Volltext Seite (XML)
wird bleich, sie wird rot, sie gesteht. Und Herr X. überlegt den Fall. „Nei gungsehe?“ denkt er. „Was sich zwanzig Jahre lang kennt, gehört doch wohl zusammen?“ Er denkt und — lenkt. Aller lei Personen, von seiner weisen Hand ge führt, treten zwischen Fräulein N. und Herrn A. Eine große Kabale wird gesponnen, und siehe, mit der aufflackernden Eifersucht bleibt auch ein neuer Liebesfrühling nicht aus. Das Ende vom Liede? Herr A. heiratet endlich seine Hausdame, Fräulein N. (Das Ende? Nein, das Ende vom Liede ist: Fräu lein N. weigert sich, die Gebühren zu be zahlen. Und das Gesetz steht ihr bei. Den Gesetzgebern gilt die Ehevermittlung offen bar soviel wie etwa das Wahrsagen aus dem Kaffeesatz: Heiratsprovisionen dürfen nicht eingeklagt werden!) „Wie haben Sie Ihren Gatten kennen gelernt?“ Oftmals wissen die Ehefrauen nicht, daß ihr Bund im Vorzimmer des Herrn X. ge- oder wenigstens beschlossen wurde. Kürzlich erschien bei ihm eine Witwe. Erst aus den nachgelassenen Papieren des Ehemannes hatte sie das Geheimnis ihrer „zufälligen“ Bekanntschaft mit ihrem Gatten erfahren. Nun ist das Trauerjahr um. „Er war ein guter Mann, Herr X., bitte noch einen!“ Solche „Nachbestellungen“ sind gar nicht so selten, und in manchen Familien ist Herr X. sogar schon in zweiter Generation tätig. Einst durch ihn beglückte Mütter schicken ihm ihre heiratsfähigen Töchter. Es hat Sinn, wenn er seinen Klienten beim Abschied zuruft: „Auf Wiedersehen!“ Manchmal wissen die weiblichen Heirats kandidaten nichts von den schwarzen Plänen, die ihre Verwandten mit Herrn X. spinnen. Manchmal tun sie auch nur so, als wüßten sie nicht, wie wohlberechnet und verabredet es ist, wenn sie nach einer Autotour mit ihrer Familie an dem bestellten Tisch eines Restau rants mit einer anderen Familie Zusammen treffen, der aus Versehen der gleiche Tisch zugewiesen wurde und die „zufällig“ einen netten heiratsfähigen Sohn bei sich hat. Die moderne Frau streift alle Bedenken gegen die Ehevermittlung ab. Sie macht sich keine Illusionen über die verschiedenen Triebkräfte, die Mann und Weib zusammen führen. Reklame hier und da! Was der Nachtigall, dem guten Mond, der Baumblüte und sonstigen poetischen Heiratsvermittlern recht ist, darf Herrn X. durchaus billig sein. Es ist keine Ausnahme mehr, daß selbst bewußte junge Mädchen zum Heiratsvermitt ler kommen. „Meine Freundin hat durch Ihre Vermittlung einen Mann bekommen. Er ist ein prächtiger Mensch. Mir bitte auch so einen!“ Oder ein anderer für das moderne Mädchen typischer Fall: „Mein Vater will mich verheiraten. Ich habe zwar nichts gegen seinen Favoriten einzuwenden und habe keineswegs etwa einen heimlichen Geliebten. Aber ich bin ein selbständiger Mensch und will mir meinen Mann selber besorgen!“ Und dann kommen Werbehelfer, die noch ihren besonderen Nebenzweck verfolgen, Seelsorger aller Konfessionen, die für ihre Schäfchen den rechten Partner suchen. Die beste Reklame aber bleibt wirkungslos, wenn das Objekt nichts taugt. Ein Ehever mittler läuft sich für den Grafen Soundso „die Hacken ab“. Aber der Edelmann findet nirgends Gegenliebe. Und eines Tages reißt ihm der Geduldsfaden. Er telephoniert sei nen Vermittler an: „Sie unverschämter Patron! Warum will mich denn keine hei raten? . ..“ Und er geht hin und versucht es mit einem Inserat. Vielleicht wird er nun Erfolg haben. Heiratsanzeigen sind für viele boshafte Ge müter ein Born ungetrübter Heiterkeit. Aber es geschieht ein Wunder. Jedes noch so un sinnige, unfreiwillig komische, sentimentale oder durchsichtig eigennützige Heiratsinserat wird seine begeisterten Leser finden. Sie werden sich in Scharen melden, der „tüch tige, erfahrene Reisende, der in eine erst klassige Existenz mit hohem Mindesteinkom men einheiraten will“ — widerwärtiger Schacher mit einem Menschenleben —; die „herzensgute, gebildete Dame mit eigenem Kunstbesitz, die einen Gentleman ersehnt“ — wo er’s schon selber sagt! —; und der „Herr mit ernstem Vorkriegscharakter“ ... Der Menschenkenner wird im Heirats anzeigenteil der Blätter Stoff genug zum Deuten finden. Sein Blick fällt auf folgen des Inserat: