Glossar

Concetto (L. XIV)

Mit diesem Begriff wird „ein geistig entworfenes, vollendetes Urbild bezeichnet, das dem Kunstwerk vorausgeht. Aus den schriftlichen Äußerungen von Künstlern läßt sich bedingt die These ableiten, daß Concetto im künstlerischen Umfeld weitaus gebräuchlicher war als das nahestehende Wort idea, das wohl hauptsächlich im philosophischen Kontext Verwendung fand." Vasari versteht den disegno als anschauliche Umsetzung des Concetto, den er als ein Bild bezeichnet, „das man (...) sich im Geist vorstellt". 

Sabine Feser, Victoria Lorini: Vasari, Kunstgeschichte und Kunsttheorie, Berlin 2004, 280-281.

 

Decorum (Decoro)

“In der Kunstwissenschaft bezeichnet D. einerseits ganz allgemein das angemessene Verhältnis eines Bildgegenstandes oder einer architektonischen Form zu Anbringungsort und Auftraggeber, andererseits als systemimmanente Kategorie aber auch das harmonische Zusammenspiel der Teile in der kompositionellen Binnenstruktur eines Kunstwerks.“ (Michael Thimann , Decorum, in U. Pfisterer (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart-Weimar 2003, 64.)

 

Disegno

In der zweiten Ausgabe der „Vite“ von 1568 bezeichnet Vasari die Zeichnung („il Disegno“) als „Vater unserer drei Künste Architektur, Bildhauerei und Malerei, der aus dem Geist hervorgeht (…)“. Er ist für ihn die „Idee aller Dinge der Natur“ und infolgedessen „eine anschauliche Gestaltung und Darlegung jener Vorstellung, die man im Sinn hat, von der man sich im Geist ein Bild macht und sie in der Idee hervorbringt.“ Diese Konzeption der Zeichnung als „Erkenntnisform des Geistes“ (Pfisterer), die weit über L. B. Albertis Definition der Zeichnung (segno) als Punkt und Linie hinausgeht, wurzelt in den Schriften des Florentiner Dichters und Philosophen Angelo Poliziano.

Literatur: Wolfgang Kemp: Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 19, 1974, 219-240; Matteo Burioni (Hg.): Giorgio Vasari, Einführung in die Künste der Architektur, Bildhauerei und Malerei. Die künstlerischen Techniken der Renaissance als Medien des disegno, Berlin 2006, 98; Ulrich Pfisterer: Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Eine Geschichte in Quellen, Reclam ub 18236, Stuttgart 2002, 101-103.

 

Disegno und Colore

Vgl. Valeska von Rosen, in Pfisterer: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, Stuttgart 2003, 71-73; Sabine Feser, Victoria Lorini: Vasari, Kunstgeschichte und Kunsttheorie, Berlin 2004, 229, 231.

 

Donauschule (L.XVI)

„Bezeichnung für eine Strömung der deutschen und österreichischen Malerei in der Zeit zwischen 1490 und 1540. Der seit der Wende 19./20. Jh. übliche Name Donauschule soll von Theodor von Frimmel und von Hermann Voss stammen und weist auf das vor allem zwischen Regensburg und Wien gelegene Gebiet der Donau hin, das den wandernden Künstlern eine Reihe von Motiven botz (…) Die Landschaft wurde in der Donauschule erstmals zum bestimmenden Hauptmotiv.”(Das grosse Kunstlexikon von P. W. Hartmann, s. http://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_2154.html)


Ecklösung (Eckkonflikt)

Bei den von Arkaden eingefassten Innenhöfen, die durch die Applikation der klassischen Ordnungen geschichtete und mehrgeschossige Fassaden erhalten, kommt es in den Ecken zur Kollision zwischen den struktiven Baugliedern (Pfeiler oder Säule) und den applizierten Gliederungssystemen (Rom, Hof des Palazzo Venezia, >L.VII.2). Bramantes kanonischer Lösung der Pfeilerarkade mit aufgeblendeter Pilasterordnung (Kreuzgang von S. Maria della Pace,) geht der Hof des Palazzo Ducale in Urbino voraus >L.VI.8. Die Ecken werden hier durch L-förmige Pfeiler gebildet, denen eine Pilasterordnung vorgeblendet ist, der sich die Säulen der Arkadenfolge unterordnen: „Diese Lösung gibt der Stelle Festigkeit fürs Auge, lässt die Arkadenfolge deutlich schließen und erlaubt es auch, darüber ein unschönes Zusammenstoßen von zwei Fenstern in der Ecke zu vermeiden.“ (Hubala 1968, 23).

Literatur: Erich Hubala: Renaissance und Barock, Frankfurt am Main 1968.

 

Enfilade (L.X.9)

Der aus der französischen Architekturtheorie des Barock übernommene Begriff bezeichnet eine Flucht von Räumen, deren Türen auf einer Achse liegen, so dass sie wie „aufgefädelt” wirken. Tatsächlich begegnet diese Innendisposition erstmalig im 1466 begonnenen Palazzo Venezia in Rom >L.VII.2 und wurde in der Villa La Rotonda durch Palladio aufgegriffen und weiterentwickelt >ABB L.X.9.

Literatur: Christoph Luitpold Frommel: Francesco del Borgo: Architekt Pius’ II. und Pauls II., in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 21, 1984, 71-164; Grundmann 1997, 103, 358.

 

Entasis (L.IV)

Der griechische Begriff, zu übersetzen mit Anspannung, bezeichnet die leichte Schwellung des Schaftes der Säule im unteren Bereich. Sie veranschaulicht die Funktion der Säule als tragendes Bauglied, das sich  wie ein Lebewesen unter der zu tragenden Last verändert.

Literatur: Hans Koepf: Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart 1974, 133.

 

Figura serpentinata , zu dt. geschlängelte Figur.

