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Friedrich Gäbel: Die gute Idee alles beim Filmregisseur, und das Dichten fängt gewöhnlich erst im Atelier an. Ist der Regisseur ein Künstler, ein Könner, ein Mann mit Nerv und Gestaltungs kraft, wird er auf seine Weise die dichterische Atmosphäre eines Werkes nach schaffen. Das Manuskript gilt als eine Art Merkbuch für den Handlungsablauf, weil man es nicht von einem Dichter schaffen, sondern von einem halben Dutzend Fachleuten manuell herstellen läßt. Ich will keineswegs behaupten, daß alle diese Fachleute Schafsköpfe seien, mancher steckt sogar wirklich geistige Arbeit in seine Drehbücher, aber das System ist falsch, industriell, mechanistisch, wie das Wort „Verfilmung“. Sehr oft ist überhaupt schon die Idee der Verfilmung falsch, indem ein Werk, dessen Gestalt einmalig und nur in einer bestimmten Kunstform denk bar ist, vom Gesichtspunkt der nackten Stofflichkeit her zerhauen und seiner eigentlichen Wesenheit beraubt wird. Sehr selten kann man ein in anderer Form geprägtes Kunstwerk „verfilmen“, das heißt seinen künstlerischen Ausdruckswert filmisch darstellen. Gewöhnlich kann man nur den Stoff zur Grundlage eines Films, das ist einer vom Drama und auch vom Roman grundsätzlich verschiedenen künstlerischen Disziplin machen. Diese Unterscheidungen klar durchzuführen, wäre Aufgabe des Filmdramaturgen, des „Fachmanns“, nicht der Dichtung ins Handwerk zu pfuschen und gut Gedichtetes schlecht zu „verfilmen“. Es mag dichterisch berufene Menschen geben, denen der Film ihre einzige oder haupt sächliche Ausdrucksform bedeutet: die aber werden nicht „verfilmen“, sondern wirklich „Film dichten“, ohne Aufsichtsratssitzung. Wir aber, die wir den Film ernst nehmen und in seiner Zukunft die Möglichkeit einer eigenen, ursprünglichen Kunstform sehen, deren Nachteil in der ewigen Begrenztheit des Mechanischen, deren Vorzug in der räumlichen Unbegrenztheit ihrer Auswirkung bestehen wird, wir werden den Schlendrian der Drehbuch fachmännerei abschaffen, wir wollen nicht mehr „Verfilmung“, sondern — „Film- Dichtung“. 41