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ANTON MAYER, Peregrinus Windesprang, Roman. Horen-Verlag, Berlin. Auf dem Umschlag dieses Romans mit dem merkwürdigen symbolischen Helden namen steht: „Man wird den Peregrinus Windesprang als den ,Grünen Heinrich' unserer Zeit erkennen und lieben. Dieser Roman wird sich den bleibenden Offenbarungen unserer Gegenwart zugesellen.“ Dieses stimmt. Nur ist der „Peregrinus Windesprang“ nicht so langweilig wie der „Grüne Heinrich“. A. B. HANS MERSMANN, Mozart. Verlag Julius Bard. Eine stilkritische Auseinandersetzung weniger mit Mozart als mit der Zeit Mozarts, mit dem Jahrhundert, an dessen Ende die große Revolution lauert. Nicht leicht, nach Hermann Abert über Mozart zu schreiben, sich von jenem Vorbild freizumachen. Auch der Hermeneutiker Hermann Kretzschmar lugt zwischen den Zeilen hervor, so wenn Mersmann bei fallenden Septimen der Hoboen das Empfinden des „Ueber-das-Haar-Streichens“ hat oder bei dem Haupt thema der B-dur-Sonate (Koechel 378) „tiefe Entsagung“ herausliest Die Lektüre des Buches wird erschwert durch die Seltsamkeit des Ausdrucks. „Flächen bindung, Wechselfläche, Ablaufsfläche, geschlossene, zerbrochene, verschmelzende Fläche, Beziehung der Teilfläche, flächige Kraft des Jahrhunderts, Gespaltenheit der Atmosphäre“. Auch die Wahl der Bildbeigaben ist nicht glücklich. Die an sich schönen Zeichnungen stehen mit dem Thema in einem zu losen Zusammen hang. B. B. AUSSENSEITER DER GESELLSCHAFT. Die Verbrechen der Gegenwart. Herausgegeben von Rudolf Leonhard. Verlag Die Schmiede, Berlin. So sehr die kriminalistische Tatsachensammlung des alten und des neuen Pitaval heute wichtig ist und wichtig genug genommen wird, so ist heute nur eine indi viduell analysierende Darstellung möglich, die den Verbrecher als Menschen berücksichtigt, nicht das Verbrechen als Faktum mit bestimmten Tatbestandsmerk malen. Die Bedeutung von Rudolf Leonhards Herausgebertätigkeit kuminiert im Einzelwerk jeder einzelnen Analyse und dem dokumentarischen Wert der ganzen Sammlung. Ohne auf die vielen Einzelbände hier eingehen zu können, bleibt doch zu sagen, daß gleich zu Anfang zwei Werke stehen, deren stilistische Gegen sätzlichkeit die beiden äußersten Möglichkeiten der Kriminaldarstellung aufzeigt: Alfred Döblin, Die beiden Freundinnen, und Egon Erwin Kisch, Der Fall Redl. Alles andere und Spätere ist Mischung, zum Teil sehr glückliche, aus den besten Möglichkeiten der Individualpsychologie und der Reportage. A. B. IGNATZ STRASSNOFF, Ich, der Hochstapler Ignatz Strassnoff. Verlag Die Schmiede, Berlin 1926. Er hat eine Reihe von Leuten hochgenommen, die sich für sozial immun hielten, weil sie glaubten für so allgemein wichtig gehalten zu werden, wie sie sich selber nahmen. Strassnoff — kriminalistisch gesprochen ein gewerbs- und gewohn heitsmäßiger Betrüger — war mit Skepsis genug gesättigt, um diese soziale Anerkennung auf sich selbst anzuwenden, Rollen bürgerlichen Anerkenntnisses durchzuproben und Personen vorzutäuschen, deren Würde man für unnachahm lich hielt. Schließlich ein Hauptmann von Köpenick von Beruf und deshalb mit Avancement. Er nahm das gesellschaftliche Miteinanderleben als Pokerpartie und bluffte ohne Einsatz. Die Bluffs sind weniger interessant durch Strassnoffs Schlauheit, als amüsant durch die Dummheit der Geblufften. Nach einem radi kalen Reinfall soll er heute ein braver Bourgeois geworden sein. A. B. 132