Julija Voznesenskaja

Biographische Angaben und Bestandsbeschreibung

Julija Voznesenskaja (geb. Tarapovskaja, 1940-2015) war als Lyrikerin und Schriftstellerin in der informellen Leningrader Kunstszene der 1970er Jahre aktiv. Sie studierte am Leningrader Institut für Theater, Musik und Film und veröffentlichte 1966 ihre ersten Gedichte im inoffiziellen Samizdat.

Seit Mitte der 1970er Jahre nahm sie an mehreren Demonstrationen und Hungerstreiks nonkonformistischer Künstler teil und veranstaltete Literaturabende in ihrem Zimmer in einer Wohngemeinschaft. 1976 wurde sie wegen "antisowjetischer Propaganda" zu fünf Jahren Verbannung verurteilt. Da sie aus Vorkuta nach Leningrad floh, wurde ihr Urteil in eine zweijährige Gefängnishaft umgewandelt. Unmittelbar nach ihrer Freilassung aus der Haft im Juni 1979 war sie an der Herausgabe des ersten feministischen Almanachs der UdSSR „Ženščina i Rossija“ (Frau und Russland) beteiligt und schrieb für die Zeitschrift „Marija“.

Der Kern ihres Nachlasses, der sowohl die Menschenrechtsszene als auch die Leningrader Kunstszene und ihre gegenseitigen Verflechtungen dokumentiert, umfasst Voznesenskaja schriftstellerischen Werke und ihr späteres Wirken in der Emigration in Deutschland, wohin sie 1980 ausreiste.  Neben wertvollen Materialien zur Geschichte der feministischen Bewegung der 1970er Jahre in der UdSSR sind das vor allem ihre Artikel und Aufsätze, Arbeitsmaterialien für Radiosendungen bei Radio Liberty/Radio Free Europe zu unterschiedlichen menschenrechtlichen und sozial-politischen Themen sowie das Manuskript ihres Buchs „Was Russen über Deutsche denken“.  Einen bedeutenden Teil des Bestandes bildet private Korrespondenz von Julija Voznesenskaja, die auch Briefe aus dem Lager enthält.

Besonders hervorzuheben ist die Fotosammlung von Julija Voznesenskaja. Dokumentiert sind u.a. die Teilnehmerinnen der feministischen Frauengruppe „Marija“ – Tat’jana Goričeva, Tat’jana Mamonova, Natal’ja Malachovskaja.  Aber auch Einzelporträts und Gruppenfotos prominenter Vertreter*innen der „zweiten Avantgarde“ wie Vladimir Erl‘, Aleksej Chvostenko, Konstantin Kuz’minskij, Viktor Krivulin oder Sergej Stratanovskij. Ergänzt wird die Sammlung durch Fotos verschiedener Veranstaltungen der Leningrader Underground-Szene: Treffen des Klubs "Evrika" (1975), Veranstaltungen des "Klub-81" (1981), Mitgliedertreffen vom TEEI (Verband für experimentelle und visuelle Kunst) (1984) oder die  TEEI-Ausstellung "Grani portreta" (1984).

Julija Voznesenskaja übergab den ersten Teil ihres Privatarchivs 2002; den Rest bekam das Archiv der Forschungsstelle Osteuropa nach ihrem Tod 2015.

Die Archivmaterialien wurde im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Archiverschließungsprojekts "Nonkonforme Visionen. Alternative Kunst und Kultur aus Mittel- und Osteuropa" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Link zum Bestand von Julija Voznesenskaja in der FSO-Archivdatenbank