentiner Hof von Cellinis Erfahrungen mit der verfeinerten und auf Luxus und Pracht gepolten Hofkultur Frankreichs. 1545 ließ sich Cellini wieder in Florenz nieder und arbeitete nun hauptsächlich für Cosimo I. Seine überlebensgroße und vergoldete Bronzebüste des Herzogs ist der etwas früheren Büste Bandinellis zwar nicht an Bildnistreue, aber an Majestät und Ausdruck weit überlegen. Das Medusenhaupt, das der Rüstung appliziert ist, weist Cosimo als neuen Perseus aus. Von Cosimo erhielt Cellini daraufhin den Auftrag zu einer monumentalen Bronzefigur, als deren Thema der Herzog sein Vorbild, den siegreichen Perseus wählte, der, mit dem ausgestreckten Schwert in der Hand, auf dem leblosen Körper der Medusa steht, deren Haupt er triumphierend emporhebt. Cellini nahm hier motivisch und kompositionell deutlich auf Donatellos Judith Bezug, die damals unter der westlichen Arkade der Loggia die Lanzi stand. Cellinis teilvergoldete, 1554 in der Loggia aufgestellte Gruppe, die auf einem kunstvollen, mit weiteren Skulpturen und Reliefs versehenen hohen Postament steht, fand eine reiche Nachwirkung bei den Bildhauern der nächsten Generation. Cellini stellte sich hier dem Maßstab, den Donatellos Judith und Michelangelos David gesetzt hatten und machte zugleich deutlich, dass sein Werk an Kunstfertigkeit, Eleganz und Ausdruck der martialischen und steifen Herkules und Cacus-Gruppe seines Konkurrenten Bandinelli überlegen war. Dennoch erhielt er in den folgenden Jahren keine großen Aufträge Cosimos I. mehr. Beim Wettbewerb für den Neptunbrunnenauf der Piazza della Signoria im Jahr 1560 verlor er gegen Bartolommeo Ammannati. Aber er sorgte auf andere Weise für seinen Nachruhm. Ab 1558 arbeitete er an der Niederschrift seiner erst postum veröffentlichten Selbstbiographie, die als Abrechnung mit seinen Gegnern gedacht war, ihn selbst allerdings auch nicht gerade in das beste Licht rückt. Bedeutsam ist sein Traktat über die Skulptur und die Goldschmiedekunst, den er 1568 publizierte. Hier definierte Cellini Kriterien für die Ansichten freistehender Statuen, die sich, vor allem mit Hilfe des Postamentes, am Perseus visuell nachvollziehen lassen. Demnach soll eine Statue acht unterschiedliche und gleichwertige Ansichten bieten. Cellini nimmt auf die Debatte über den Paragone Bezug, bei dem es um die Frage ging, ob der Skulptur oder der Malerei der höhere Rang zukäme.

Auf Empfehlung Vasaris trat 1555 Bartolomeo Ammannati (1511–1592), der seine Ausbildung bei Bandinelli und Jacopo Sansovino erhalten hatte, in den Dienst Cosimo‘s I. Seine früheren Stationen waren Venedig, Neapel, Urbino, Padua und Rom gewesen, wo er ab 1552 an der architektonischen und skulpturalen Gestaltung der Villa Giulia >L.X.7 entscheidenden Anteil hatte. Sein erster Florentiner Auftrag galt einem monumentalen Wandbrunnen, der nach dem Konzept Vasaris auf der südlichen Schmalwand des Salone dei Cinquecento in einer Rahmung errichtet werden sollte, die in ihren großen Strukturen der Audienzbühne auf der Nordwand ähneln sollte. Außer sechs großen Marmorfiguren, die um einen vertikal aufgestellten ringförmigen Rahmen gruppiert wurden, sollte der 1559 weitgehend vollendete skulpturale Dekor durch Bronzefiguren und architektonische Versatzstücke ergänzt werden. Obwohl 1560 die Wand für den Brunnen, dessen Aufstellung die Installation einer Wasserleitung erfordert hätte, zugerichtet wurde, gab man das Projekt auf, so dass die Skulpturen nach einer provisorischen Aufstellung in der Villa von Pratolino (1579–1588) auf andere Orte verteilt wurden. Eine Rekonstruktion des ursprünglichen Ensembles, die 2011 im Rahmen einer Florentiner Ausstellung als Ergebnis früherer Forschungen vorgestellt werden konnte, überrascht durch die originelle Konzeption. Das Thema des Brunnens sollte nach einer zeitgenössischen Quelle die Entstehung des Wassers sein. Das ungewöhnlichste Motiv ist der aufrecht gestellte steinerne Ring, der vielleicht den Kreislauf des Wassers symbolisieren sollte. Auf dem Scheitel des Ringes thront Juno als Göttin der Luft, begleitet von zwei Pfauen. Unter ihr steht im Zentrum des Kreises die Personifikation der Erde, die aus ihren Brüsten das Wasser drückt. Sie wird gerahmt von den Sitzfiguren des Arno und der Quellnymphe des Parnass. Außerhalb des Kreises wurden die Personifikationen der Temperantia und der Fiorenza, die aber nicht in den unmittelbaren Kontext des Brunnens gehören, in Nischen aufgestellt. Auch wenn die architektonische Rahmung die Abstraktheit des Gebildes gemildert hätte, bleibt die formale Konzeption dieses Brunnens sehr ungewöhnlich.

