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STORM NIELSENS HEIMKEHR AUS DER UNTERWELT Von NIELS HOYER, Kopenhagen F ionador nennt er sich. Seit genau zwanzig Jahren. Fionador klingt spanisch, was es auch soll. Made in Argentina. Und bedeutet: der auf der Insel Fünen Geborene. Denn hinter diesem merkwürdigen Namen verbirgt sich ein aus Fünen stammender Däne, der jetzt ein hoher Vierziger ist und an die dreißig Jahre seines zerfetzten Lebens in Gefäng nissen, Zuchthäusern und in der Verbannung verbracht hat. Nicht nur in Rußland und in Frankreich gibt es die Einrichtung der Verbannung aus dem eigenen Vaterlande. Auch in Dänemark, wenigstens bis vor wenigen Jahren noch. Von keinem Märtyrer soll hier erzählt werden. Denn ein Märtyrer, das heißt, einer, dem Unrecht geschehen ist, ist dieser Storm Nielsen (also lautet sein bür gerlicher Name) nicht. Einen Besessenen müssen wir ihn nennen. Denn besessen war er seit seinen Knabenjahren, genau fest gelegt, seit seinem fünfzehnten Jahr, da er, ein wahrhaft gerissener Räuberhauptmann, an der Spitze einer Mitschülerbande sämt liche Buchhandlungen Kopenhagens ge- brandschatzt hat, Bücher stahl und vieles andere, und es zu Geld machte, um damit im Tivoli zu flanieren . . . So begann es: er nahm heimlich ein Buch mit dem Bilde der unsterb lichen dänischen Tragödin Johanne H e i b e r g vom Ladentisch, weil er sich in dieses Bild verliebt hatte . . . Und dann begann der Abstieg ins Uferlose . . . Und er, Sohn ehrenwerter Eltern, Ab kömmling gutbürgerlichen Geschlechts, un belastet von ramponiertem Blute oder de fekter Seele, bricht aus, geht unter, ver bringt das Leben in der Unterwelt, jenseits von Gut im Bösen . . . Nicht willenlos, nein, mit Willen zum Bösen. Doch nicht um des Bösen willen, sondern aus Eitel keit, ,,mit einem herostratisch wachgerufe nen Gefühl, Rekorde der Krimi nalität aufzustellen,“ Als Fünfzehnjähriger hatte er diesen Ent schluß gefaßt, damals, als er seine erste, furchtbarste Strafe, fünfzig Stock schläge im Gerichtshaus Kopenhagens, erhalten hatte. Und er hat Wort gehalten: in dänischen Landen hat kein anderer solche Rekorde der Kriminalität aufgestellt, wie dieser Storm Nielsen. Was geht das Schicksal dieses Entgleisten die Allgemein heit an, ist die Frage, die jetzt gestellt werden muß. Und die Antwort geben zusammen mit Idealisten vom Schlage der Dichterin Ka rin Michaelis und der Schriftstellerin Ingeborg Maria Sick, in Deutsch land nicht weniger bekannt als in der Hei mat dieses Entgleisten, alle d i e Männer, die von Amts wie von Berufs wegen mit diesem Entgleisten zu tun gehabt haberj,: vom Wohlfahrtsminister und vom Justiz- minister angefangen bis hin zum Seelsorger, Rechtsanwalt, Journalisten, Mediziner . . . jetzt, wo aus tiefster seelischer Not dieser Entgleiste aus dem Zuchthaus seinen Not schrei sandte: „Menschen, gebt mir, dem Verirrten seit dreißig Jahren, eine, die eine, die erste, die letzte Chance, Mitglied der bürgerlichen,