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WALTER ROHRIG / BERLIN »Kaddisch« / Keller Rubin (LiskosFilm) ÜBER DAS WESEN DER KÜNSTLERISCHEN FILMAUSSTATTUNG VON ALBIN GRAU ✓ BERLIN u BER Ziel und Zweck der künstlerischen Film* ausstattung, ihr Verhältnis im Rahmen des filmi* sehen Gesamtkunstwerks herrschen noch immer sehr verwirrte Begriffe, und die Begründungen, falls man solche zu ersinnen überhaupt unternimmt und mit denen man die eine oder die andere Rieh* tung zu verteidigen sucht, sind in den wenigsten Fällen ernsthaft und stichhaltig. Der weitaus größte Teil der Fabrikanten bleibt, ohne für Geist und Gefühl ein tieferes Verständnis aufzubringen, in naiver Reproduktion befangen, die kaum den einfachsten Gesetzen der bildhaften Raumvorstellung genügt, in peinlich genauerNach* bildung der Natur, ihrer sogenannten »Schönheit« sich gefällt und darin letzte Vollendung erblickt. Auf der anderen Seite steht—künstlerisch ernster zu nehmen — eine Partei der Extremen, die, an* gesteckt von der oft blendenden Erscheinung des Expressionismus, in blinder Begeisterung aller Naturnähe entfliehen möchte. Beide Parteien sind für unsere Bestrebungen praktisch bedeutungslos. Den einfachen »Naturphotographen« — also den ersteren — fehlen diejenigen Elemente, die ihnen erst Gestaltung künstlerischer Begriffe ermöglichen, die anderen — so aussichtsreich ihr Verlangen nach einer epochalen Neugestaltung künstlerischer Aus* stattung auch sein mag — müssen sich doch vor Augen halten, daß für ihre Ziele das Publikum erst durch langsame Erziehung gewonnen werden kann: der Neuerungsfanatismus ä tout prix ist zweifellos verwirrend und ein Übel. Doch gehen wir auf die Sache selbst ein. Die Natur, die Dinge der Erscheinungswelt, sind für den Künstler immer ein Vorwand gewesen, um hinter sie selbst zu leuchten und so ihr eigent* liches Wesen, ihre Idee, ihren im Verhältnis zum künstlerischen Ich gewonnenen tieferen Ausdruck widerzuspiegeln. Die Realisten, unter Aufwendung ihres großen Imitationstalentes, versuchen uns einzureden, daß aus Sperrholz, Papier und Gips vermittels Farbe — »Stein, Glas und Metall« werden könne. DieExtre* men überbieten sich in Versuchen, primitiv zu sein. Der Kampf, der hier tobt, ist eigentlich auf der Kunstbühne der Theater schon längst ausgetragen. Hier haben zielbewußte Künstler gezeigt, wie man von der reinen Illusionsdekoration der Wagner* sehen Epoche zu einer freieren und dem Geist der Szene angepaßten Ausstattung, gelangen kann, ohne sofort in die Ungereimtheiten des entgegen* gesetzten Lagers zu verfallen. Das Theater hat diese Zeit des ziellosen Experimentierens längst hinter 24