Kunst im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa

Einführung und Überblick nach oben

Zu den persönlichen Beständen von Künstler*innen aus der Sowjetunion im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen (FSO) gehören mit Ausnahme der Nachlässe von Elena Luksch-Makowsky und Pavel Sal'zman vor allem Vertreter*innen der bildenden Kunst, die seit den 1950er Jahren aktiv waren. Unter ihnen Künstler-Autoren im Umfeld der Lianosovo-Schule (Vsevolod Nekrasov, Igor' Cholin, Genrich Sapgir) und bekannte Nonkonformisten, darunter Anatolij Brusilovskij, Eduard Gorochovskij, Michail Grobman, Boris Zaborov, Lev Nussberg, Sergej Sigej und Ry Nikonova, Boris Birger, Eugen Horvat und Anna Al'čhuk. Mit dem "Moskauer Archiv der Neuen Kunst / M.A.N.I." sind explizit auch Künstler*innen des Moskauer Konzeptualismus der 1970/80er Jahre in den Beständen vertreten. 

Parallel wurden im Archiv der FSO Materialien jener Personenkreise gesammelt, die als westliche Unterstützer*innen oder Emigrant*innen eine Brückenfunktion einnahmen und das inoffizielle Kunstschaffen von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs aus begleiteten und förderten. So z.B. die persönlichen Bestände des heute in New York lebenden bekannten Medientheoretikers Boris Groys sowie des 2017 im Londoner Exil verstorbenen Kunsthistorikers Igor' Golomštok. Beide nahmen eine wichtige Scharnierfunktion im Wissenstransfer über nonkonforme Kunst aus der Sowjetunion nach Westeuropa und in die USA ein und widmeten sich sowohl in ihrer Forschung dem inoffiziellen Kunstgeschehen, als auch unterhielten sie weitreichende persönliche Kontakte in die jeweiligen Szenen. Dies gilt auch für den deutschen Slawisten Karl Eimermacher, den Kunstsammler Klaus Groh mit seiner einzigartigen Mail-Art Sammlung aus Osteuropa oder für die Slawistin Sabine Hänsgen, die Ende der 1980er Jahre bei den Kunstaktionen der Moskauer Gruppe "Kollektive Aktionen" mitgemacht und diese dokumentiert hat.

Die Künstlerbestände und die beeindruckende Sammlung an künstlerischem Samisdatsind somit in einen breiteren Zusammenhang eingebettet. In ihrer Zusammenschau spiegeln die Archivmaterialien sowohl die vielfältigen Lebenswelten informeller Kreise in der Sowjetunion wider, als auch zeigen sie Querverbindungen und Verflechtungen von Literatur und Kunst unter Bedingungen staatlicher Zensur auf, die im politischen Kontext des Ost-West-Konflikts verstanden werden müssen und die Erforschung von Transfer und Verflechtungen der Kunstszene(n) über den Eisernen Vorhang hinweg ermöglichen. Als Einstieg zur Recherche finden Sie hier den mehrsprachigen Online-Katalog des Archivs der FSO.

 

Archivpublikationen der FSO nach oben

Archivführer und allgemeiner Bestandskatalog

Das Archiv der Forschungsstelle Osteuropa. Bestände im Überblick: UdSSR/Russland, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und DDR, herausgegeben von Wolfgang Eichwede, Stuttgart: Ibidem-Verlag 2009.

Das Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen besitzt einzigartige Quellenbestände zur Zeit- und Kulturgeschichte des östlichen Europas von Stalins Tod 1953 bis in die Gegenwart. In seinem Kern umfasst es ein spezifisches, doch breit gefächertes Spektrum an Materialgattungen, die ihm in ihrer Summe ein eigenes Profil geben: Zeugnisse und Schriften der Samizdat-Kulturen von den 1950er bis in die späten 1980er Jahre, informelle Druckerzeugnisse und Dokumente der Umbruchsjahre von 1986 bis 1991 sowie des Aufbaus der neuen Ordnungen (Transformation) in den 1990er Jahren und schließlich Nachlässe, primär aus Russland, der Sowjetunion und der russischen Emigration, die das gesamte 20. Jahrhundert umgreifen.

Schwerpunktländer in Archiv und Forschung sind die ehemalige Sowjetunion (heute Russland, die Ukraine, Belarus und die baltischen Staaten), die Tschechoslowakei (heute die Tschechische und die Slowakische Republik), Polen, Ungarn und die DDR. Gegenwärtig bezieht die Forschungsstelle in ihrer Bibliothek laufend über 700 Zeitungs- und Zeitschriftentitel aus und zu Ost- und Ostmitteleuropa, darunter auch Printmedien und Presse politischer Parteien, nationaler Minderheiten und kultureller Einrichtungen, zum Teil mit regionalen Bezügen. 

Ausstellungskatalog zum inoffiziellen Selbstverlag

SAMIZDAT. Alternative Kultur in Zentral- und Osteuropa: Die 60er bis 80er Jahre, herausgegeben von Wolfgang Eichwede, Bremen: Edition Temmen 2000.

Samizdat heißt Selbstverlag. Samizdat war der politische und kulturelle Untergrund in Osteuropa vor den Revolutionen von 1989. Eine von den Autoren selbst erkämpfte Welt, von Geheimnissen umgeben und von der Polizei verfolgt. Ohne die Zensurbehörden zu fragen, schrieben Poeten ihre Gedichte, stellten Künstler ihre Werke aus, sangen Barden ihre Lieder und rangen Bürger um ihre Rechte. Dieser Katalog zur gleichnamigen Ausstellung zeigt Zeugnisse des Untergrunds, die Geschichte schrieben: Dokumente der Menschenrechtsbewegung, wie die Erklärung der Charta 77 aus Prag und die Chronik der laufenden Ereignisse aus Moskau, Manuskripte und Erstausgaben von Václav Havel oder Alexander Solschenizyn, Journale und Almanache in kleinsten Auflagen, Memoranden von Andrej Sacharow und politische Traktate von Adam Michnik und Miklós Haraszti, Flugblätter der Solidarnoo sowie Kunstobjekte von Stanislav Kolíbal, Konzept-Kunst von Milan Knízák und Gemälde von Erik Bulatow, A.R. Penck, Tadeusz Kantor und Ilja Kabakow. Die einzelnen Beiträge beleuchten die politischen ebenso wie die kulturellen Entwicklungen. Persönliche Erfahrungen werden geschildert, technische Voraussetzungen und gesellschaftspolitische Hintergründe erläutert.

Dissens und Nonkonformismus im Bild

"Gegenansichten". Fotografien zur politischen und kulturellen Opposition in Osteuropa 1956-1989, herausgegeben von Heidrun Hamersky, Berlin: Christian Links Verlag 2005.

Dass die europäische Geschichte 1989/90 eine überraschende Wendung nahm, ist auch ihnen zu verdanken: den Dissidenten, Nonkonformisten und Unangepassten, die in Osteuropa über drei Jahrzehnte auf eine gewaltfreie Ablösung der autoritären Regime hinwirkten. Stets von Repressionen bedroht, agierten sie im Verborgenen, trafen sich in Wohnungen, debattierten in Kirchenräumen und erkämpften sich öffentliche Räume. Der Fotoband gibt einen Einblick in die Welt der kulturellen Alternativszenen und der politischen Opposition in der Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und der DDR. Die Aufnahmen wurden meist von den Beteiligten selbst gemacht und erlauben somit einen intimen Blick in die Innenwelt dieser Bewegungen. Zu sehen sind Untergrunddruckereien, Schnappschüsse von Akteuren der Bürgerrechtsbewegungen, Studenten in »fliegenden Universitäten«, politische Häftlinge in Internierungslagern sowie Straßenszenen. Die bisher weitgehend unbekannten Fotografien stammen aus Archiven in Moskau, Prag, Berlin, Bremen, Boston, New Brunswick (N.J.), Budapest und Warschau. In einem Vorwort von Václav Havel und einem Essay von Wolfgang Eichwede werden die historischen Zusammenhänge erläutert.

Radierungen des nonkonformen Künstlers Wladimir Jankilewski

Vladimir Jankilevskij: Radierungen. Ausstellungskatalog. herausgegeben, übersetzt, bearbeitet und kommentiert von Wolfgang Schlott, Bremen: Edition Temmen 1999.

In diesem Katalog befasst sich der Künstler Jankilevski mit den Themen Anatomie der Gefühle, StadtMasken, Mutanten (Sodom & Gomorra)