„Entgegen der klassischen Auffassung einer in sich ruhenden, geschlossenen Form wird in der manieristischen Skulptur die strenge Frontalität aufgegeben. Die statische Haltung wird dynamisiert zugunsten eines in sich gedrehten Körpers, bzw. einer Verschränkung verschiedener Körper. Diese pyramidal und spiralförmig angelegte, sich um die eigne Achse nach oben schraubende Figurenkomposition bezeichnet man als ›figura serpentinata‹. Sie löst somit das Versprechen der Vielansichtigkeit ein. Ihre Bedeutung und Wirkung erzielt die Skulptur in ihrer Ganzheit erst dann, wenn sie umschritten und von allen Seiten betrachtet wird.“http://www.projekte.kunstgeschichte.uni-muenchen.de/Paragone/glossar_serpentinata.html

 

Historia (L. XI)

Nach Alberti stellt die Historia die wichtigste Aufgabe des Malers dar. Der Begriff bezeichnet „jede Darstellung handelnder Menschen [….] eine biblische Geschichte genauso wie eine mythologische oder eine im engeren Sinne historische […] Szene.“ Wegen ihrer ikonographischen und formalen Komplexität besetzt die Historia innerhalb der klassischen Hierarchie der malerischen Gattungen den höchsten Rang.

Literatur: Thomas Gaehtgens, Uwe Fleckner (HG.): Historienmalerei, Berlin 1996, 78-83 (Gudrun Gorka-Reimus); Frank Büttner, Andrea Gottdang: Einführung in die Ikonographie. Wege zur Deutung von Bildinhalten, München 2006, 207.

 

Hl. Anna Selbdritt (L. XI)

Die Darstellung vereint Anna als Mutter Mariens mit ihrer Tochter und dem Jesuskind zu einer Figurengruppe, deren theologische Aussage auf die erst im 19. Jahrhundert zum Dogma erhobene Verehrung der Immaculata Conceptio bezieht, wonach - durch Annas Gegenwart bezeugt - Maria jungfräulich empfangen wurde. Aus der anfänglich hieratisch-strengen Axialität, wie sie um 1420 Masaccio und Masolino bei der Anordnung der drei Figuren wählten, entwickelt sich in Florenz, wo die hl. Anna als Stadtpatronin verehrt wurde, um 1500 in Malerei und Skulptur eine vielgestaltige Ikonographie, die narrative Handlungsmotive einführt (Leonardo da Vinci) und die das Thema der drei Lebensalterstufen visualisiert.

Literatur: Hannelore Sachs, Ernst Badstübner, Helga Naumann: Erklärendes Wörterbuch der christlichen Kunst, Hanau o. J., 33.

 

Internationale Gotik

Eine treffende Charakterisierung des Begriffs findet sich in Jane Turner(Hg.): The Dictionary of Art, Band 13, New York 1996, 155: „The term has functioned both to describe an entire culture, including poetry, and an artistic style. Its cultural and aesthetic background was formulated by such historians as Huizinga, Focillon and Panofsky, who following Burckhardt, accepted the notion that later medieval culture in northern Europe, especially France and Burgundy, was one of selfconscious aestheticism, with a collective tendency to retrospection and, ultimately, morbidity. This was contrasted with the cultural optimism and individualism of the Renaissance in Italy.” (Paul Binski).
Zur Geschichte des Begriffs und zum italienischen Spektrum: Liana Castelfranchi Vegas: Internationale Gotik in Italien, Dresden 1966, 5-8.

 

Kompositer Kirchentypus (L. IX)

Verknüpfung eines längs gerichteten mit einem zentralisierenden Baukörper. Als Gelenk fungiert die Vierung, die mit einer Kuppel überwölbt ist und an die sich in den Querachsen und im Chor kurze Arme in der Breite des Hauptschiffs anschließen, die entweder gerade oder durch halbrunde Apsiden geschlossen sind. Ausgehend von Bramantes Plan für Neu-St. Peter wurde diese Kombination richtungweisend für die Sakralarchitektur der Gegenreformation. Der Begriff geht auf Francesco di Giorgio Martini zurück.

Literatur: Rudolf Wittkower: Architectural Principles in the Age of Humanism, London 1962, 11.

 

Linearperspektive, Zentralperspektive

Alberti stellt sich das Bild als planen Durchschnitt der vom Auge ausgehenden Sehstrahlen vor, die sich mit den einzelnen Punkten des darzustellenden Raumgebildes verbinden. Auf dieser ideellen Schnittfläche wird das perspektivische Abbild erzeugt, das die mit dem Abstand vom vorderen Bildplan zunehmende Verringerung de Größe der Gegenstände, die Verkürzung der Tiefenlinien und ihre Konvergenz in einem zentralen Fluchtpunkt malerisch fixiert, wobei die Entfernungen  der Gegenstände untereinander mit eine Hilfskonstruktion (der Sehpyramide im Aufriss) im Verhältnis zur gesamten Raumtiefe festgelegt werden. Der zentrale Fluchtpunkt wird durch das vom Auge auf die Projektionsfläche gefällte Lot bestimmt. In ihm laufen alle Tiefenlinien zusammen, während alle zur Bildebene parallelen Linien unverändert parallel bleiben.

L. B. Alberti: Della Pittura, libro terzo, ed. L. Malle, Florenz 1950, S.103.

 

Loggia (L. IV)

Offene Laube bzw. Säulenhalle eines Bauwerkes. Die sowohl im Erdgeschoss wie in höheren Stockwerken der Fassade platziert sein kann und die in der Regel nicht über die Bauflucht hervortritt. Auch selbständige offene Säulenhallen werden als L. bezeichnet.

Literatur: Hans Koepf: Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart 1974, 255; https://de.wikipedia.org/wiki/Loggia

 

Madonna dell’Umiltà (L. XI)

Um und nach 1400 bildet sich In Italien neben der thronenden Maria (Madonna in Maestà) ein neuer Typus des ganzfigurigen Marienbildes heraus, bei dem die jugendliche, manchmal sogar kindlich wirkende Gottesmutter in reich gefältelten Gewändern und das Kind anbetend, auf dem Boden kauert, meistens inmitten einer mit Blumen bewachsenen Wiese. Die humilitas (Niedrigkeit), die darin zum Ausdruck kommt, hat zur Bezeichnung „Madonna dell’umiltà“ geführt. Diese Ikonographie, in der sich eine neue Spiritualität spiegelt, die in der Nachfolge des hl. Franziskus die göttlichen Gestalten vermenschlicht hatte und die Glaubensinhalte narrativ ausschmückte, findet sich in der Stilphase der internationalen Gotik vor allem im Bereich der kleinformatigen Andachtsbilder und war besonders in Oberitalien verbreitet (Stefano da Verona, Pisanello). Nördlich der Alpen entwickelt sich daraus der Bildtypus der Maria im Rosenhag.

