auf Einladung dieser Vereinigung, die mehr als dreitausend Hand- und Kopf arbeiter umfaßte. Wir waren unser vier auf der Bühne: Ribemont-Dessaignes, Aragon, Breton und ich. Leo Poldes hatte den Vorsitz. Das Publikum war hier ernsthafter: es hörte uns an. Sein Mißvergnügen machte sich dutch ein sehr scharfes Geschrei bemerkbar. Raymond Duncan, der Philosoph, der im Kostüm des Sokrates in Paris herumspazierte, war mit seiner ganzen Schule da. Er über nahm unsere Verteidigung und beruhigte das Publikum. Eine Debatte entspann sich. Die besten sozialistischen Redner ließen sich auf die Rednerliste setzen und nahmen das Wort für oder gegen uns. Wir antworteten auf die Angriffe. Der Saal war wie ein Topf mit siedendem Wasser. Aragon hat über diese denk würdige Matinee eine packende Studie in den „Esprits Nouveaux“ geschrieben. Eine Woche später fand an der Volkshochschule ein Diskussionsabend über Dada statt. Eluard, Fraenkel, Dermee, Breton, Ribemont-Dessaignes, Soupault und ich nahmen mit der ganzen Wucht unseres Temperamentes an dieser von den politischen Leidenschaften erregten Sitzung teil. Alle Kundgebungen der Präsidenten erschienen in der dadaistischen Revue „Litterature“; bekanntlich gibt es 391 Präsidenten der Dadabewegung, und jedermann kann sehr leicht Präsident werden. „39 1 '* war auch der Titel einer von mehreren von uns herausgegebenen Revue . . . Im Monat März zeigte die Kundgebung im „Oeuvre“ Dada auf dem Gipfel seiner Vitalität. Man wies 1200 Personen ab. Im Zuschauerraum stritten sich je drei um je einen Platz. Es war zum Ersticken. Begeisterte Zuschauer hatten Musikinstrumente mitgebracht, um uns zu unterbrechen. Dada-Feinde warfen aus den Logen Exemplare eines soeben heräüs- gekommenen antidadaistischen Journals „Nein“, worin wir als Narren behandelt waren. Der Skandal nahm gänzlich unvorstellbare Proportionen an. Soupault proklamierte: „Ihr seid alle Idioten, ihr seid Würdig, Präsidenten der Dada-Bewegung zu sein.“ Breton las bei vollkommenster Dunkelheit mit Donnerstimme ein für das Publikum wenig schmeichelhaftes Manifest. Paul Eluard gab sogenannte „Exempel“ zum besten. Ich will eines mitteilen. Der Vorhang geht auf, zwei Personen, von denen die eine einen Brief in der Hand hat, kommen von den entgegengesetzten Seiten aufeinander zu und treffen sich in der Mitte. Folgender Dialog entspinnt sich: „Das Postamt ist gegenüber.“ „Was geht mich das an?“ „Verzeihung, ich sah den Brief in Ihrer Hand und glaubte . . .“ „Es kommt hier nicht aufs Glauben an, sondern aufs Wissen.“ Danach setzen sie ihren Weg fort, und der Vorhang fällt. Es gab sechs, untereinander sehr verschiedene „Exempel“, wobei die Mischung von Mensch lichkeit, Albernheit und Unerwartetem einen kuriosen Kontrast mit der Bru talität der anderen Nummern bildete. Gelegentlich dieser Soiree habe ich eine teuflische Maschine erfunden mit drei aufeinander folgenden und unsichtbaren Echos, um dem Publikum einige Phrasen über die Ziele des Dada einzuhämmern. Diejenigen, die am meisten Sensation machten, waren: „Dada ist gegen die Teuerung“; „Dada . . . Aktiengesellschaft für die Ausbeutung des Vokabulars“