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Da streckt er die Hand aus, die Hände in die Luft, nach mir, etwas will springen, Purpur schießt in die Augen — „Du —• du — die Hände —“ — da fasse ich über etwas Heißes, Klebriges — ich will schreien, reiße die Hand zurück — plötz lich weiß ich, es ist Blut, heißes, zucken des Blut, Entsetzen packt mich, ist das Traum? Zu Hilfe! Zur Tür, zum Zaun, ganz sinnlos die Pforte aufgerissen, da, ein Geräusch, flüchtende Schritte, von dem Weg weg, in die Wiese, ist das nicht Lisa? Der schiefe Hals, die dürren Glieder? Was ist das alles? Halb wahnsinnig vor Angst wieder zu rück. „Fürchte dich doch nicht, leg doch — deine Hand darauf —“ „W as ist denn, woher ist denn das — was ist denn mit dir? Und da draußen läuft Lisa, läuft in die Whesen! Bist du denn mit ihr —“ Da verzerrt ein häßliches Lachen sein Gesicht: „Lisa? Hast du’s deutlich gesehen? Doch Lisa. Sie hat es wohl gemerkt Sie haßt dich. In der Kirche — merkte sie wohl — sie ist eifersüchtig — und häß lich. Aber woher wußte sie vorher —“ „W as ist das, was hast du denn da um deinen Finger,“ schreit es nun plötzlich aus mir, „das ist ja —“ „Der Draht, der Stacheldraht, wer konnte das wissen, der war doch sonst nie da, es ist doch nicht das erstemal — ich kenne doch den W eg, ich — liebe dich doch schon so lange, und wollte dich im mer nur sehen — und habe dich immer gesehen, wenn du hier im Garten gingst, oder durch das Fenster im Zimmer. Hat sie doch wohl gemerkt und auch gewußt, daß heute nacht —. Der Stacheldraht, der ist wohl — von ihr — „Du!“ Ich mußte ihn gehen lassen, allein. Bis zu seinem Haus gebracht, gestützt, halb getragen. Ein einziges Mal den Mund be rührt, den bleichen, lächelnden Mund, dann die Nacht allein, die qualvollste Nacht, Nacht voll Angst, voll Grauen, Liebe und Verzweiflung. Am nächsten Morgen, am nächsten Tag: ich wartete, im Garten, im Haus, auf der Straße. Niemand kam. Meine Unruhe wuchs. Qual und Phantastik der Nacht ist nun Entsetzen und Angst des Tages, Traum in das Begengrau, Bild im Regen grau: immer die Hand, den spitzen Draht in der blutigen Hand. Ist er heraus? Nicht? Die weiße, schmale Hand, Hand meiner Liebe, meines Glückes — alles: ist das nun voll Gift? Aufgeschwollen, schwarz und grün? Unkenntliche Masse? Graues Stück Fleisch? Man kann es nicht mehr ertragen. Es ist alles ganz gleich. Sie sollen denken, reden, was sie wollen. Ich muß hin. Mit ihm reden. Die Hand sehen. Meine Hand, meine Hand! Vor dem Haus der alte Peters, steht und gräbt mit knorrigen Händen. Die Hacke blitzt blind im Licht, der gelbe, erdige Lehm spritzt weit im Bogen. Ich kann sein altes Gesicht nicht sehen, es ist tief zur Erde gebeugt, aber bei jedem Schlag murmelt er etw'as, bei jedem Schlag sinkt sein Gesicht tiefer. „Herr Peters — Jochen — ist Jochen et Da hebt er das Gesicht ganz langsam und schaut mich an, lange, mit ganz durchsichtigen Augen, nickt nur so ein 19 209