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III. Vom Naturtierpark in Stellingen zu erzählen, erübrigt sich. Jedermann weiß, daß dort eine Löwenschlucht ist, ein Nordlandpanorama, daß die Tiere möglichst nicht durch Gitter, sondern durch Gräben voneinander und vom Publikum abgetrennt sind, und daß das Bestreben vorherrscht, die ganze Fauna einer bestimmten Zone geschlossen und in Gemeinschaft zu zeigen. Ta, man weiß im sogenannten Publikum noch mehr, nämlich, daß die zoologischen Gärten anderer Städte zum Teil modernere Anlagen haben als der im Jahre 1907 eröffnete Stellinger Park. Man muß eben tiefer sehen, um zu erkennen, daß Stellingen einzigartig bleiben wird, auch wenn in Hannover die Löwenterrasse schöner und in Leipzig das Elefantenhaus geräumiger ist. Stellingen ist der Ausgangspunkt, die I d e e. Und nirgends herrscht so der Geist bedingungsloser Tierliebe wie hier. Man vergißt die geographische Lage Hamburgs, wenn man vor jenem Hochplateau steht, wo auf langer Trift die Großtiere der afrikanischen Steppe weiden, vom blauen Gnu, der Elenantilope bis zum Vogel Strauß. Man erlebt am verzauberten japanischen See den Tanz der hundert Flamin gos, ein bacchantisches Taumeln, Fliegen und Schwirren. Wohl kein Tierhändler rüstet heutzutage eine Südpolexpedition aus, die allein den Zweck verfolgt, einen ausgewachsenen See-Elefanten nach Europa zu bringen, wie Hagenbeck dies jüngst getan. Also lautet der Wahlspruch des Hauses: Nicht Geldverdienen ist erstes Gebot, sondern Besitz der seltensten Tiere und der am besten gepflegten! IV. Bleibt noch zu berichten, daß der alte Carl Hagenbeck neben Tierliebe und Geschäftstüchtigkeit auch Verstand genug hatte und Herz, die besten Tierpfleger und Dompteure um sich zu scharen. Deyerling, Mehrmann, Seeth, Feldmann, Sawade, List, Schilling, — sie alle sind Schüler von Carl und Wilhelm Hagenbeck, und alle sind sie dem Hause treu geblieben. So kommt es, daß in der Raubtierdressurschule in Stellingen die sechzigjährigen Herren noch heute die Tradition ihres Meisters praktisch lehren, daß Richard Sawade nach dreißigjähriger Triumphfahrt durch drei Weltteile die Leitung des Zirkus Hagenbeck ausübt und durch die Erfahrung seines langen Ar tistenlebens die Vollgültigkeit dieses „absoluten“ Zirkus garantiert. Daß Hagenbecks Schöpfungen Krieg und Inflationszeit überdauerten, ist Gewähr für die Zukunft. Und wer beispielsweise in dem knapp 24jährigen Tigerdompteur Alfred Kaden den heutigen Nachwuchs jener Altmeister be staunt, der wird sich auch bei dem Begriff „Hagenbeck“ auf die Arabesken seiner vieillesse verte freuen. *