Literatur: Hannelore Sachs, Ernst Badstübner, Helga Naumann: Erklärendes Wörterbuch der christlichen Kunst, Hanau o. J., 298; Sabine Pöschel: Handbuch der Ikonographie, Darmstadt 2005, 118-119.

 

Manierismus (L. X.3)

Von Jacob Burckhardt (Cicerone 1855) eingeführter Begriff für die Kennzeichnung der italienischen Kunst in der Nachfolge von Raffael und Michelangelo. Die ursprüngliche negative Konnotation des M. wurde im 20. Jh. durch H. Wölfflin, A. Riegl und W. Friedlaender korrigiert, indem man die formalen Eigentümlichkeiten dieser Epoche herausarbeitete. Ausgehend vom Wort „maniera“ (Manier = Art, Stil), mit dem seit der frühen Renaissance die individuelle Formensprache eines Künstlers gemeint ist, wird die „selbstreflexive Kunst“ des M. (Pfisterer 2003, S. 230) heute in seiner Modernität gewürdigt.

Literatur: Ulrich Pfisterer, „Manierismus“, in U. Pfisterer (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft: Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart Weimar 2003, 227-230.

 

Ölmalerei

Seit dem Mittelalter praktizierte Maltechnik, bei der statt des Bindemittels der Eitempera langsam trocknende Öle (Leinöl, Mohnöl, Walnussöl) verwendet werden. Dies verlangsamt zwar den Malprozess, ermöglicht jedoch Lasuren, d. h. einen schichtenweisen Auftrag der Pigmente, die damit auch an Leuchtkraft, Intensität und Dauerhaftigkeit gewinnen.

Literatur: Knut Nikolaus: Du Mont’s Handbuch der Gemäldekunde: Material, Technik, Pflege, Köln 1979, 140-141.

 

Paragone

Aus einem akademischen Vortrag des Literaten Benedetto Varchi hatte sich im Jahr 1546 eine Debatte über die nobiltà delle arti entzündet. Das seit Leonardo unter den Künstlern diskutierte Thema der Debatte war der Vergleich zwischen beiden Künsten Malerei und Skulptur und die Frage, welcher von beiden der Vorrang zuzusprechen sei. Es war gerade damals in Florenz so aktuell wie nie zuvor, was einerseits auf die neue Blüte der Skulptur zurückzuführen war, andererseits aber auch darauf, dass Michelangelo gleichermaßen Vorbild für Maler und Bildhauer war. Die Vielansichtigkeit des plastischen Bildwerks war eines der entscheidenden Argumente, mit dem die Bildhauer ihren Anspruch auf die Überlegenheit der Skulptur begründeten. Die Malerei punktete dagegen mit der Virtuosität der Illusion, die nicht mehr als Farben und eine Fläche benötige, um Schlachten und andere Ereignisse in der entsprechenden Tages- oder Nachtsituation getreu wiederzugeben. Varchi hatte angesehene Maler und Bildhauer zur Stellungnahme aufgefordert und publizierte 1549 die ihm in Briefform zugesandten Texte (siehe Bibliographie). Auch Michelangelo bezog schriftlich Position, indem er erklärte, dass die Malerei dann am besten sei, wenn sie sich dem Relief annähere, das Relief aber dann am schlechtesten, wenn es sich am meisten der Malerei nähere. Im Übrigen hielte er die Skulptur für die Laterne der Malerei, also für die Kunst, auf die der gute Maler nicht verzichten kann.

Literatur: Paola Barocchi (Hg.): Scritti d’arte del Cinquecento, Bd. III: Pittura e Scultura, Turin 1978, 522.

 

Rilievo

Alberti bezeichnet mit diesem Begriff "die plastische dreidimensionale Erscheinung einer Gestalt auf dem planen Maluntergrund". Leonardo verwendet den Begriff rilievo erstmalig für die Skulptur und spricht von "mezzo rilievo" (Hochrelief) und "basso rilievo" (Flachrelief)

Vgl. Sabine Feser, Victoria Lorini: Vasari, Kunstgeschichte und Kunsttheorie, Berlin 2004, 255- 257.

 

Rustica, Bugnato

R. wird von Giuliano da Sangallo als „opera non finita“ eingestuft. Der unbearbeitete “natürliche” Zustand des Steines steht in Opposition zur Ordnung des bearbeiteten Steines und veranschaulicht so die beiden Phasen des Beginns und der Vollendung.

Literatur: Ausstellungskatalog Giulio Romano, Mantua, Mailand 1989, 420 (Pier Nicola Pagliara).

 

Sacra Conversazione (L. VI), zu dt. „heiliges Gespräch“

Ganz allgemein bezeichnet der Begriff die malerischen Darstellungen der thronenden Madonna, die von unterschiedlichen Heiligen umgeben ist und die aufgrund der Gestik und der Mimik den Eindruck erwecken, als ob sie sich miteinander unterhalten. Der Bildtypus der S.C. wird vor allem mit der venezianischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts assoziiert, da er hier über mehrere Jahrzehnte hinweg eine kohärente Weiterentwicklung erfuhr. Bereits 1763 wird ein Altarbild von Giovanni Bellini als „Sacra Conversazione“ bezeichnet.

Literatur: Rona Goffen, Nostra Conversatio in Caelis est: Observations on the Sacra Conversazione in the Trecento, in: The Art Bulletin, 61, Nr. 2 (Juni 1979), 198-222; Beatrize Söding; SC, in Lexikon für Theologie und Kirche, hg. von Walter Kasper, Bd. 8, Freiburg, Basel etc. 1999, Sp. 1421-1422.

