Das Papsttum von 1378 bis 1447
1378 fand erstmals seit 73 Jahren in Rom wieder die Wahl eines Papstes statt. Gewählt wurde der aus Neapel stammende Urban VI. (1378–1389), dessen Autorität fünf Monate später durch die Wahl des Kandidaten der französischen Partei zum Gegenpapst erschüttert wurde, der als Clemens VII. seine Residenz in Avignon nahm. Diese Doppelwahl ist der Beginn des „Großen abendländischen Schismas“, das 30 Jahre währte und den Kirchenstaat erheblich schwächte. Erst 1409 kam es zur Synode von Pisa, die Florenz und Siena angestrengt hatten und die diese für Italien nachteilige Situation beseitigen sollte. Der nun gewählte Papst Alexander V., der am 7. Mai 1409 im Dom von Pisa gekrönt wurde, wurde jedoch von den beiden bereits amtierenden Päpsten (Benedikt XIII. in Avignon und Gregor XII. in Rom), die nicht zur Synode erschienen waren, ignoriert, so dass es nun sogar drei Päpste gab. Der Finanzverwalter des neuen Papstes wurde der Florentiner Bankier Giovanni di Bicci de’Medici (ca. 1360–1428). Diese Konstellation markiert den Beginn des machtpolitischen Aufstiegs der Medici, die im Laufe von nur 100 Jahren die höchsten Positionen der Macht erringen sollten. Als Nachfolger Alexanders V. wurde 1410 in Bologna der als Feldherr erfolgreiche Neapolitaner Baldassare Coscia gewählt, der den Namen Johannes XXIII. annahm und der ebenfalls unter dem Schutz der Medici stand. Im Einklang mit Kaiser Sigismund berief er 1414 das Konzil von Konstanz ein, das ihn jedoch 1415 absetzte, worauf er die Flucht ergriff und schließlich in Deutschland gefangen gesetzt wurde. Giovanni di Bicci de'Medici bezahlte für ihn ein Lösegeld von 35000 Florin, und gewährte ihm für den Rest seines Lebens (gest. 1419) Asyl in Florenz. Er kam schließlich auch für sein Grabmal im Baptisterium in Florenz auf, das Donatello und Michelozzo errichteten und das die lapidare Inschrift trägt: „Johannes quondam papa”.
Dem Konzil von Konstanz stellten sich drei essentielle Probleme, für die Lösungen gefunden werden mussten und die nach einhelligen Entscheidungen und Handlungen verlangten. Das wichtigste davon war: der Kampf für den Glauben und gegen die Häresie, die so genannte causa fidei. Sie wurde durch die Verurteilung der Lehren des John Wyclif und durch die Verbrennung von Jan Hus demonstrativ, wenn auch nicht endgültig gelöst. Noch ließ sich das so genannte Ketzertum durch das Mittel des Scheiterhaufens in Schach halten. Der zweite Programmpunkt, die Neuordnung der Kirche, die causa reformationis, blieb dagegen ungelöst und führte zu den Glaubenskämpfen des nächsten Jahrhunderts. Lediglich in der causa unionis, dem dritten der zu lösenden Probleme, kam es zu einem Durchbruch, als sich das Konzil 1417 auf einen neuen Papst einigte, nachdem alle drei Vorgänger (Johannes XXIII., Benedikt XIII. und Gregor XII.) verzichtet hatten. Der neue Papst aus dem mächtigen römischen Geschlecht der Colonna, die über Jahrzehnte die Anführer der baronalen Partei gewesen waren, nahm den Namen Martin V. an. Er wurde auf dem oberen Münsterplatz in Konstanz auf einer im Freien dafür errichteten Tribüne zum Papst gekrönt. Damit war es den maßgeblichen Vertretern der europäischen Mächte gelungen, das lähmende Schisma zu beenden: drei Päpste bzw. deren Abgesandte, 29 Kardinäle, über 300 Bischöfe, Gesandte der Fürsten und Könige, unzählige Theologen, Gelehrte und Humanisten nahmen an dieser Großveranstaltung teil, die auch in kultureller Hinsicht einen Wendepunkt bedeutete.
