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und ein großzügiger Geber. Letzthin stiftete er dem biologischen Institut dreißig Millionen — aber das erwähne ich nur nebenbei. Als 1914 der Krieg erklärt war, stellte er der Regierung ohne Besinnen achtzig Millionen zur Verfügung. Seine Gesundheit ist leider schlecht, und wie Ludwig XIV. kann er nie ohne Fagon sein. Sie haben drei Kinder: Myriam, die Misanthropin, James-Armand, den Misan thropen, und Maurice, den Allerweltskerl, den bekanntesten und wildesten der Barone Rothschild. Maurice Rothschild ist mein Liebling. Es macht mir so viel Spaß, daß er seine große Intelligenz unter einer abwesenden, zerstreuten Miene verbirgt; er bringts sogar manchmal fertig, zu stottern und nach Worten zu suchen. Außerdem hat er es verstanden, die Neigung seiner Tante Julie zu gewinnen, die ihn zu ihrem Erben einsetzte. Die berühmte Galerie der Rue Monceau gehört ihm, deren Decke von Jules Romain gemalt wurde und die mit ihren vielen schimmernden Vitrinen an die Gallerie d’Apollon des Louvre erinnert. In vielen Ecken sind, wie man sie häufig bei den Rothschilds findet, in tiefen Polsterungen Sockel aufgestellt, die Houdons, Falconnets, Clodions tragen, und die Wände sind mit Boucher, Nattier, de Greuze, Hubert Robert geschmückt. Wahrhaftig, kein Monarch ist von solcher Pracht umgeben. Das Haus von Maurice steht allen französischen und englischen Politikern, Akademikern, schönen Frauen und sonstigen Anhängseln offen. Früher war Maurice, Momo genannt, ein ausgesprochen hübscher Junge. Jetzt ist er ein bißchen dick geworden und sieht wie ein Rajah aus. Seine Eltern schickten ihn auf eine Forschungsreise nach Abessinien, um ihn den kostspieligen Liebes- beweisen der Pariser Damenwelt zu entziehen. Dort starb er beinahe an der Ruhr und verlor seine Haare. Als ihn seine schwarzen Träger an die Küste brachten, traf er die Karawane einer äthiopischen Prinzessin. Er lud sie zu einem Antilopen braten ein und verbrachte den Abend mit ihr im Zelt. Der Arzt, dem die Sorge für sein Wohl und Wehe anvertraut war, störte das Tete-ä-Tete: „Liebes Kind, die Prinzessin ist bestimmt nicht gesund, sehen Sie sich vor, ich beschwöre Siel“ Die Prinzessin gestand auf eindringliches Befragen, daß sie früher einmal krank gewesen, aber jetzt bestimmt geheilt sei. Um den Arzt zu beruhigen, schoben sie ihm die Dienerin zu. Aber ach, das Mädchen war noch nicht geheilt, und der arme Arzt starb daran. Von den übrigen Familienmitgliedern der Rothschilds, die in Paris wohnten, muß man noch Adolphe und Nathaniel erwähnen, die Cousins der drei Brüder Alphonse, Gustave und Edmond. Als ich in Lausanne war, besuchte mich die Baronin Adolphe zuweilen auf ihrer Yacht. Sie kam mit wahren Kisten voll Trauben über den Genfer See gefahren, die sie aus ihren Gewächshäusern an den Ufern brachte. Sie hatte in Pregny eine Besitzung, und ihr Haus war ein sehr angenehmer Treffpunkt aller Welt. Ganz Europa verkehrte bei ihr. Die Kaiserin von Österreich kam immer zum Frühstück, ehe sie in Genf ermordet wurde. Die Baronin Adolphe hatte ein Aquarium mit blauen Forellen, die täglich ein Ochsen herz zur Fütterung erhielten. Nur wenige Male im Jahr blieb sie davor stehen, ohne einen Blick für diese lebenden Türkise; ihr genügte das Bewußtsein, daß sie da waren. Nathaniel hinterließ eine Witwe. Sie war schon sehr alt, als wir sie einmal in ihrem Palast besuchten, der später zum Cercle Interallie wurde. Sie klagte und 232