 

Serliana oder Palladio-Motiv (L. X.3)

 

Der Begriff geht auf den im englischen Palladianismus üblichen Begriff "Palladian window" zurück, der speziell mit der Basilika in Vicenza verbunden wird. Der professionelle Begriff lautet jedoch Serliana, da das Motiv bereits in Sebastiano Serlios Architekturtraktat 4. Buch, 1537) abgebildet ist. Es besteht „aus einer dreiteiligen Öffnung mit schmäleren durch waagerechtes Gebälk abgeschlossenen Seitenöffnungen und breiterer, höherer Arkade als Mittelstück“ (Grundmann 1997, S. 359). Raffael hat das Motiv in seinem Fresko Borgobrand in der Stanza dell’Incendio im Vatikan (1514-1517) dargestellt. Es tritt hier isoliert auf und kennzeichnet hier die päpstliche Benediktionsloggia im Hintergrund. Palladios geniale Vervielfältigung des Motivs, das er 1549 zum Grundmodul der Ummantelung des Kommunalpalastes von Vicenza >L.X.6 mit Loggien gemacht hat, erklärt die in der älteren Literatur übliche Bezeichnung als „Palladio-Motiv“.

Literatur: Stefan Grundmann (Hg.): Architekturführer Rom. Eine Architekturgeschichte in 400 Einzeldarstellungen, Stuttgart London 1997; Erik Forssmann (Hg.): Palladio. Werk und Wirkung, Freiburg i. Br. 1997, 73.

 

Sfumato (L.XV)

Zu deutsch „verraucht“. Der Begriff findet sich erstmals in Leonardo da Vincis „Trattato della pittura“ und bezieht sich auf die Schattengebung. Leonardo empfiehlt dem Maler, die Plastizität (rilievo) der Bildfiguren durch dunkle Schatten zu steigern, die nicht kompakt, sondern wie verraucht (oscure sfumate) sein sollen. Er spricht auch von „ombre fumose“ und versteht darunter Schatten, die nicht vollendet, d.h. flüchtig sein sollen (Marco Tabarrini: Trattato della Pittura di Leonardo da Vinci condotto sul Cod. Vaticano Urbinate 1270, Rom 1890, 46-47 (n.83).

 

Spalliera

„Wörtlich zu übersetzen als Rückenlehne (bei Bänken, Stühlen, Betten). Der Begriff ist jedoch vor allem für den Bildschmuck üblich, der auf diesen Flächen angebracht wurde und bezeichnet vor allem Gemälde auf Holz, die im 15. und frühen 16. Jahrhundert in der Toskana entstanden sind und Teil einer Wandverkleidung sind."

Literatur: Vasari-Irlenbusch 2008, 82, Anm. 81.

 

Super(Supra)position

„Unter dem Ausdruck „Supraposition“ ist das Auftreten mehrerer Säulenstellungen übereinander an einem mehrgeschossigen Bau zu verstehen (nach Serlio 1566, IV, fol. 187 c). „(…) Heute verbindet sich mit diesem Begriff auch der Gedanke an die klassische Abfolge der Säulenordnungen - toskanisch, dorisch, ionisch, korinthisch, komposit - wobei […] nicht alle fünf Ordnungen an einem Bau vertreten sein müssen. Ausschlaggebend ist vielmehr das Prinzip, dass jeweils die stärkere Ordnung die schwächere zu tragen habe.“ (Nach Christiane Denker Nesselrath: Die Säulenordnungen bei Bramante (Diss. Bonn 1984), Worms 1990, 100).

Antike Beispiele dieser Gliederung finden sich am Kolosseum, am Tabularium und am Marcellus-Theater in Rom, wo die Säulenordnungen auf massive Pfeilerarkaden appliziert sind. Entsprechend wird dieses Grundelement der Außengliederung als Tabularium- oder Theater- Motiv bezeichnet.

 

Torso vom Belvedere

Antike Sitzfigur des 1. Jahrhunderts nach Christus, seit 1463 in Rom im vatikanischen Palast befindlich, der Signatur zufolge Werk des „Apollonius, Sohn des Nestor aus Athen“. Zwischen 1532 und 1536 wurde die wegen ihrer vollendeten Wiedergabe eines in Torsion gegebenen muskulösen männlichen Körpers gerühmte Skulptur ohne Arme und Beine, die niemals ergänzt wurde, im Statuenhof des Vatikan (Cortile del Belvedere) aufgestellt. Der Torso wurde zu einer der meist gezeichneten antiken Skulpturen, deren Reflex sich in zahlreichen Werken von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert finden. Heute wird die Figur als sinnender Ajax gedeutet.

Literatur: Raimund Wünsche: Torso vom Belvedere, in: Il Cortile delle Statue: der Statuenhof des Vatikan, hg. Von M. Winner, B. Andreae, C. Pietrangeli, Mainz 1998, 287-314]; Gunter Schweikart: Der Torso im frühen 16. Jahrhundert: Verständnis, Studium, Aufstellung, ebd. S. 315-325.

 

Trompe l’oeil (zu dt. Augentäuschung)

Im Jahr 1800 in die Forschung eingeführte Benennung für eine Untergattung der Stillebenmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Begriff leitet sich aus der italienischen Kunstliteratur des 17. Jahrhunderts ab, die den Begriff inganno de gl’occhi (Augentäuschung) kennt, der von Roger de Piles (1708) ins Französische übertragen wurde. Die positive Konnotation der ästhetischen Täuschung basierte auf der antiken Kunstliteratur, die in der perfekten Nachahmung der Wirklichkeit durch die Kunst ein Merkmal künstlerischer Exzellenz sah. Als klassisches exemplum gilt der Wettstreit zwischen den griechischen Malern Parrhasisus und Zeuxis. Parrhasius täuschte Zeuxis mit einem gemalten Vorhang, nachdem dieser zuvor die Vögel (d. h. die Natur selbst) mit gemalten Trauben getäuscht hatte (Plinius d. Ä.: Historia Naturalis XXXV, 65, XXXVI/ 184). Zentral ist dabei der Moment der Verifizierung des Getäuschten durch die Berührung, der dem Maler zum Triumph verhilft. In der frühen Neuzeit wetteifert die Malerei weniger mit den Gegenständen der Natur als mit der Architektur und der Skulptur, deren Räumlichkeit und Plastizität sie dank der Perspektive und des rilievo vorzutäuschen vermag. Giottos Grisaillebemalung des Sockels der Arenakapelle in Padua (1303-1305) ist dafür ein eloquentes Beispiel.

