Volltext Seite (XML)
Festspiel des Abends: „Die Entstehung der Pyramide", mit einem Vorspiel, „traurige Burleske von Conrad Dielitz (bei einer solchen Dichtung darf man den Namen des Autors ja wohl nennen) mit lebenden und toten Bildern, Gesang und Tanz“ an. Der Inhalt dieses höchst merkwürdigen ägyptisch - berlinisch - kalauischen Dramas (von dem sangeskundigen Mitgliede, dem wir hauptsächlich auch die Malerei, die prächtigen Dekorationen verdanken, meisterhaft inszeniert) ist kurz der, daß Pharao Schafra VII. die Hand seiner Tochter Amoritis demjenigen verheißt, welcher für seinen bereits vor acht Jahren gestorbenen Erstgeborenen (das Bild AlmaTademas veranschaulichte transparent und gleichsam retrospektiv dies weit zurückliegende Ereignis) das würdigste und imposanteste Grabmal zu türmen vermöchte. Die schöne ägyptische Königstochter liebt den armen Nil fischer Hechtnepf. Diese Liebe macht sie und ihn erfinderisch. Er ersinnt den Pyramidenbau, und die letzte Szene zeigt uns Richters Bild in lebendig bewegter und getreulich kopierter, oft auch bengalisch beleuchteter Wirklichkeit und die Krönung der Wünsche des glücklichen Paars durch den an seinem Königswort nicht drehenden und deutelnden Vater Pharao. Mit diesem Umriß allerdings hat kein Leser, der nicht Zuschauer gewesen, eine Vorstellung von der Schönheit und dem Humor der einzelnen Szenen gewonnen. Zwei erscheinen mir besonders genial erfunden: Jene, wo Amoritis ihrer braunen Zofe Delta den Brief an den glücklichen Fischer, der ihm ihr Kommen zum Stelldichein für den Abend ankündigt, diktiert, damit sie die Botschaft, ich denke in demotischer Sprache, in einen großen Ziegelquader graviere, und sich bei diesem liebenden Diktat mit ihrer Getreuen des Mozartschen Briefduetts aus dem „Figaro“ treulich bedient; dann die andere, wo jener verstorbene Erstgeborene infolge der ägyptischen Seelenwanderung in Gestalt eines Krokodils ans Nilufer gekrochen kommt und seine liebende Schwester ihn wohl an der Stimme erkennt und herzlich liebkost, sich aber doch nicht der Bemerkung entschlagen mag: du hast dich doch sehr verändert. Jenes Schlußtableau des Pyramidenbaus krönte herrlich das Ganze, als die Uhr bereits auf fünf wies. Von besonderen Gaben wurde der bereits so reich beschenkten Versammlung im Saal noch eine Wiederholung des unsterblichen nie genug gehörten Rizzioliedes Stettenheims geboten, zu welcher sich der wieder in seine Maskenhülle des Zirkusmusikanten zurückverwandelte glückliche Nilfischer, die ägyptische Königstochter und der Autor des künftigen Berliner Goethe-Monuments auf dem riesigen Pyramidenquader des Richterschen Bild vordergrundes mit Harfe und Laute als sitzendes Terzett gruppiert hatten. Den dauerhaften Festgenossen blieben noch für die Schaubegierde — an sich selbst, für den Durst — in den Kellern und Fässern des Instituts, an Zeit — noch bis zur Morgenfrühe genug, um von dem Kelch dieser harmlosen und reizenden Karnevalsnachtfreudcn noch mehrere Stunden zu trinken. Der graue Dämmer des Wintertages färbte bereits des schlummernden Droschkenlenkers sonst so warm getöntes Antlitz bleich wie Romeos am Fuß des Balkons, als wir Letzten ihn mit fröhlichem Guten Morgen zum Beginne seiner unentbehrlichen Sonntags arbeit ermunterten! Das \yar das einzige echte und rechte, dafür aber auch vollendet schön gelungene Berliner Karnevalsfest, das diesen Namen verdient, das Maskenfest des Berliner Künstlervereins im Jahre III des Deutschen Reichs, am 22. des Berliner Lasker-Monats. 4 129