E. Nadelmann EIN LIEBHABER WIRD UMGEBRACHT Von RAMON GO MEZ DE LA SERNA E s kam das Liebesdrama dieses Sommers. Die Zeitungsjungen ver kauften es unter entsetzlichem Geschrei. „Das Verbrechen in Madrid Moderno 1 ). Ein Richter tötet Gattin und Geliebten!“ Die Notwendigkeit, die ganze Überschrift in einem Atem auszuschreien, machte den Geliebten von des Richters Gattin ein wenig zum Geliebten des Richters selbst. Die Zeitungsjungen fanden nicht einmal Zeit, ihre Blätter zu falten; man riß sie ihnen offen aus den Händen. „Wenn wir mehr Zeitungen gehabt hätten, so hätten wir noch mehr verkauft“, sagten sie atemlos, wenn ihnen nur noch zwei oder drei Blätter blieben. An diesem trüben, niederdrückend schwülen, störrischen Sommertag hatten alle auf das Verbrechen geradezu gewartet. Schon am Nachmittag war der Qualm der Fabrikschomsteine so tief, so niedergedrückt, in so breiter, horizontaler Lage geblieben, daß die Fabriken Schiffe schienen, die den Weg zurückgelegt hatten, den der Rauch markierte. Vielleicht ist die Art, wie sich der Qualm verteilt, das, was den Tag anzeigt, an dem ein Verbrechen begangen wird, denn dieser Tiefdruck, diese schwere, ruhige Luft verursacht in dem Täter die Hirnhautentzündung des Verbrechens. Die Zeitungsjungen verteilten ihre Abendblätter wie lange, an dem Zipfel angefaßte Bettücher. Vor den Portierlogen und vor den Laden türen bildeten sich Gruppen um jede Person herum, die eine Zeitung in der Hand hielt. 1 ) Stadtteil von Madrid. (Anm. d. Ü.)