Literatur:Frank Büttner: Illusion (ästhetische), in: Ulrich Pfisterer (Hg.): Metzlers Lexikon Kunstwissenschaft, Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart Weimar 2003, S. 158-161.

 

Tugendpersonifikationen

Eine umfassende Darstellung der allegorischen Darstellungen der Tugenden und ihrer Entwicklung und Attribute in: Literatur: Michaela Bautz: virtvtes: Studien zu Funktion und Ikonographie der Tugenden im Mittelalter und im 16. Jahrhundert, Berlin 1999 (Diss. Stuttgart 1999).

Concetto (L. XIV)

Vgl. Sabine Feser, Victoria Lorini: Vasari, Kunstgeschichte und Kunsttheorie, Berlin 2004, 280-281.

Decorum (Decoro)

“In der Kunstwissenschaft bezeichnet D. einerseits ganz allgemein das angemessene Verhältnis eines Bildgegenstandes oder einer architektonischen Form zu Anbringungsort und Auftraggeber, andererseits als systemimmanente Kategorie aber auch das harmonische Zusammenspiel der Teile in den kompositionellen Binnenstruktur eines Kunstwerks.“ (Michael Thimann , Decorum, in U. Pfisterer (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart-Weimar 2003, 64.)

Disegno und Colore

Vgl. Valeska von Rosen, in Pfisterer: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, Stuttgart 2003, 71-73; Sabine Feser, Victoria Lorini: Vasari, Kunstgeschichte und Kunsttheorie, Berlin 2004, 229, 231.

Disegno

In der zweiten Ausgabe der „Vite“ von 1568 bezeichnet Vasari die Zeichnung („il Disegno“) als „Vater unserer drei Künste Architektur, Bildhauerei und Malerei, der aus dem Geist hervorgeht (…)“. Er ist für ihn die „Idee aller Dinge der Natur“ und infolgedessen „eine anschauliche Gestaltung und Darlegung jener Vorstellung, die man im Sinn hat, von der man sich im Geist ein Bild macht und sie in der Idee hervorbringt.“ Diese Konzeption der Zeichnung als „Erkenntnisform des Geistes“ (Pfisterer), die weit über L. B. Albertis Definition der Zeichnung (segno) als Punkt und Linie hinausgeht, wurzelt in den Schriften des Florentiner Dichters und Philosophen Angelo Poliziano.

Literatur: Wolfgang Kemp: Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 19, 1974, 219-240; Matteo Burioni (Hg.): Giorgio Vasari, Einführung in die Künste der Architektur, Bildhauerei und Malerei. Die künstlerischen Techniken der Renaissance als Medien des disegno, Berlin 2006, 98; Ulrich Pfisterer: Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Eine Geschichte in Quellen, Reclam ub 18236, Stuttgart 2002, 101-103.

Donauschule (L.XVI)

„Bezeichnung für eine Strömung der deutschen und österreichischen Malerei in der Zeit zwischen 1490 und 1540. Der seit der Wende 19./20. Jh. übliche Name Donauschule soll von Theodor von Frimmel und von Hermann Voss stammen und weist auf das vor allem zwischen Regensburg und Wien gelegene Gebiet der Donau hin, das den wandernden Künstlern eine Reihe von Motiven bot (…) Die Landschaft wurde in der Donauschule erstmals zum bestimmenden Hauptmotiv.”(Das grosse Kunstlexikon von P. W. Hartmann, s. http://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_2154.html)

Ecklösung (Eckkonflikt)

Bei den von Arkaden eingefassten Innenhöfen, die durch die Applikation der klassischen Ordnungen geschichtete und mehrgeschossige Fassaden erhalten, kommt es in den Ecken zur Kollision zwischen den struktiven Baugliedern (Pfeiler oder Säule) und den applizierten Gliederungssystemen (Rom, Hof des Palazzo Venezia, >L.VII.2). Bramantes kanonischer Lösung der Pfeilerarkade mit aufgeblendeter Pilasterordnung (Kreuzgang von S. Maria della Pace,) geht der Hof des Palazzo Ducale in Urbino voraus >L.VI.8. Die Ecken werden hier durch L-förmige Pfeiler gebildet, denen eine Pilasterordnung vorgeblendet ist, der sich die Säulen der Arkadenfolge unterordnen: „Diese Lösung gibt der Stelle Festigkeit fürs Auge, lässt die Arkadenfolge deutlich schließen und erlaubt es auch, darüber ein unschönes Zusammenstoßen von zwei Fenstern in der Ecke zu vermeiden.“ (Hubala 1968, 23).

Literatur: Erich Hubala: Renaissance und Barock, Frankfurt am Main 1968.

Enfilade (L.X.9)

Der aus der französischen Architekturtheorie des Barock übernommene Begriff bezeichnet eine Flucht von Räumen, deren Türen auf einer Achse liegen, so dass sie wie „aufgefädelt” wirken. Tatsächlich begegnet diese Innendisposition erstmalig im 1466 begonnenen Palazzo Venezia in Rom >L.VII.2 und wurde in der Villa La Rotonda durch Palladio aufgegriffen und weiterentwickelt >ABB L.X.9.

Literatur: Christoph Luitpold Frommel: Francesco del Borgo: Architekt Pius’ II. und Pauls II., in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 21, 1984, 71-164; Grundmann 1997, 103, 358.

Entasis (L.IV)

Der griechische Begriff, zu übersetzen mit Anspannung, bezeichnet die leichte Schwellung des Schaftes der Säule im unteren Bereich. Sie veranschaulicht die Funktion der Säule als tragendes Bauglied, das sich wie ein Lebewesen unter der zu tragenden Last verändert.  Literatur: Hans Koepf: Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart 1974, 133.

Figura serpentinata

Zu dt. geschlängelte Figur.