Ammanatis zweites Hauptwerk für Cosimo I. war der Neptunbrunnen auf der Piazza della Signoria (1560–1565), der ursprünglich von Bandinelli gestaltet werden sollte, der bereits den 6 m hohen Marmorblock für die Figur des Neptun bossiert hatte. 1560 kam es zu einem Wettbewerb, an dem sich auch der junge Giambologna (1524–1608) beteiligte. Ammanati erhielt den Zuschlag aufgrund des Stuckmodells, das neben Cellinis Modell in der Loggia dei Lanzi aufgestellt worden war. Der unbewegt posierende Meeresgott, um dessen Beine sich mehrere Tritonen winden, die der Figur Standfestigkeit geben, wendet seinen Blick auf die in einer Linie mit ihm stehenden beiden Giganten vor dem Portal des Palazzo Vecchio. Als Sockel dient ihm ein blockartiger kreisrunder Wagen, vor den vier Seepferde gespannt sind. Auf dem unteren Rand des achteckigen Beckens (Fontana di Piazza), in das eine öffentliche Wasserleitung mündet, sitzen acht Satyrn, während zwei weibliche und zwei männliche Meergötter auf den erhöhten Blöcken am oberen Beckenrand lagern, allesamt aus Bronze. Der Kontrast zwischen der massiven Statuarik des Neptun und den schlanken, elegant posierenden Bronzefiguren macht deutlich, wie sehr Ammanati durch den bereits bearbeiteten Marmorblock des Neptun konditioniert wurde. Der stilistische Bruch markiert aber auch die neuen skulpturalen Tendenzen, die sich nach 1560 und zunehmend ab 1565 in Florenz manifestierten. Die fließenden Konturen und die gelängten Proportionen der Bronzen entsprachen mehr dem Geschmacks- und Stilideal von Cosimo’s Sohn Francesco I., der ab 1564 als Regent offiziell seinen Vater vertrat. Charakteristisch für diese elegantere Version des Manierismus ist die Ausstattung des Studiolo im Palazzo Vecchio, für das Ammanati (1571–1573) die Personifikation der Erde (Opis) schuf. In den folgenden Jahren überwog seine Tätigkeit als Architekt (Palazzo Pitti) und als Ingenieur (Ponte S. Trinita), während er sich unter dem Einfluss der Gegenreformation von den profanen Themen distanzierte, die im Mittelpunkt seines Werkes gestanden hatten. 1582 verfasste er sogar eine Selbstanklage, in der er es bereute, so viele nackte Figuren geschaffen zu haben.

Inzwischen hatte sich allerdings seit 1561 mit dem Flamen Giambologna (ca. 1529–1608) ein jüngerer Bildhauer in Florenz etabliert, der nicht nur die künstlerischen Bedürfnisse des Medici-Hofes bestens erfüllte, sondern der durch Großaufträge für andere Höfe und durch Reduktionen seiner Hauptwerke zu kleinformatigen Bronzen entscheidend zur europäischen Verbreitung des neuen Geschmacks beitrug. Diese Neuausrichtung der Skulptur, die ohne Michelangelo nicht denkbar gewesen wäre, geht jedoch in den Themen, den formalen Grundsätzen, aber auch in seiner dank der Bronzetechnik erlangten Virtuosität und Effizienz deutlich über ihn hinaus. Das zeigen nicht nur Werke wie der elegant auf einer Zehenspitze balancierende Götterbote Mercurio volante, den Cosimo I. 1565 Kaiser Maximilian II. zum Geschenk machte, sondern auch die Marmorgruppe Florenz triumphiert über Pisa, die als Pendant zu Michelangelos Sieg >L.XII.1 für den Salone dei Cinquecento bestimmt war. Das Neue an diesen Figuren ist ihre virtuose Vielansichtigkeit und Dynamik, die eine bis dahin in der Skulptur nicht mögliche Schwerelosigkeit verleiht. Giambolognas Virtuosität erreicht ihren Höhepunkt schließlich in der monumentalen Marmorgruppe mit dem Raub einer Sabinerin (1580–1583) in der Loggia dei Lanzi. Hier verwirklichte er das 1584 von Giovanni Paolo Lomazzo formulierte Ideal der figura serpentinata, die ihre Struktur und ihren Inhalt erst preisgibt, wenn der Betrachter sie ganz umrundet hat. Dank des sich um die bewegenden Betrachters erobert die Skulptur so die Dimension der Zeit und reparierte damit eines der Defizite, die ihr beim Paragone-Streit zum Nachteil gereicht hatten. Mit dieser Neuerung schuf Giambologna eine entscheidende Voraussetzung für die Wege der Skulptur im 17. Jahrhundert.

 

zu 9. Vasari als Intendant Cosimos I.