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ihre beiden Hände und begann selbst zu weinen. „Es tut mir aufrichtig leid, mein Täubchen,“ sagte er, „daß dir das passieren konnte, indes, die Sache muß schnell gehen, eröffne mir schleunigst alle deine Geheim nisse.“ Das Mädchen offenharte ihm, was sie an gestellt hatte. Darauf schloß er sie bei sich im Atelier ein. Die Tante traf ihren Schwiegersohn mit verweinten Augen und schwieg. Er umarmte sie, küßte sie und sprach: „.Keine Angst, nicht weinen! Vielleicht hilft uns Gott.“ „Sag mir doch“, flüsterte die Tante, „wer dran schuld ist!“ Aber der Maler drohte ihr zärtlich mit dem Finger und sagte: „Das ist doch gar nicht hübsch: Sie selbst haben mir unauf hörlich meinen Unglauben vorgeworfen, und jetzt, wo Ihr Glaube auf die Prüfung ge stellt ist, muß ich sehen, daß Sie selber nicht glauben. Ist es Ihnen denn wirklich nicht klar, daß es gar keine Schuldigen gibt, sondern einfach dem Wundertäter ein kleines Versehen unterlaufen ist?“ „Wo ist denn meine arme Katetschka?“ „Ich habe sie mit einer furchtbaren Formel, wie sie bei uns Malern üblich ist, beschworen, und sie ist ruhig geworden wie der Teufel vor dem Amen.“ Er zeigte der Tante selbst den Schlüssel. Die Tante erriet, daß er das Mädchen vor dem ersten Zorn des Vaters geborgen hatte, umarmte ihn und flüsterte: „Verzeih mir, in dir stecken doch zarte Gefühle!“ VI. Der Onkel kam. Als er wie gewöhnlich seinen Tee getrunken hatte, sagte der Maler: „Wollen wir nicht das Gebetbuch mit den 32 Blättern lesen?“ Sie setzten sich. Die Tür wurde verschlossen. Tantchen ging auf den Zehenspitzen umher. Bald trat sie weg von der Tür, bald wieder heran; unablässig horchte sie und bekreuzigte sie sich. Als endlich im Zimmer irgend etwas klirrte, lief sie davon und versteckte sich. „Jetzt hat er s entdeckt!“ — flüsterte sie. „Er hat das Geheimnis entdeckt! Jetzt be ginnt der Höllentanz!“ 14a