„Entgegen der klassischen Auffassung einer in sich ruhenden, geschlossenen Form wird in der manieristischen Skulptur die strenge Frontalität aufgegeben. Die statische Haltung wird dynamisiert zugunsten eines in sich gedrehten Körpers, bzw. einer Verschränkung verschiedener Körper. Diese pyramidal und spiralförmig angelegte, sich um die eigne Achse nach oben schraubende Figurenkomposition bezeichnet man als „figura serpentinata“. Sie löst somit das Versprechen der Vielansichtigkeit ein. Ihre Bedeutung und Wirkung erzielt die Skulptur in ihrer Ganzheit erst dann, wenn sie umschritten und von allen Seiten betrachtet wird.“

http://www.projekte.kunstgeschichte.uni-muenchen.de/Paragone/glossar_serpentinata.html

Historia (L. XI)

Nach Alberti stellt die Historia die wichtigste Aufgabe des Malers dar. Der Begriff Historia bezeichnet „jede Darstellung handelnder Menschen [….] eine biblische Geschichte genauso wie eine mythologische oder eine im engeren Sinne historische […] Szene.“ Wegen ihrer ikonographischen und formalen Komplexität besetzt die „historia“ innerhalb der Hierarchie der malerischen Gattungen den höchsten Rang.

Literatur: Thomas Gaehtgens, Uwe Fleckner (HG.): Historienmalerei, Berlin 1996, 78-83 (Gudrun Gorka-Reimus); Frank Büttner, Andrea Gottdang: Einführung in die Ikonographie. Wege zur Deutung von Bildinhalten, München 2006, 207.

Hl. Anna Selbdritt (L. XI)

Die Darstellung vereint Anna als Mutter Mariens mit ihrer Tochter und dem Jesuskind zu einer Figurengruppe, deren theologische Aussage auf die erst im 19. Jahrhundert zum Dogma erhobene Verehrung der Immaculata Conceptio bezieht, wonach - durch Annas Gegenwart bezeugt - Maria jungfräulich empfangen wurde. Aus der anfänglich hieratisch-strengen Axialität, wie sie um 1420 Masaccio und Masolino bei der Anordnung der drei Figuren wählten, entwickelt sich in Florenz, wo die hl. Anna als Stadtpatronin verehrt wurde, um 1500 in Malerei und Skulptur eine vielgestaltige Ikonographie, die narrative Handlungsmotive einführt (Leonardo da Vinci) und die das Thema der drei Lebensalterstufen visualisiert.

Literatur: Hannelore Sachs, Ernst Badstübner, Helga Naumann: Erklärendes Wörterbuch der christlichen Kunst, Hanau o. J., 33.

Internationale Gotik

Eine treffende Charakterisierung des Begriffs findet sich in Jane Turner (Hg.): The Dictionary of Art, Band 13, New York 1996, 155: „The term has functioned both to describe an entire culture, including poetry, and an artistic style. Its cultural and aesthetic background was formulated by such historians as Huizinga, Focillon and Panofsky, who following Burckhardt, accepted the notion that later medieval culture in northern Europe, especially France and Burgundy, was one of selfconscious aestheticism, with a collective tendency to retrospection and, ultimately, morbidity. This was contrasted with the cultural optimism and individualism of the Renaissance in Italy.” (Paul Binski).
Zur Geschichte des Begriffs und zum italienischen Spektrum: Liana Castelfranchi Vegas: Internationale Gotik in Italien, Dresden 1966, 5-8.

Kompositer Kirchentypus (L. IX)

Verknüpfung eines längs gerichteten mit einem zentralisierenden Baukörper. Als Gelenk fungiert die Vierung, die mit einer Kuppel überwölbt ist und an die sich in den Querachsen und im Chor kurze Arme in der Breite des Hauptschiffs anschließen, die entweder gerade oder durch halbrunde Apsiden geschlossen sind. Ausgehend von Bramantes Plan für Neu-St. Peter wurde diese Kombination richtungweisend für die Sakralarchitektur der Gegenreformation. Der Begriff geht auf Francesco di Giorgio Martini zurück.

Literatur: Rudolf Wittkower: Architectural Principles in the Age of Humanism, London 1962, 11.

Loggia (L. IV)

Offene Laube bzw. Säulenhalle eines Bauwerkes. Die sowohl im Erdgeschoss wie in höheren Stockwerken der Fassade platziert sein kann und die in der Regel nicht über die Bauflucht hervortritt. Auch selbständige offene Säulenhallen werden als L. bezeichnet.

Literatur: Hans Koepf: Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart 1974, 255; https://de.wikipedia.org/wiki/Loggia

Madonna dell’Umiltà (L. XI)

Um und nach 1400 bildet sich In Italien neben der thronenden Maria (Madonna in Maestà) ein neuer Typus des ganzfigurigen Marienbildes heraus, bei dem die jugendliche, manchmal sogar kindlich wirkende Gottesmutter in reich gefältelten Gewändern und das Kind anbetend, auf dem Boden kauert, meistens inmitten einer mit Blumen bewachsenen Wiese. Die humilitas (Niedrigkeit), die darin zum Ausdruck kommt, hat zur Bezeichnung „Madonna dell’umiltà“ geführt. Diese Ikonographie, in der sich eine neue Spiritualität spiegelt, die in der Nachfolge des hl. Franziskus die göttlichen Gestalten vermenschlicht hatte und die Glaubensinhalte narrativ ausschmückte, findet sich in der Stilphase der internationalen Gotik vor allem im Bereich der kleinformatigen Andachtsbilder und war besonders in Oberitalien verbreitet (Stefano da Verona, Pisanello). Nördlich der Alpen entwickelt sich daraus der Bildtypus der Maria im Rosenhag.

Literatur: Hannelore Sachs, Ernst Badstübner, Helga Naumann: Erklärendes Wörterbuch der christlichen Kunst, Hanau o. J., 298; Sabine Pöschel: Handbuch der Ikonographie, Darmstadt 2005, 118-119.

Manierismus (L. X.3)

Von Jacob Burckhardt (Cicerone 1855) eingeführter Begriff für die Kennzeichnung der italienischen Kunst in der Nachfolge von Raffael und Michelangelo. Die ursprüngliche negative Konnotation des M. wurde im 20. Jh. durch H. Wölfflin, A. Riegl und W. Friedlaender korrigiert, indem man die formalen Eigentümlichkeiten dieser Epoche herausarbeitete. Ausgehend vom Wort „maniera“ (Manier = Art, Stil), mit dem seit der frühen Renaissance die individuelle Formensprache eines Künstlers gemeint ist, wird die „selbstreflexive Kunst“ des M. (Pfisterer 2003, S. 230) heute in seiner Modernität gewürdigt.

