Volltext Seite (XML)
seine Hände waren unruhig und schlenkerten in den Gelenken wie die eines Trommlers. Der ganze Mensch war überhaupt in Erregung, zerstreut wie jemand, der etwas Wichtiges vergessen hat und sich nicht einmal darüber klar ist, was er vergessen hat. In seiner Gesellschaft waren Isidora Duncan und Kussikow. „Auch ein Poet“, sagte leise und heiser Jessenin von ihm. Neben Jessenin schien mir Kussikow ein völlig belangloser Mensch. Er war mit einer Gitarre, dem Lieblingsinstrument der Friseure, bewaffnet, aber ich glaube, spielen konnte er nicht darauf. Die Duncan hatte ich einige Jahre vor dieser Begegnung auf der Bühne gesehen, als man noch wie von einem Wunder über sie schrieb und ein Journalist den herrlichen Ausspruch tat: „Ihr genialer Körper versengt uns mit der Flamme des Ruhms.“ Aber mir gefällt das nicht, ich begreife nicht den Tanz, der aus dem Verstände kommt, und es machte keinen Eindruck auf mich, wie diese Frau über die Bühne fegte. Ich erinnere mich sogar, daß es traurig war, daß es schien, als sei ihr tödlich kalt, und daß sie, die Halb bekleidete, nur herumsprang, um warm zu werden und der Kälte zu entfliehen. Auch bei Tolstoj tanzte sie, nachdem sie vorher gegessen und Wodka getrunken hatte. Der Tanz schien ein Kampf des lastenden Alters der Duncan mit dem Druck ihres von Ruhm und Liebe verheerten Körpers. Hinter diesen Worten verbirgt sich nichts für die Frau Be leidigendes, sie kennzeichnen nur den Fluch des Alters. Die bejahrte, massig ge wordene Frau mit dem roten, unschönen Gesicht, in ein Gewand von ziegelroter Farbe gehüllt, wand und drehte sich in dem engen Zimmer, wobei sie ein Bukett zerknitterter, verwelkter Blumen an die Brust drückte und auf dem dicken Ge sicht ein nichtssagendes Lächeln gerann. Diese berühmte, von Tausenden von Aestheten Europas, den anspruchs vollsten Kennern der Plastik gefeierte Frau schien neben dem kleinen, knaben haften, wunderbaren Rjasaner Dichter wie die vollkommene Personifikation alles dessen, was er nicht brauchte. Hier ist nichts Vorweggenommenes, nichts Ausgedachtes, nein, ich spreche von dem Eindruck jenes lastenden Tages, an dem ich beim Anblick dieser Frau dachte: Wie kann sie den Sinn solcher Seufzer des Dichters verstehen: Carl Raüus Holzschnitt III