Kriegsfotografien im Kontext der Albenkultur

Bereits der Erste Weltkrieg wurde auf vielfältige Weise fotografisch dokumentiert und öffnete der Fotografie neue Einsatzmöglichkeiten. Neben den Feldfotografen, die Andenken-Motive für Postkarten produzierten, sind unter den Soldaten erstmals zahlreiche Amateurfotografen, die Kriegseindrücke aus ihrer Perspektive ablichteten und damit gewissermaßen zu Kriegschronisten wurden (Maas, München 1975, S. 140f.).

Im Zweiten Weltkrieg setzten die beteiligten Staaten Fotopropaganda gezielt und systematisch ein. Das NS-Regime organisierte eine ausdifferenzierte Bildpropaganda und förderte zugleich die ›Mobilisierung‹ der Soldaten als Amateurfotografen. Die aus heutiger Sicht befremdlichen Bemühungen von Fotoindustrie und Handel in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren, für die Mitnahme ins Feld (oder auch in den Luftschutzkeller!) besonders geeignete Kameramodelle offensiv zu bewerben, entsprach genau der politisch gewünschten Linie (vgl. Bopp, Starke, Bielefeld 2009, S. 37ff., Jahn, Schmiegelt, Berlin 2000, S. 46ff., Zöllner, München 2010, S. 167-179).

Die in den Weltkriegen entstandenen Fotografien wurden – oftmals nachträglich – zu Kriegs- und Militäralben zusammengestellt. Sie dokumentieren Kriegseinsätzen im Ausland, den soldatischen Alltag oder besondere Ereignisse. Aufnahmen von militärischen Übungen und Ehrungen, auf dem Weg ins Feld oder im Schützengraben (Abb. 1, Katalogeintrag) werden ergänzt von ›Heldengräbern‹, erbeutetem Kriegsgerät, gegnerischen Gefallenen, abgeschossenen Flugzeugen wie auch von zerstörten Gebäuden, Kriegsgefangenen oder improvisierten (Weihnachts-)Feiern im Kameradenkreis. (Abb. 2, Katalogeintrag)

Bei Auslandseinsätzen standen nicht selten eher touristische Aspekte im Vordergrund: intakte und zerstörte Sehenswürdigkeiten, die Begegnung mit Einheimischen, mit fremden Kulturen und Lebensweisen. Die Aufnahmen gleichen dokumentarischen Schilderungen der vorgefundenen Landschaften und Verhältnisse, zeugen aber auch vom Überlegenheitsgefühl der Fotografen der einheimischen Bevölkerung gegenüber, die aus einem ›exotistischen‹ oder ›völkischen‹ Blickwinkel heraus abgelichtet wurde. Die in den Alben hinzugefügten Bildunterschriften können gleichsam einen vorrangig informativen, eher humoresken oder gar ironischen Tonfall aufweisen. 

Auffallend häufig sind besonders für die Zeit des Zweiten Weltkriegs Szenen der Alltagsbewältigung dokumentiert, die eine gewisse Normalität an und hinter der Front suggerieren: Rasur, Haareschneiden, Kochen, Waschen. Soldaten auf ihren Betten, beim gemeinsamen Mahl am Tisch oder beim abendlichen Beisammensein mit Kameraden  – aufgenommen zur Erinnerung, Selbstvergewisserung und um beruhigende Signale in die Heimat senden zu können. (Abb. 3, Katalogeintrag)

Dies geschah oftmals mit Hilfe der Feldpost: Soldaten versandten ihre Filme zur Entwicklung in die Heimat (vgl. Autsch, Siegen 1999). So erhielten Verwandte einprägsame Lebenszeichen von den Kriegsteilnehmern und sorgten nach Möglichkeit gleichzeitig dafür, dass frisch angefertigte Abzüge direkt zurück ins Feld oder in die besetzten Gebiete gelangten. Man geht davon aus, dass im Zweiten Weltkrieg etwa 10 % der Soldaten eine Kamera besaß – wie viele diese auch mit ins Feld nahmen, ist offen. Wer mit Fahrzeugen unterwegs war (Sanitäter, Kradmelder Luftwaffe), war eher in der Lage, eine Kamera als zusätzliche Ballast mitzuführen  als  etwa ein Infanterist, der seine Ausrüstung stets auf dem Rücken trug. 

Katja Leiskau