Der Aufstieg der Medici in Florenz
Im Jahr 1378 war die soziale Stabilität in Florenz durch den Aufstand der Ciompi (ciompi=Taugenichtse) erschüttert worden. Den Wollkämmern und Kremplern, also den Lohnarbeitern, die keiner Zunft angehörten und daher in rechtlosem Zustand lebten, gelang die Vertreibung der ottimati, d. h. der führenden Familien der Stadt, deren Prioren sie im Palazzo dei Priori (= Palazzo Vecchio) gefangen setzten. Nach der Niederschlagung des Aufstandes kam es zur Erneuerung und Festigung der Herrschaft der ottimati, zu denen Familien wie die Strozzi, Capponi und Albizi gehörten, deren Angehörige kraft ihrer Berufe zu den sette arti maggiori (sieben große Zünfte) gehörten. Jedoch erhielten die unteren Stände des Bürgertums, die Gewerbetreibenden und Handwerker, die in vierzehn arti minori (kleine Zünfte) zusammengefasst waren, wenigstens das Recht, in die Stadtverwaltung (Signoria) gewählt zu werden . Salvestro de’ Medici, der als Gonfaloniere di giustizia (Regierungschef und Vorgesetzter der priori) einer der Urheber des Aufstandes war, musste in die Verbannung gehen, wo er 1388 starb.
Auch unter der Herrschaft der Optimaten (ottimati) waren die republikanischen Ideale in Florenz eine politische Realität, die höchstes Ansehen genoss. Der Humanist Coluccio Salutati, ein Schüler Petrarcas und seit 1375 Kanzler der Republik Florenz, bekundete öffentlich den Wert der Freiheiten der Republik. 1402 wurde diese Freiheit vom Heer des Gian Galeazzo Visconti bedroht. Gerettet wurde die Stadt jedoch nicht von ihren republikanischen Tugenden, sondern von einer Fügung des Schicksals, das Visconti im Feldlager in Gestalt einer für ihn tödlichen Seuche ereilte. Dennoch sahen die Florentiner dies als einen Sieg über die Tyrannei an, als deren Vertreter ihnen Visconti galt. Eine der indirekten Folgen dieses Sieges war, dass das bis dahin vom Meer abgeschnittene Florenz 1406 die Hafenstadt Pisa an der Arnomündung erobern konnte, 1421 folgte als zweiter und auf die Dauer wichtigerer Seehafen die Stadt Livorno, die zusammen mit einigen anderen Städten der näheren Umgebung darunter Prato, Pistoia, Arezzo und Cortona von Florenz gekauft wurden. Zäh und erfolglos blieb dagegen der Kampf um Lucca, den die Florentiner nach ihrer von den Optimaten zu verantwortenden Niederlage 1429 aufgeben mussten. Lucca blieb auch später die einzige bedeutende toskanische Stadtrepublik, die ihre Freiheit bewahren konnte.
Von Süden her wurde Florenz durch König Ladislaus von Neapel bedroht, der 1408 Rom erobert hatte und der nun im Verein mit Papst Innocenz VII. eine Einigung Italiens unter seiner Ägide anstrebte. Nach mehreren Einfällen in die Toskana starb Ladislaus jedoch 1414, was die Stadt auch von dieser Bedrohung ihrer Unabhängigkeit befreite. Es gab indes genug andere Probleme. Seuchen und Kriege verschärften den Machtkampf zwischen den beiden Fraktionen der ottimati und der popolani. 1400 und 1417 erlitt die Stadt verheerende Pestepidemien, welche die Bevölkerung von 65.000 auf 40.000 dezimierten. Dennoch war Florenz damals eine der grössten europäischen Metropolen (zum Vergleich: London hatte 50.000 Einwohner). Gleichzeitig nahmen die Bedeutung und die Macht der Stadtrepublik unaufhaltsam zu, und zwar im Wechselspiel mit ihren politischen, geistigen und künstlerischen Potentialen. Heutige Historiker bezeichnen die Epoche zwischen 1400 und 1450 daher auch das „Enlightenment of Florence“.
Einer der wichtigsten geistigen „Architekten“ dieses Aufstieges war Giovanni di Bicci de’Medici (1360-1429), der während der Synode von Pisa im Jahr 1409 die politische Bühne betreten hatte, und der ab 1403 eine Reihe von wichtigen öffentlichen Ämtern einnahm. Als er 1425 einen Vertrag mit dem Kriegsgegner Venedig aushandelte, erreichte seine politische Macht ihren Höhepunkt. Charakeristisch für ihn ist die Diskretion, mit der er im Hintergrund die Fäden zog und die es auch erklärt, dass es kein gesichertes Porträt von ihm gibt. Als er jedoch 1417 daran dachte, sein Privathaus mit Fresken schmücken zu lassen, gab ihm die signoria, d.h. die gewählte florentiner Stadtregierung zu verstehen, dass sie diese Art von Schmuck an einem Privathaus nicht dulden werde.
