9. Pienza - die Planstadt Papst Pius' II.
Der Palazzo Rucellai war das direkte Vorbild für den Palast, den sich Papst Pius II. Piccolomini in Pienza errichten ließ. Anlässlich seiner Reise zum Konzil von Mantua >L.II.5. war er 1459 nach Florenz gekommen und engagierte hier Bernardo Rossellino. Ihm vertraute er die Planung und Ausführung seines Lieblingsprojektes an, nämlich die Umgestaltung seines Heimatortes Corsignano im Gebiet von Siena zu einer idealen und modernen Stadt. Abgeleitet von seinem eigenen Namen Pius, gab er ihr den Namen Pienza. Der freistehende, rechterhand der Kathedrale errichtete Palast, der später in den Besitz der Familie Piccolomini überging, folgt in der Fassadengestaltung weitgehend dem Florentiner Vorbild. Die dem Platz zugewandte achtachsige Front hat wie dieses zwei Portale, von denen aber nur eines eine echte Tür ist. Auch andere Unterschiede fallen auf, vor allem im Sockelbereich: so fehlt die „Rücklehne” in opus reticulatum; der Sockel selbst ist deutlich höher, was sich aus dem Unterbau erklärt, der zur Straße hin auf abschüssigem Gelände steht.
Prägend für die Gesamterscheinung ist der Kontrast der Baumaterialien, der zur Akzentuierung der horizontalen Gliederungen beiträgt. Die in Travertin gehauenen Schmuckformen der Kapitelle, des Türsturzes und des Kranzgesimses sind weniger fein ausgeführt, und das geringere Oberflächenrelief trägt dazu bei, dass die Erscheinung des Baues blockhafter und massiver als bei seinem Vorbild wirkt. Wie ein „Verstoß” gegen die Regeln wirkt es, dass im Erdgeschoss der flache Fugenschnitt die Pilaster überzieht. Die innere Disposition folgt im wesentlichen der des Palazzo Medici. Dies gilt für den zentralen Zugang zum Hof, für diesen selbst, für den anschließenden Garten und für die Raumabfolge. Über die Raumfunktionen ist man recht genau informiert, weil der Auftraggeber in seiner Autobiographie, den „Commentarii” eine detaillierte Beschreibung des Palastes und seiner Räumlichkeiten gegeben hat. Die päpstlichen Privatzimmer sind durch achsenständige Türöffnungen miteinander verbunden, eine Anordnung, die dem Prinzip der Enfilade folgt. Den spektakulärsten Teil des Palastes bildet die Loggia der Südseite im dritten Geschoss, die einen unverstellten Ausblick auf die Landschaft bietet. Pius II. hat eine anschauliche und poetische Schilderung dieses Ausblicks gegeben, die deutlich macht, dass dieser Palast anders als ein normaler Stadtpalast auch die Qualitäten und die Funktion einer Villa hatte, die der ehrgeizigste Bautypus der profanen Architektur im 16. Jahrhundert werden sollte.