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ein so ernstes Institut wie die Berliner Handels hochschule gar nicht existieren könnte, wenn keine Reklame für sie gemacht würde. Oder glaubt Herr Sombart vielleicht, die Schüler würden ge rade nach Berlin kommen, wenn nicht bekannt gemacht würde: „Hier lehren die Herren Jastrow, Sombart, Schaer usw.“ Es ist ferner ein Irrtum des Herrn Sombart, wenn er annimmt, daß die Reklame zur schlechten Ware verlockt, wenigstens ist dies auf die Dauer unmöglich. Dumme, die von besonders Gewitzten ausgenutzt werden, hat es stets gegeben, jeden falls aber in noch größerer Zahl zu den Zeiten, zu denen es, nach Sombart, noch keine Reklame gab. Gerade die Reklame bewirkt es, daß sich schlechte Ware nicht auf dem Markte hält, da sie das Pub likum zwingt, sich mit dem angepriesenen Gegen stand zu befassen und die Hereingefallenen zum Widerspruch reizt- Es gab einmal einen Fabri kanten, der brachte mit großem Trara ein Flecken wasser in den Handel, das — machte Flecke. Das Fleckenwasser ist sehr bald von der Bildfläche verschwunden — und der Fabrikant darf unter seinem Namen nichts mehr in den Handel brin gen. Wo sind so viele Artikel geblieben, die mit einer Riesenreklame herausgebracht wurden? Wo ist Opal? Wo ist Tropon? Wo ist Siris? Sie mußten wieder verschwinden, weil sie den Be dürfnissen des Publikums nicht entsprochen ha ben. — Trotz der großen Reklame! Die Reklame ist eine eiserne Notwendigkeit für jede Sache, die der Gunst des Publikums bedarf. Kein Fabrikant, kein Händler, kein Theater, kein Unternehmen kann sie entbehren. Es ist daher unsere Pflicht, die Erscheinungen der Reklame so annehmbar als möglich zu gestalten. Das ein zige Mittel hierzu bietet die Kunst, während wie derum dieReklameTausenden von künstlerischen Kräften lohnende Arbeit gibt. Es ist doch etwas stark, wenn Herr Sombart es eine „widerwärtige Tatsache“ nennt, daß künst lerisches Schaffen sich hat hergeben müssen, um die beste Stiefelwichse oder die stärksten Hosen träger anzupreisen. Sehr belustigend aber wirkt es, wenn Sombart behauptet, „daß arme hungernde Künstler ihr Können gegen kargen Lohn einem beliebigen Insektenpulverhändler zur Verfügung stellen müssen“. Diese Behauptung zeigt, daß er über die wirklichen Verhältnisse nicht unterrich tet ist. Wo mag er nur diese armen, hungernden Künstler gesehen haben? Ich arbeite seit vielen Jahren mit Künstlern — ich habe in dieser Zeit kaum einen Künstler zu sehen bekommen, den die Not dazu gezwungen hätte, sich für Reklame zu betätigen. Derartige gescheiterte Existenzen kann die Reklame gar nicht gebrauchen. Speziell die Plakatmalerei ist eine Kunstgattung für sich. Für die Reklame können nur Künstler tätig sein, die dem praktischen Leben so nahe stehen, daß sie die Erfordernisse der Reklame erkennen können. Mi garantiere dafür, daß so mancher Plakatmaler nicht mit dem Einkommen des Herrn Professor Sombart tauschen möchte. Um unsere „widerwär tige Tätigkeit“ abzumildern, sollen wir das Publi kum lachen machen, meint Herr Sombart. Ein paar Proben dieses Humors: Die letzten Worte großer Männer: „Spitze der Armee“, murmelte der große Napo leon in dem Augenblicke, als sein Riesengeist sich von den Fesseln des Körpers befreite. „Mehr Licht!“ seufzte Goethe. „Bekränzt mich mit Blumen!“ sagte Mirabeau. „Gebt LIerrn Deyrolle einen Stuhl!“ ließ sich Lord Chesterfield inmitten seines Todesröchelns vernehmen. „Begrabt midi“, sagt Jack Towers, „in einem Anzuge, weldier in einem Atelier von Nims- Rims & Co. gearbeitet ist, denn ich wünsche im Grabe nodi wie ein Gentleman gekleidet zu sein.“ Oder: „Unsere Tante, die Witwe X, ist gestern gestor ben. Sie hat uns nichts hinterlassen, als ihren Ruf und ein großes Lager Manufakturwaren. — Auf 6 h Leinen und 14 A Laken legte sie großen Wert, die Hemden hielt sie hoch, das war ihr Stolz. O möge man den kleinen Weg nicht scheuen, gewiß wird man es nicht bereuen.“ Oder endlich: „Hier liegt John Smith. Er erschoß sich mit einem Revolver System Colt, der auf der Stelle tötete. Die beste Waffe für diesen Zweck.“ Diese Beispiele hat Sombart aber gar nicht aus dem heutigen amerikanischen Geschäftsleben ge- sdiöpft, sondern er hat diese sehr, sehr antiquier ten Exempel in dem von mir des öfteren zitierten „Gronau, Buch der Reklame“ gefunden- Das sind aber Beispiele aus den 70er Jahren. Fleute könnte man mit derartigen Geschmacklosigkeiten auch in Amerika keinen Hund hinter dem Ofen her vorlocken. Dagegen ist echter Humor und echte Kunst im Verein das beste Mittel, die Reklame angenehmundwirksam zu machen. Trotz Sombart! „Plutus“, 4. 4. 1908. VON NEUEN ZEI I SCHRIFTEN UND GESCHÄFTLICHEN DRUCKSACHEN Die Straßenreklame der Weltstädte. London. Von C. W. Frerk. Verlag C. Barth, Wien. Wenn man die Abbildungen dieses Buches durchblättert, sagt man unwillkürlich: „Pfui Teufel, muß dieses London eine scheußliche Stadt sein!“ Das meiste, was einem hier im Bilde als Londoner Straßen reklame vorgefühjt wird, ist einfach grauenhaft, und wenn der Verfasser z. B. von der abgebildeten 78