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68 Ein geringer Teil der so erbeuteten Sklaven bleibt im Lande und wird vornehmlich in Addis-Abeba, der Hauptstadt Abessiniens, mehr oder minder öffentlich zum Ver kauf ausgeboten. Im einfachsten „tucal“, der Behausung des gewöhnlichen Mannes finden sich Sklaven ebenso wie in den großen Häusern der Ras, der Aristokraten des Landes, die oft Hunderte von unfreien Dienern und Arbeitern besitzen. Ja, es ist noch nicht einmal gar so lange her, daß sich mehrere der in der Hauptstadt ansässigen europäischen Diplomaten damit rühmten, von Sklaven bedient zu werden! Neuer dings scheidet Addis-Abeba freilich mehr und mehr als Abnehmer des Menschen materials aus, weil die Aufsicht und Kontrolle der Behörden dort allmählich doch zu scharf werden; zwar zögert man, die schon aus früherer Zeit in der Stadt befindlichen Sklaven freizusetzen, aber man macht doch einige Anstrengungen, um weitere An käufe nach Möglichkeit zu verhindern. Seinen eigentlichen Mittelpunkt findet der Sklavenhandel heutzutage auf Djebel- Zigour, einer kleinen Insel im Roten Meer zwischen dem südlichen Arabien und der afrikanischen Küste von Eritrea; die Aufmerksamkeit der englischen, französischen und italienischen Kriegsschiffe, die nach internationalem Übereinkommen den Polizeidienst in den dortigen Gewässern ausüben, gilt in erster Linie der Überwachung dieses Fleckchens Erde. Es ist die wichtigste Zwischenstation auf dem Leidensweg der Sklaven, die hier von den abessinischen Händlern an ihre arabischen Berufs kollegen verkauft und .übergeben werden; also eine Art „clearing-house“, in dem oft an einem einzigen Tage bis zu hundert der unglücklichen Menschenkinder ihren Besitzer wechseln! Eine Unzahl käfigartiger Gefängnisse steht zur Unterbringung der Sklaven während der Zeit ihres Aufenthalts auf der Insel zur Verfügung; riesige Wälle und Befestigungsanlagen, Wolfsgruben, Wassergräben und schließlich eine starke Bewachungsmannschaft machen ein Entweichen zur Unmöglichkeit. Und dies alles spielt sich ab, während die europäischen Wachschiffe in geringer Entfernung die Insel umkreisen! Denn der von ihnen übernommene Polizeidienst erlaubt wohl die Anhaltung verdächtiger Fahrzeuge auf dem Wasser und die etwaige Bestrafung ihrer Besitzer; aber die Insel selbst ist arabischer Grund und Boden und damit europäischer Obrigkeit restlos entzogen, ein Umstand, den sich die Sklavenhändler sehr wohl zunutze zu machen wissen. Die Tätigkeit der Wachschiffe muß sich deshalb notgedrungen darauf beschränken, den Transport des Menschenmaterials von der afrikanischen Küste zur Insel und von dort nach Arabien nach Möglichkeit zu unterbinden. Aber mit ihren schnellen kleinen Segelbooten, die eigens für diesen Zweck konstruiert sind, wissen die Händler, be sonders zur Nacht, den Aufpassern immer wieder ein Schnippchen zu schlagen. Bei gutem Wind nimmt die Reise vom Festland zur Insel nur etwa sechs Stunden in Anspruch; wird aber ein Transportboot durch einen der gefürchteten Stürme oder durch eine Windstille aufgehalten, so dauert die Überfahrt oft auch tagelang, und die unter Deck zusammengepferchten Sklaven, die ohnehin unter der Hitze un säglich zu leiden haben, erhalten während dieser Zeit der Verzögerung meistens weder Wasser noch Nahrung, so daß oft Dutzende auf einem einzigen Schiff unter gräßlichen Qualen zugrunde gehen! Auch der Gefahr, von einem der Wachschiffe angehalten zu werden, wissen die Händler nur allzu oft auf ihre eigene erbarmungslose Weise zu begegnen. Sehen sie sich von einem Polizeiboot verfolgt, so werfen sie kurzerhand einen Sklaven nach dem ändern in regelmäßigen Zwischenräumen über Bord und vertrauen mit Recht darauf, daß der Verfolger in natürlicher Menschlichkeit jedesmal beidrehen wird, um die ins Wasser geworfenen Unglücklichen herauszufischen! So geschah es erst kürzlich wieder, daß ein italienisches Kriegsschiff während der Ver folgung eines Sklavenjägers siebzehn Sudanneger nacheinander aus dem Meer sam melte, während ein weiteres Dutzend vor den Augen der Rettungsmannschaften von den zahlreichen Haifischen in die Tiefe gezogen wurde; tatsächlich gelang es dem Händler auf diese Weise, mit seinem Segler noch die Insel zu erreichen.. Der Haupteinfuhrhafen für Menschenmaterial an der arabischen Küste ist Djizan, von wo die Sklaven in ganzen Karawanen unbehindert nach Hedjaz und Mekka, der heiligen Stadt des Islams, gebracht werden. Die dort erzielten Preise sind ganz verschieden. Ein gesunder junger Bursche kostet etwa tausend Mark, ein Mädchen unter Umständen bis zu vier- und fünftausend. Ältere Leute sind schon für fünf- bis sechshundert Mark zu haben, weil sie nach kurzer Zeit unter der glühenden Sonne