1. Italien im 14. und 15. Jahrhundert
In Süditalien und Sizilien war das 14. Jahrhundert von Kämpfen um Machtverteilung und Machterhaltung geprägt, die wenig Raum für kulturelle Glanzleistungen ließen. Allerdings verdanken sich während der Regierungszeit Robert des Weisen (1309–1343) der französisch beeinflussten Hofkultur einige künstlerische Höchstleistungen, an denen die aus der Toskana stammenden Künstler Tino da Camaino, Simone Martini und Giotto einen herausragenden Anteil hatten. Im 15. Jahrhundert waren es dann die für und in Neapel geschaffenen Werke der Bildhauer Michelozzo, Donatello, Francesco Laurana und Benedetto da Maiano, die Neapel zu einem bedeutenden Zentrum der Skulptur des Quattrocento machten.
Venedig, das seit karolingischer Zeit nicht zum westlichen Kaiserreich gehörte, hatte als Republik oligarchischen Zuschnitts einen Sonderstatus und war ein eigenstaatliches Territorium mit starker maritimer Expansion in den östlichen Mittelmeerraum. Seine einst mächtige Gegnerin im Nordwesten – das ebenfalls republikanisch verfasste und gleichfalls im gesamten Mittelmeer durch Handelsvertretungen präsente Genua – hatte nach 1380, als es im so genannten Chioggia-Krieg von Venedig besiegt wurde, an Macht verloren und wurde seit 1396 vom französischen König regiert. Nach dem Verlust seiner Niederlassungen im Mittelmeerraum und im Orient an die Osmanen fiel Genua 1466 dem Herzog von Mailand zu.
Das ehemalige so genannte „Reichsitalien”, also vor allem Ober- und Mittelitalien, das nominell unter der Herrschaft der deutschen Herrscher in ihrer Eigenschaft als reges romanorum stand, war in zahlreiche kleine Herrschaftsbereiche zerfallen, die meistens von Familiendynastien mehr oder weniger autokratisch regiert wurden. Auf der anderen Seite hatte der Widerstand der wohlhabenden ober- und mittelitalienischen Städte gegen die päpstlichen Legaten das kommunale Selbstbewusstsein gestärkt und im 14. Jahrhundert zur Herausbildung der freien Kommunen (liberi comuni) geführt, die dann teilweise in den Besitz von lokalen Herrschaften (baronie) gerieten. Diese sicherten sich durch Kontributionen die Vergabe von Privilegien seitens der deutschen Könige und Kaiser, eine Entwicklung, die im 15. Jahrhundert in die Errichtung von zahlreichen feudalen Herrschaften (signorie) mündete.
Es waren vor allem drei deutsche Kaiser, die ihre Italienfahrten zur Kaiserkrönung in Rom für die Aufbesserung ihrer Schatullen genutzt haben, nämlich der Luxemburger Karl IV. (1316–1378), der 1347 nach Italien zog, sein Sohn Sigismund (reg. 1411–1437), der sich von 1432 bis 1433 in Italien aufhielt und schließlich der Habsburger Friedrich III. (1415–1493), der letzte deutsche Kaiser, der in Rom gekrönt wurde (1452). Neben dem eigentlichen Ziel und Anlass — der Kaiserkrönung in Rom — waren diese Züge finanzielle Schröpfkuren, die zur weiteren Zersplitterung der Macht führten. Dank des Wohlstands der kleineren, vor allem in Oberitalien gelegenen Stadtstaaten entwickelte sich jedoch ein reges künstlerisches Leben auf hohem Niveau, das in entscheidendem Maße zur Kunstblüte des 15. Jahrhunderts beitrug. Aufgrund der politischen und dynastischen Verflechtungen zwischen den lokalen Baronen — vor allem den Visconti und Sforza oder den Gonzaga und den Medici — mit den deutschen Kaisern und Königen kam es im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts zu dynastischen und kulturellen Verbindungen, die die Verbreitung der künstlerischen Neuerungen der Renaissance nördlich der Alpen begünstigten >L.XIV.5.
Das Patrimonium Petri, also das Herrschaftsgebiet des Kirchenstaates, für das der Papst neben seiner Autorität als geistliches Oberhaupt der gesamten Christenheit auch die weltliche (temporale) Gewalt beanspruchte, umfasste im 15. Jahrhundert Mittelitalien mit Rom als Hauptresidenz. Der weltliche Machtanspruch der Päpste gründete sich auf die Konstantinische Schenkung, die auf der Grundlage von Dokumenten, welche griechische Gelehrte aus Konstantinopel im 15. Jahrhundert nach Italien gebracht hatten, als eine Fälschung des frühen Mittelalters erkannt wurde. Der Humanist Lorenzo Valla, der zunächst in Neapel und ab 1448 am päpstlichen Hof wirkte, schrieb darüber 1440 eine Abhandlung, die aber erst 1521 publiziert wurde .
Rom nahm dank seiner Stellung als Zentrum der Christenheit und als Sitz der temporalen Macht der Päpste eine Sonderstellung ein. Es wurde seit dem Mittelalter von den Kämpfen einzelner römischer Familien beherrscht, die sich in Rom teils auf den Resten der antiken Monumente ihre befestigten Kastelle errichtet hatten. Auch die Machtkämpfe der Päpste hatten häufig einen familiären Hintergrund. Dies gilt besonders für Bonifaz VIII. Caetani (Pontifikat: 1294–1303). Ein nur als Fragment erhaltenes Wandbild von Giotto in der Benediktionsloggia von S. Giovanni in Laterano dokumentiert seine aus heutiger Sicht folgenreichste Tat, die Einführung der bis heute bestehenden Institution der päpstlichen Jubeljahre, die für die künstlerische Geschichte Roms eine entscheidende Rolle spielen sollten. Das erste „Heilige Jahr” wurde 1300 begangen. 1302 bekräftigte Bonifaz VIII. mit seiner Bulle Unam Sanctam die Zweigewaltenlehre der Kirche und benutzte dafür das Bild von den zwei Schwertern. Christus habe der Kirche zwei Schwerter anvertraut, das geistliche führe sie selbst, das weltliche werde von den Königen für die Kirche geführt. Die weltliche Gewalt sei der geistlichen unterworfen, die sie einsetzt und über sie richtet, während sie selbst von niemandem außer Gott gerichtet werden könne.
Ein Konflikt zwischen Bonifaz VIII. und König Philipp IV. von Frankreich führte 1303 zur Gefangennahme des Papstes in Anagni und nach mehreren dramatischen Ereignissen zur Verlegung der Papstresidenz nach Avignon. Die Päpste stellten sich damit unter den Schutz des französischen Königs, der sich als erster König der Christenheit und als defensor der ganzen Kirche verstand. 1348 kaufte dann Papst Clemens VI. sogar die ganze Stadt Avignon. Der Kirchenstaat, der in dieser Zeit durch päpstliche Legaten beherrscht und verwaltet wurde, verlor dadurch zwar politisch an Bedeutung; gleichwohl blieb während des Avignoneser Exils (1303–1378) der enge Austausch mit Italien auch in künstlerischer Hinsicht erhalten. So erfolgte 1347 in Rom der Aufstand des Cola di Rienzi zunächst mit geistiger Unterstützung des in Avignon regierenden Papstes Clemens VI.
Cola, der seit 1342 ein Freund des Dichters Petrarca war, ließ sich am 15. August 1347 auf dem Kapitol zum römischen Volkstribun (Tribuno del popolo romano) krönen. Er kündigte nicht nur die Rechte des Kirchenstaates und der deutschen Kaiser auf, sondern stellte in dem durch Anarchie und lokale Kämpfe verwilderten Rom die Rechtssicherheit wieder her. Er liess es auch nicht an symbolischen Handlungen fehlen, die unter Berufung auf die Antike von der Vision eines unter der Führung Roms politisch geeinten Italiens ohne Fremdherrschaft genährt wurden. So badete er im Baptisterium von S. Giovanni in Laterano in der Wanne, in der Kaiser Konstantin der Überlieferung nach vom Aussatz befreit und getauft worden war. Misserfolge zwangen Cola jedoch bald zur Flucht, welche ihn 1350 nach Prag führte, von wo ihn Kaiser Karl IV. an den Papst in Avignon auslieferte. Er kehrte 1354 erneut nach Rom zurück, nun im Bund mit dem neuen päpstlichen Legaten Egidio Alvarez Albornoz (ca. 1300–1367), der in Rom den Boden für die Rückkehr der Päpste bereiten sollte, wurde kurz darauf jedoch am 3. Oktober 1354 vom römischen Volk ergriffen und getötet.