F Fast jedem Menschen erscheint New York anders, und beinahe könnte man meinen, daß es l< keinen Charakter habe. Ein Konglomerat von Menschen aller Nationen sei, die sich getrennt halten i und sich mühsam auf italienisch-englisch, jiddisch, pennsylvania dutch oder so unterhalten. T Das ist nicht so. New York hat einen definitiven Charakter. Mir erscheint er ganz einzigartig. \ Nehmen wir an, es wäre früh morgens im Sommer — und von Long Island, von Brooklyn, West et ehester usw. führen Menschen in endloser Menge nach dem Kern der Stadt — der Insel Manhattan. ' Wollen Sie sich einen Moment zu den Leuten setzen, die mit der Fähre aus Staten Island kommen? F. Es wird Ihnen gefallen, und Sie werden gerade dort viele Landsleute treffen. - Die Überfahrt dauert i ungefähr 25 Minuten und kostet fünf Cent. Wie ein wildgewordenes flaches Brot gleitet die Fähre i über die Wellen. In der Schiffsmitte stehen zwei Reihen Autos. Auf den Seiten und dem ersten Stock : sitzen die Menschen. Ihre Hände halten Zeitungen, eifrige Italiener erfassen ihre Beine der Reihe * nach. Ihre Schuhe werden schleunigst poliert. ' Wenige Menschen nur sehen die Stadt auftauchen. Unvermittelt, künstlich und jedesmal wieder , unwahrscheinlich liegt sie da auf dem Wasser. Auf den Spitzen der Wolkenkratzer spielt die Li Sonne und endlose Fensterreihen blitzen auf. Wenn die Fähre ihre breite, ovale Nase wendet, \ öffnet sich der canyongleiche Schacht des Broadway und teilt den leuchtenden Koloß mit einem i blauen Streifen Luft. New York dreht sich vor uns wie eine eitle Frau. i Ond es scheint, als ob alle die Menschen, die zur Arbeit fahren, ein Rendevouz mit dieser \ Stadt hätten. Wie eine Frau ist sie: Vergeßlich, kompliziert und anspruchsvoll für den einen und S so einfach mütterlich und kindlich für den ändern. Sie macht berühmt oder arm, traurig oder froh l - je nach Laune. Sie verschenkt sich, verweigert sich. Triebhaft ist sie und unbesorgt — tausend-