Literatur: Ulrich Pfisterer, „Manierismus“, in U. Pfisterer (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft: Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart Weimar 2003, 227-230.

Ölmalerei

Seit dem Mittelalter praktizierte Maltechnik, bei der statt des Bindemittels der Eitempera langsam trocknende Öle (Leinöl, Mohnöl, Walnussöl) verwendet werden. Dies verlangsamt zwar den Malprozess, ermöglicht jedoch Lasuren, d. h. einen schichtenweisen Auftrag der Pigmente, die damit auch an Leuchtkraft, Intensität und Dauerhaftigkeit gewinnen.

Literatur: Knut Nikolaus: Du Mont’s Handbuch der Gemäldekunde: Material, Technik, Pflege, Köln 1979, 140-141.

Paragone

Aus einem akademischen Vortrag des Literaten Benedetto Varchi hatte sich im Jahr 1546 eine Debatte über die nobiltà delle arti entzündet. Das seit Leonardo unter den Künstlern diskutierte Thema der Debatte war der Vergleich zwischen beiden Künsten Malerei und Skulptur und die Frage, welcher von beiden der Vorrang zuzusprechen sei. Es war gerade damals in Florenz so aktuell wie nie zuvor, was einerseits auf die neue Blüte der Skulptur zurückzuführen war, andererseits aber auch darauf, dass Michelangelo gleichermaßen Vorbild für Maler und Bildhauer war. Die Vielansichtigkeit des plastischen Bildwerks war eines der entscheidenden Argumente, mit dem die Bildhauer ihren Anspruch auf die Überlegenheit der Skulptur begründeten. Die Malerei punktete dagegen mit der Virtuosität der Illusion, die nicht mehr als Farben und eine Fläche benötige, um Schlachten und andere Ereignisse in der entsprechenden Tages- oder Nachtsituation getreu wiederzugeben. Varchi hatte angesehene Maler und Bildhauer zur Stellungnahme aufgefordert und publizierte 1549 die ihm in Briefform zugesandten Texte [LIT= Varchi]. Auch Michelangelo bezog schriftlich Position, indem er erklärte, dass die Malerei dann am besten sei, wenn sie sich dem Relief annähere, das Relief aber dann am schlechtesten, wenn es sich am meisten der Malerei nähere. Im Übrigen hielte er die Skulptur für die Laterne der Malerei, also für die Kunst, auf die der gute Maler nicht verzichten kann.

Literatur: Paola Barocchi (Hg.): Scritti d’arte del Cinquecento, Bd. III: Pittura e Scultura, Turin 1978, 522.

Rilievo

Vgl. Sabine Feser, Victoria Lorini: Vasari, Kunstgeschichte und Kunsttheorie, Berlin 2004, 255- 257.

Rustica, Bugnato

R. wird von Giuliano da Sangallo als „opera non finita“ eingestuft. Der unbearbeitete “natürliche” Zustand des Steines steht in Opposition zur Ordnung des bearbeiteten Steines und veranschaulicht so die beiden Phasen des Beginns und der Vollendung.

Literatur: Ausstellungskatalog Giulio Romano, Mantua, Mailand 1989, 420 (Pier Nicola Pagliara).

Sacra Conversazione (L. VI), zu dt. „heiliges Gespräch“

Ganz allgemein bezeichnet der Begriff die malerischen Darstellungen der thronenden Madonna, die von unterschiedlichen Heiligen umgeben ist und die aufgrund der Gestik und der Mimik den Eindruck erwecken, als ob sie sich miteinander unterhalten. Der Bildtypus der S.C. wird vor allem mit der venezianischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts assoziiert, da er hier über mehrere Jahrzehnte hinweg eine kohärente Weiterentwicklung erfuhr. Bereits 1763 wird ein Altarbild von Giovanni Bellini als „Sacra Conversazione“ bezeichnet.

Literatur: Rona Goffen, Nostra Conversatio in Caelis est: Observations on the Sacra Conversazione in the Trecento, in: The Art Bulletin, 61, Nr. 2 (Juni 1979), 198-222; Beatrize Söding; SC, in Lexikon für Theologie und Kirche, hg. von Walter Kasper, Bd. 8, Freiburg, Basel etc. 1999, Sp. 1421-1422.

Serliana oder Palladio-Motiv (L. X.3)

Nach Sebastiano Serlio benanntes markantes Architekturmotiv. Es besteht „aus einer dreiteiligen Öffnung mit schmäleren durch waagerechtes Gebälk abgeschlossenen Seitenöffnungen und breiterer, höherer Arkade als Mittelstück“ (Grundmann 1997, S. 359). In Raffaels Fresko des Borgobrandes in der Stanza dell’Incendio im Vatikan (1514-1517) bezeichnet das hier isoliert auftretende Motiv die päpstliche Benediktionsloggia. Palladios geniale Vervielfältigung des Motivs, das er 1549 zum Grundmodul der Ummantelung des Kommunalpalastes von Vicenza >ABB L.X.6 mit Loggien gemacht hat, erklärt die in der älteren Literatur übliche Bezeichnung als „Palladiomotiv“.

Literatur: Stefan Grundmann (Hg.): Architekturführer Rom. Eine Architekturgeschichte in 400 Einzeldarstellungen, Stuttgart London 1997.

Sfumato (L.XV)

Zu deutsch „verraucht“. Der Begriff findet sich erstmals in Leonardo da Vincis „Trattato della pittura“ und bezieht sich auf die Schattengebung. Leonardo empfiehlt dem Maler, die Plastizität (rilievo) der Bildfiguren durch dunkle Schatten zu steigern, die nicht kompakt, sondern wie verraucht (oscure sfumate) sein sollen. Er spricht auch von „ombre fumose“ und versteht darunter Schatten, die nicht vollendet, d.h. flüchtig sein sollen (Marco Tabarrini: Trattato della Pittura di Leonardo da Vinci condotto sul Cod. Vaticano Urbinate 1270, Rom 1890, 46-47 (n.83).

Spalliera

„Wörtlich zu übersetzen als Rückenlehne (bei Bänken, Stühlen, Betten). Der Begriff ist jedoch vor allem für den Bildschmuck üblich, der auf diesen Flächen angebracht wurde und bezeichnet vor allem Gemälde auf Holz, die im 15. und frühen 16. Jahrhundert in der Toskana entstanden sind und Teil einer Wandverkleidung sind."

Literatur: Vasari-Irlenbusch 2008, 82, Anm. 81.

Super(Supra)position

„Unter dem Ausdruck „Supraposition“ ist das Auftreten mehrerer Säulenstellungen übereinander an einem mehrgeschossigen Bau zu verstehen (nach Serlio 1566, IV, fol. 187 c). „(…) Heute verbindet sich mit diesem Begriff auch der Gedanke an die klassische Abfolge der Säulenordnungen - toskanisch, dorisch, ionisch, korinthisch, komposit - wobei […] nicht alle fünf Ordnungen an einem Bau vertreten sein müssen. Ausschlaggebend ist vielmehr das Prinzip, dass jeweils die stärkere Ordnung die schwächere zu tragen habe.“ (Nach Christiane Denker Nesselrath: Die Säulenordnungen bei Bramante (Diss. Bonn 1984), Worms 1990, 100).

Antike Beispiele dieser Gliederung finden sich am Kolosseum, am Tabularium und am Marcellus-Theater in Rom, wo die Säulenordnungen auf massive Pfeilerarkaden appliziert sind. Entsprechend wird dieses Grundelement der Außengliederung als Tabularium- oder Theater- Motiv bezeichnet.

Torso vom Belvedere

Antike Sitzfigur des 1. Jahrhunderts nach Christus, seit 1463 in Rom im vatikanischen Palast befindlich, der Signatur zufolge Werk des „Apollonius, Sohn des Nestor aus Athen“. Zwischen 1532 und 1536 wurde die wegen ihrer vollendeten Wiedergabe eines in Torsion gegebenen muskulösen männlichen Körpers ohne Arme und Beine gerühmte Skulptur, die niemals ergänzt wurde. Zunächst im Statuenhof des Vatikan (Cortile del Belvedere) aufgestellt, wurde der Torso zu einer der meist gezeichneten antiken Skulpturen, deren Reflex sich in zahlreichen Werken von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert finden. Heute wird die Figur als sinnender Ajax gedeutet.

Literatur: Raimund Wünsche: Torso vom Belvedere, in: Il Cortile delle Statue: der Statuenhof des Vatikan, hg. Von M. Winner, B. Andreae, C. Pietrangeli, Mainz 1998, 287-314]; Gunter Schweikart: Der Torso im frühen 16. Jahrhundert: Verständnis, Studium, Aufstellung, ebd. S. 315-325.

Trompe l’oeil (zu dt. Augentäuschung)

Im Jahr 1800 in die Forschung eingeführte Benennung für eine Untergattung der Stillebenmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Begriff leitet sich aus der italienischen Kunstliteratur des 17. Jahrhunderts ab, die den Begriff inganno de gl’occhi (Augentäuschung) kennt, der von Roger de Piles (1708) ins Französische übertragen wurde. Die positive Konnotation der ästhetischen Täuschung basierte auf der antiken Kunstliteratur, die in der perfekten Nachahmung der Wirklichkeit durch die Kunst ein Merkmal künstlerischer Exzellenz sah. Als klassisches exemplum gilt der Wettstreit zwischen den griechischen Malern Parrhasisus und Zeuxis. Parrhasius täuschte Zeuxis mit einem gemalten Vorhang, nachdem dieser zuvor die Vögel (d. h. die Natur selbst) mit gemalten Trauben getäuscht hatte (Plinius d. Ä.: Historia Naturalis XXXV,65, XXXVI/ 184). Zentral ist dabei der Moment der Verifizierung des Getäuschten durch die Berührung, der dem Maler zum Triumph verhilft. In der frühen Neuzeit wetteifert die Malerei weniger mit den Gegenständen der Natur als mit der Architektur und der Skulptur, deren Räumlichkeit und Plastizität sie dank der Perspektive und des rilievo vorzutäuschen vermag. Giottos Grisaillebemalung des Sockels der Arenakapelle in Padua (1303-1305) ist dafür ein eloquentes Beispiel.

Literatur: Frank Büttner: Illusion (ästhetische), in: Ulrich Pfisterer (Hg.): Metzlers Lexikon Kunstwissenschaft, Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart Weimar 2003, S. 158-161.

Tugendpersonifikationen

Eine umfassende Darstellung der allegorischen Darstellungen der Tugenden und ihrer Entwicklung und Attribute in:

Literatur: Michaela Bautz: virtvtes: Studien zu Funktion und Ikonographie der Tugenden im Mittelalter und im 16. Jahrhundert, Berlin 1999 (Diss. Stuttgart 1999).

Zentralperspektive Linearperspektive (L.III)

Es gibt zwei Texte zu diesem Begriff. Beide scheinen nur in Lektion 3 verankert zu sein, aber an unterschiedlichen Stellen. Es wäre sinnvoll, sie zusammenzuführen. Aber ich weiß nicht wie das funktionieren könnte.

Ecklösung (Eckkonflikt)

Bei den von Arkaden eingefassten Innenhöfen, die durch die Applikation der klassischen Ordnungen geschichtete und mehrgeschossige Fassaden erhalten, kommt es in den Ecken zur Kollision zwischen den struktiven Baugliedern (Pfeiler oder Säule) und den applizierten Gliederungssystemen (Rom, Hof des Palazzo Venezia, >Lektion VII.2). Bramantes kanonischer Lösung der Pfeilerarkade mit aufgeblendeter Pilasterordnung (Kreuzgang von S. Maria della Pace,) geht der Hof des Palazzo Ducale in Urbino voraus > Lektion VI.8. Die Ecken werden hier durch L-förmige Pfeiler gebildet, denen eine Pilasterordnung vorgeblendet ist, der sich die Säulen der Arkadenfolge unterordnen: „Diese Lösung gibt der Stelle Festigkeit fürs Auge, lässt die Arkadenfolge deutlich schließen und erlaubt es auch, darüber ein unschönes Zusammenstoßen von zwei Fenstern in der Ecke zu vermeiden.“ (Hubala 1968, 23).

Literatur: Erich Hubala: Renaissance und Barock, Frankfurt am Main 1968.