Der Florentiner Gelehrte Poggio Bracciolini, der im Gefolge des Papstes Johannes XXIII. nach Konstanz gereist war, benutzte den Aufenthalt in Konstanz zu Abstechern nach St. Gallen, auf die Insel Reichenau, nach Weingarten und nach Einsiedeln und entdeckte in den säkularen Bibliotheken dieser Klöster berühmte Texte antiker Autoren, die er in Konstanz abschreiben ließ. Der Humanismusforscher Eugenio Garin hat diese Entdeckungen wie folgt kommentiert : „Aus den in den Eingeweiden der Alpen versteckten Klöstern schoß blendend hell das Licht der klassischen Welt des Altertums auf.“
Der Wert dieser Schätze konnte offenbar nur von denjenigen in einem neuen Licht gesehen werden, die der antiken Kultur, von der sie kündeten, einen aktuellen und politischen Wert zumaßen. Das Medium der „Befreiung“ dieses antiken Wissens aus den Klöstern des Nordens waren die Abschriften, die bald auch ein wohlhabendes Laienpublikum erreichten, und zwar in Gestalt von aufwändig illuminierten Prachthandschriften. Im Konstanzer Gefolge des „Florentiner Papstes“ befand sich auch der spätere Chronist von Florenz, Leonardo Bruni, der 1415 Kanzler von Florenz wurde und in dieser Funktion eine breit angelegte Geschichte des popolo fiorentino verfasste. Er war Freund von Poggio Bracciolini, der seinerseits noch in hohem Alter und nach einer erfolgreichen Karriere am päpstlichen Hof 1453 Kanzler der Stadt Florenz wurde und die von Bruni begonnene Geschichte von Florenz fortsetzte, ohne sie zu vollenden. Bruni, der sich zunächst für die Karriere des päpstlichen Sekretärs entschieden hatte, beherrschte die griechische Sprache. Beide waren Schüler von Coluccio Salutati, der seinerseits von 1375 bis 1405 Kanzler der Republik Florenz gewesen war. Mit den Namen dieser drei Kanzler verbindet sich demnach eine über mehrere Generationen andauernde Kontinuität des historischen und humanistischen Studiums, die das geistige Klima der Stadt Florenz im 15. Jahrhundert entscheidend geprägt hat.
Aufgrund der unsicheren Zustände im Kirchenstaat war auch Martin V. gezwungen, sich zunächst von Rom fernzuhalten, und nahm daher vorübergehend seine Residenz in Florenz. Die Verwaltung der päpstlichen Finanzen ging nun in die Hände der Medici über, die sich schon bei der Synode von Pisa hierfür prädestiniert hatten. Aus der Funktion dieser Familie als Geldgeber der Kurie sollte sich in den nächsten Jahrzehnten ihr sagenhafter Reichtum ergeben. Erst im September 1420 konnte Martin V. in Rom einziehen, das er nahezu entvölkert vorfand. Der Florentiner Humanist Vespasiano da Bisticci schreibt dazu: „Die Stadt war durch die Abwesenheit des Papstes zu einem Dorf von Viehhirten geworden; Schafe und Kühe trieben sich herum, wo jetzt die Läden der Kaufleute stehen.” Martin V., der als erster Papst der Renaissance gilt, baute in Rom eine Hausmacht auf, führte aber die durch das Konzil beschlossenen Reformen nicht durch. Andererseits sammelte er brillante Humanisten um sich. So beschäftigte er seit 1423 als Sekretär den schon genannten Humanisten Poggio Bracciolini und gab wichtige Impulse für die künstlerische Erneuerung Roms. Er veranlasste die Restaurierung der Bischofskirche S. Giovanni in Laterano, deren nicht erhaltener Obergaden (ca. 1425–1432) von Pisanello und Gentile da Fabriano ausgemalt wurde. In der gleichen Basilika befindet sich auch seine ursprünglich als ein Freigrab gestaltete Grablege, von dem sich die Marmortumba mit der in Bronze gegossenen Liegefigur von Donatello erhalten hat.
Martin V. stiftete außerdem den neuen Hochaltar von S. Maria Maggiore, den Masolino und Masaccio 1428 in seinem Auftrag malten. Zum ersten Mal trat in seinem Pontifikat ein Symptom auf, das auch in Zukunft gerade die Päpste tangieren sollte, denen die Förderung der Künste ein besonderes Anliegen war – nämlich der Nepotismus (Vetternwirtschaft). Das Verhalten Martins V. war in dieser Hinsicht so exzessiv, dass die Familie Colonna von seinem Nachfolger Eugen IV. 1431 enteignet wurde. Eugen IV. Condulmer stammte aus Venedig, er blieb dem nächsten, 1431 nach Basel einberufenen Konzil fern. Hier ging es vor allem darum, ob das Konzil oder der Papst als höchste Autorität der Kirche zu gelten habe. Dieses Konzil war wiederum vom Ringen um die Einheit der Kirche gekennzeichnet. Als Kontrahenten fungierten die Institution des Konzils, der nicht anwesende Papst und der deutsche König Sigismund, der 1433 von Eugen IV. in Rom zum Kaiser gekrönt wurde. Die Beschlüsse des Konzils intendierten eine Einschränkung der päpstlichen Macht und eine Stärkung der nationalen Positionen. Eugen IV. entzog sich jedoch den Beschlüssen des Konzils, indem er es zu einem ökumenischen Konzil umfunktionierte und es 1437 zunächst nach Ferrara und 1439 nach Florenz verlegte, wo er von 1434 bis 1443 im Kloster von S. Maria Novella residierte. Der päpstliche Hof im prächtigen Dominikanerkloster von Florenz wurde auch für die Humanisten der Zeit ein Domizil. Neben Angelo Traversari, Poggio Bracciolini und Flavio Biondo, gehörte diesem Kreis ein Mann an, von dem epochale Impulse zur künstlerischen Erneuerung ausgehen sollten, nämlich Leon Battista Alberti >L.III.3. Als Rechtsgelehrter nahm er am päpstlichen Hof die Stellung eines abbreviatore apostolico ein.
Das Thema des Konzils von Ferrara und Florenz war die Aussöhnung mit der Ostkirche, die sich aufgrund der osmanischen Bedrohung um eine Annäherung bemühte. Der Patriarch von Konstantinopel und der byzantinische Kaiser Johannes VIII. Paleologus kamen sowohl nach Ferrara wie nach Florenz. Von dem durch Cosimo de’Medici nach Florenz eingeladenen Konzil gingen in kultureller und künstlerischer Hinsicht wichtige Impulse aus. Politisch waren die Folgen eher minimal. Es konnte nicht verhindert werden, dass die Türken 1453 Konstantinopel eroberten und so dem byzantinischen Kaiserreich den Todesstoß versetzten.
1443 kehrte Eugen IV. nach Rom zurück und nahm seine Residenz im Vatikan. Zuvor hatte er die Südflanke des Kirchenstaates durch die Belehnung Alfonsos' V. von Aragon mit Neapel gesichert. Alfons I., wie er sich seitdem nannte, hatte von Sizilien aus Neapel erobert und konnte hier seine Herrschaft über seinen Tod hinaus konsolidieren. Neapel und Sizilien kamen so dauerhaft unter spanische Herrschaft. Die Rückkehr Eugens IV. nach Rom im Jahr 1443 beendete endgültig das Exil der Päpste und war der Auftakt für den Beginn eines folgenreichen künstlerischen und intellektuellen Transfers von Florenz nach Rom. Angesehene Florentiner Künstler, darunter Filarete, Fra Angelico, Donatello und Ghiberti erhielten durch ihn Aufträge, die sie nach Rom führten. Alle politisch herausragenden Taten dieses Papstes sind in den Reliefs der Bronzetür von Alt-St. Peter dargestellt, die Eugen IV. 1433 bei Filarete in Auftrag gegeben hatte Als Eugen IV. 1447 starb, konnte sich das Papsttum als gefestigte Herrschaft in Mittelitalien betrachten. Unter seinem Nachfolger Nikolaus V. (reg. 1447–1455) wurde Rom zum unumstrittenen Zentrum des erstarkenden Kirchenstaates.