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dann festzubinden. Aber auch dazu reichten meine Kräfte nicht aus, das Tau war zu schwer. Nun, dann mußte ich eben so weit heruntergehen, daß es sich gut hantieren ließ. Meter fiir Meter rutschte ich langsam herunter,so daß ungefähr 5—6 Meter zwischen mir und meinem nächsten Kameraden waren. Als dieser mein Vorhaben merkte, bekam er es jedenfalls etwas mit der Angst zu tun. Trotzdem ich ihm zurief, er solle so lange oben bleiben, bis ich mich festgebunden habe, kam er mir doch nach. Ich konnte nicht wagen, noch weiter hinunterzuklettern, denn er kam immer schneller nach, weil seine Kräfte schon anfingen zu versagen. Wir waren alle drei noch im Kletterschluß, jetzt war mein Kamerad so weit heruntergerutscht, daß er mit beiden Füßen auf meinen Hän den stand. Weiter herunter kam er nicht. Ich glaube sicher, wenn er jetzt nichts Festes unter seinen Füßen gehabt hätte, wäre er jetzt schon abgestürzt. Nun also, Festbinden war die einzige Rettung, denn wir kamen der russischen Grenze immer näher. Ich hatte mir schon vorher vorsichtshalber das Tau ein paarmal um das linke Bein ge wickelt, hielt dann das Bein so, daß es mit dem Körper einen rechten Winkel bildete. Der vorhin genannte Kamerad setzte sich darauf und hielt sich nun ohne jede Kraft anstrengung am Tau fest. Wir saßen nun in der Schlinge, in der Schlinge um mein Bein, und waren unserer Ansicht nach geborgen. Endlich konnten wir uns zum ersten Male von den Anstrengungen erholen, denn das Festbinden war gerade die schlimmste Zeit für uns, da man doch gefaßt sein mußte, in die Tiefe zu stürzen. Mir kamen so manche Ideen in den Kopf, so z. B. wollte ich, als wir gerade über die Luftschiffhalle fuhren, herunterspringen, denn der Abstand vom Ende des Taues bis aufs Dach sah gar nicht so groß aus. Ebenso, als wir die Warthe überquerten und ich das Wasser so ruhig da hinfließen sah und zuletzt noch über höher gelegene Waldungen fuhren, dachte ich das selbe. Unser einzigster Wunsch war, nur wieder festen Boden unter unseren Füßen zu haben. Es ist wirklich nicht niederzuschreiben, was für Gedanken einem in Todesangst schwe benden Menschen durchs Gehirn jagen. Alles bis jetzt Erzählte war in einem Zeit raum von einer halben Stunde. Unser Schiff stieg immer noch ohne Aufhören. Doch hatte sich das Tau immer fester gezogen, so daß mir schon die Beine einschliefen. Bis jetzt hatten wir immer noch freie Aussicht gehabt, aber damit war es nun vorbei, denn wir gelangten in die Schicht der WoL ken. Um uns her nichts als Nebel, und zwar so dicht, daß wir nur das Stück Tau in unserer nächsten Nähe sahen. Vom Schiff, sogar vom dritten Kameraden, der weiter oben hing, sahen wir nichts. Sonst alles still, nur das Summen der Motoren vernahmen wir noch. Jetzt waren wir über der Wolken schicht, und über uns breitete sich der klare, blaue Himmel aus. Von der Erde merkten wir nichts mehr, nur dann und wann konn ten wir durch einen Spalt etwas von Feldern, Wiesen und Wäldern sehen, aber alles war sehr tief unten und ganz klein. Jetztl — auf einmal! — gab es einen ziemlichen Ruck. Wir dachten erst, unser Tau wäre gerissen. Die oberste Schlinge löste sich, und wir beide rutschten zusammen hinunter, schneller, im mer schneller, etwa /io—5o Meter. Ich ver spürte schon durch die Reibung am Tau heftige Schmerzen an beiden Händen. Ein zweiter Ruck folgte. Ich überschlug mich rückwärts! Im Moment wußte ich nicht, was geschah, aber in kurzer Zeit hatte ich wieder alle Sinne beisammen und mußte zusehen, wie mein Kamerad in die Tiefe stürzte und in den Wolken verschwand. Dies geschah in einer Höhe von 32 00 Meter. Ich dachte bestimmt,ich sauste auch mit hinunter, da sah ich aber, daß der Abstand zwischen uns immer größer wurde. Ein Blick nach oben, und ich merkte, daß sich das Seil, das ich erst um mein Bein gewickelt hatte, beim Überschlagen zusam mengezogen und um den linken Fuß fest verschlungen war. Von dieser Zeit an hing ich mit dem Kopfe nach unten. Das Schiff stieg immer höher. Je höher wir kamen, desto kälter wurde es. Ich fror schon sehr, denn ich hatte ja nur die Drillichsachen an. Mein mit dem Tau umwickeltes Bein schmerzte fürchterlich. Es war schon blau und dick und ganz abgestorben. Ich ver suchte, das Tau loszumachen, um mich in Fortsetzung auf Seite i44