Er war 1419 Kriegsrat und gilt als die entscheidende Autorität für die Einführung der neuen Steuergesetze von 1427, des catasto fiorentino — einer nach dem Einkommen gestaffelten Vermögenssteuer, die dazu führte, dass sich die durch Kriege und Seuchen geleerten Kassen der Stadt wieder füllten. In den folgenden Jahren diente dieses Instrument der Besteuerung auch dazu, innerstädtische Kontrahenten auszuhebeln. Dies belegt der Kommentar des Florentiner Historikers Francesco Guicciardini: „Cosimo gebrauchte die Steuern gegen seine Feinde wie Dolche“. Der catasto ist eine der wesentlichen Quellen für die Erforschung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Florenz des 15. Jahrhunderts.
Das von Giovanni di Bicci de'Medici ausgeübte Kunstpatronat ist immens: die besten und fortschrittlichsten Künstler, von denen Brunelleschi, Donatello und Masaccio die wichtigsten waren, arbeiteten an den Aufträgen, die er vergab und finanzierte. Als er im Februar 1429 starb, wurde sein Leichnam mit großem Geleit in die gerade vollendete Sakristei von S. Lorenzo gebracht, für deren Bau und Ausstattung durch Brunelleschi und Donatello er seit 1425 aufkam >ABB L.IV.3. Getragen wurde sein Sarg durch die Vertreter der Wollhändlerzunft (arte della lana), deren Interessen die Medici vertraten. Nach seinem Tod erhielt jedoch die Partei der Optimaten Oberwasser. Sie sann darauf, seinen damals bereits vierzigjährigen Sohn Cosimo zu entmachten. Er galt als sehr gelehrt, hatte Papst Johannes XXIII. nach Konstanz begleitet und 1421 die Leitung der Medici-Bank übernommen.
Nach dem Tode seines Vaters dachte Cosimo de’Medici erneut an die Errichtung eines Familienpalastes in der Via Larga, weswegen ihn sein Gegner Rinaldo degli Albizi beschuldigte, sich über seine Mitbürger erheben zu wollen. Er wurde 1433 gefangen gesetzt, widerstand einem Giftanschlag, musste aber nach einer Zahlung von 20.000 Florin Strafe die Stadt verlassen. Mit ihm verließen auch zwei der von ihm protegierten Künstler die Stadt, nämlich Donatello und Michelozzo. Cosimo ging nach Padua und führte von dort aus seine Bankgeschäfte, die vor allem wegen der Verbindung mit dem päpstlichen Hof florierten. Bereits 1434 erfolgte der Umsturz in Florenz: Cosimo und die Seinen kehrten nach Florenz zurück und festigten ihre Macht, indem sie die Rivalen nun ihrerseits enteigneten und ins Exil schickten, darunter auch den Bankier Palla Strozzi, der jedoch seine Bank und sein Vermögen retten konnte. Die aus Florenz verbannten Optimaten verbündeten sich mit Mailand und zogen 1440 in Anghiari gegen Florenz zu Feld. Die denkwürdige Schlacht, in der sie geschlagen wurden, ist die Schlacht von Anghiari, mit deren Verbildlichung Leonardo da Vinci 1504 beauftragt wurde >L.XI.3.
Nach diesem Sieg hatte Cosimo de’Medici seine Macht konsolidiert: 1447 wurde er zum Bankier des aus Florenz stammenden Papstes Nikolaus V. ernannt. Ungestört durch neidische Rivalen ließ er sich nun durch Michelozzo seinen Palast errichten, von dem aus bis 1464 er 30 Jahre lang die Stadt regierte, ohne die bestehenden republikanischen Regierungsorgane anzutasten. Offiziell wurde er als capo della repubblica tituliert, er selbst verstand sich jedoch als Privatmann. Unbestritten war er der reichste Mann Italiens und eine der einflussreichsten Persönlichkeiten im Gegenspiel der verschiedenen miteinander konkurrierenden Mächte. Den erstrebenswerten Zustand des Landes sah Cosimo in der Ausgewogenheit (bilancio) und im Gleichgewicht (equilibrio) der Kräfte. Postum verliehen ihm die Florentiner den Titel pater patriae, der sich auf der nach dem Entwurf von Andrea Verrocchio geometrisch komponierten Platte aus kostbarem Porphyr und Cipollino findet, die vor dem Hauptaltar von S. Lorenzo den Ort seines Begräbnisses im Mittelpfeiler des Presbyteriums bezeichnet.