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das einen verkommenen Eindruck machte. Auch der Redakteur, der mich empfing, enttäuschte meine Erwartung. Er war ein Angestellter, ein kleiner Mann, ganz ohne Beziehung zu den großen Welt ereignissen. die die Zeitung meldete. Wir verstanden uns nicht. Immerhin war er interessiert, als er hörte, ich führe in der Welt herum, und forderte mich auf, Berichte zu machen. Es war damals noch etwms Seltenes, wenn jemand aus Australien kam und nach Südamerika fuhr. Ohne viel Hoffnung fuhr ich nach Hamburg und suchte mir ein Schiff nach Südamerika. Es war ein Passagier dampfer, eine neue Erfahrung für mich, aber keine angenehme. Es waren un gefähr zweitausend Menschen auf dem ziemlich kleinen Schiff, und da die Ma trosen das Deck sauberhalten müssen, machte ich die Entdeckung, daß Passa giere dreckiger sind als Schweine. Ich haßte sie alle, diese zweitausend Herum lungerer. Auf der ändern Seite gab es viel Interessantes und Erstaunliches. Ich war entrüstet über die Schamlosigkeit der Frauen. Ich erinnere mich, daß die Hei zer dieses Schiffes sich beim Kapitän be schwerten, er solle die Weiber aus ihren Logis fernhalten, weil sie sonst nicht genug zum Schlafen kämen. Südamerika gefiel mir nicht. Ich fand Rio eine schöne Stadt, aber die Seeleute nennen Brasilien ein ..Affenland“, und es ist viel Richtiges an der Bezeichnung. Buenos Aires war eine Stadt wie Berlin, nur daß Berlin viel hübscher ist. Auf der Ifeimreise standen viele von den Passagieren, die wir herübergebracht hatten, am Kai und bettelten um die Abfälle der Schiffsküche. In Bahia wurde ich malariakrank. Ich faiuje an zu schreiben Oktober 1924. In Hamburg kam ich zuerst ins Tro penkrankenhaus und dann nach Eppen dorf. Es gab dort auf einer Wiese ein Barackenlager aus der Kriegszeit, und in einer der Baracken waren die fieber kranken Seeleute untergebracht. Es war eigentlich eine ganz schöne Zeit, besonders als es mir besser ging. In den Nächten glommen die Zigaretten in den Betten, und ich hörte mehr gute Ge schichten in vier Wochen als sonst in i ier Jahren. Die Aerzte behandelten uns mit einer gewissen Nachsicht und einer Art Humor, wie es Seeleuten gegenüber einzig richtig ist. Ich erinnere mich, daß eines Nachts ein Gewittersturm losbrach. Unsere Baracke geriet ins Schwanken und drohte einzustürzen und die Nachbarbaracken ebenfalls. Da stürzten wir fieberkranken Seeleute im Nachthemd ins Freie und banden mit Stricken und Balken unsere Baracken kunstgerecht fest. Später lag ich tagelang in einem Heu schober, der auf dem gleichen Gelände stand. Teil kam nur noch zum Essen in die Baracke. Ich war sehr glücklich in meiner Einsamkeit im Heu und begann zu schreiben. Teil dachte nicht mehr an die Zeitung, ich dachte überhaupt an keinen Zweck beim Schreiben. Es kam sozusagen ganz von selber. Als idi fertig war und das umher liegende Papier mich ärgerte, schickte ich die Artikel über Südamerika an jene Zeitung. Ich war sehr erstaunt, als die Zeitung vier davon wirklich behielt und druckte. Nach einiger Zeit fragte ich sehr schüchtern an, ob ich nicht Geld dafür bekäme. Als die Zeitung darauf nicht antwortete, wurde ich wütend und schrieb ihr durch einen mir bekannten Anwalt. Da besann sich jene Zeitung und schickte mir fünfzig Mark. Ich finde eine Frau Frühjahr 1925 Tnnner noch etwas schwach von der Krankheit, hatte idi keine Lust, zur See zu fahren. Mein Gehirn hatte nach lan gem Schlaf zu arbeiten begonnen, ich fühlte midi verändert und wie in einer neuen' Art von Fieber. 108