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jHadame Jlniomas clciblissemeni III Ceyla Georgie INHALTSANGABE DES ZWEITEN TEILES: Madame Antonia kam auf nicht alltägliche Weise zu ihrem Etablissement. Bislang eine ehrbare Bürgers frau und Kriegerwitwe, beschließt sie, ihrer Heimat den Rücken zu kehren und sich in irgendeinem ruhi gen Winkel Deutschlands ein kleines Geschäft aufzu machen. Im Zuge lernt sie in der Gestalt Poldis eine zweifelhafte Existenz kennen. Dieser macht ihr den Vorschlag, ein gut eingeführtes Etablissement, dessen Besitzerin sich zur Ruhe setzt, käuflich zu erwerben. Der Handel kommt zustande und erweist sich für beide Teile als günstig. Einige schöne Mädchen sind Madames Pensio närinnen. Jede unserer Fortsetzungen wird die Ge schichte eines dieser Mädchen bringen. Wir beginnen mit Natascha, der melancholischen Russin, deren Leben ein düsteres Geheimnis verdunkelt; die rot haarige Esther ist eine Jüdin aus Palästina, die Spinoza und Heine liest; Hahlihla, eine blutjunge, leidenschaftliche Marokkanerin; Frankie der Typ der gerissenen, geldgierigen Amerikanerin; Fatima, eine rundliche, mandeläugige Ägypterin; Paulette, ein Pariser Großstadtpflänzchen; Lotte, eine Deutsche, der Liebling Madame Antonias; Raquel, eine spani sche Schöne, an der Nataschas Bruder, ein Chauffeur fürstlichen Geblüts, Gefallen findet, und Zsofia, die „Neue“, eine gänzlich unverdorbene, bildschöne Un garin, vom ersten Augenblick an Nataschas Schütz ling. Ihr vertraut Natascha in stiller Nacht die Ge schichte ihres Lebens an. III. Natascha. Das Schloß der Yogoumiroffs lag in Zarskoje Selo, ganz in der Nähe der Sommerresidenz des Zaren. Hier verlebte Natascha mit ihren jüngeren Ge schwistern, einer Schwester und einem Bruder, eine glückliche Kindheit. Prinz Yogoumiroff hatte sich mit Leib und Seele dem rauschenden, aber aufreibenden Hofleben in St. Petersburg verschrieben und ließ Frau und Kinder auf dem Lande, um ungehindert Herr über seine Zeit zu sein. Prinz Yogoumiroff war Grandseigneur. Er war groß zügig und gab gern und mit vollen Händen. Es war bei ihm keine Seltenheit, irgendeine der tempera mentvollen französischen Schauspielerinnen des Michel-Theaters mit einer brillantbesetzten Armband uhr zu überraschen, ohne daß diese den generösen Spender überhaupt je zu Gesicht bekommen hatte. Seine Erscheinung war groß und stattlich. Ein tief schwarzer Voilbart umrahmte sein ungewöhnlich bleiches Gesicht und bildete eine wirksame Folie zu seinen wundervollen nachtdunklen Augen, die feurig aufblitzten, wenn er sich an irgend etwas begeisterte. Er hing in inbrünstiger Liebe an seiner Frau, der sanften und harmonischen Tatjana. Da die Landsitze ihrer Eltern benachbart waren, kannten sie sich von klein auf und hatten jung geheiratet. Die zärtlichste Jugendliebe verband sie miteinander. Man brauchte eigentlich nur die aus ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder zu betrachten, um von ihrer großen Liebe überzeugt zu sein. Tatjana hatte ihrem Gatten drei Kinder geboren und somit nie eine rechte Chance gehabt, sich gesell schaftlichen Vergnügungen hinzugeben. Kurz nach ihrem Debüt am Zarenhofe mußte sie sich bereits wieder in ihre Häuslichkeit zurückziehen, da sie ihr erstes Baby erwartete. Es war Natascha. Ziemlich schnell darauf folgte das zweite, Maria Ivanovna, und nach weiteren zwei Jährchen Dimitri. So kam es, daß ihr Mann allein alle die großen Hoffestlich keiten besuchte. Im Gegensatz zu ihm lebte sie in gänzlicher häuslicher Zurückgezogenheit. Wie dann die Kinder mit der Zeit größer wurden und sie die Möglichkeit gehabt hätte, an gesellschaftlichen Ver anstaltungen teilzunehmen, hatte sie sich bereits so daran gewöhnt, mit der französischen Gesell schafterin zu Hause zu sitzen und sich an dem Froh sinn ihrer kleinen Schar zu erfreuen, daß sie nicht mehr das geringste Verlangen spürte, sich den Kopf über Gesellschaftstoiletten zu zerbrechen oder Men schen, die sie kaum kannte, bei sich zu empfangen. Prinz Yogoumiroff war es inzwischen zur Gewohn heit geworden, allein auszugehen. Wie schön war es, wenn er ganz nach Belieben in sein friedliches Heim zurückkehren konnte und das Licht im Schlafzimmer seiner Frau noch brannte. Die Gesellschafterin hatte sich dann längst zurückgezogen, und nur Tatjana, sein Herzblatt, hatte die Sehnsucht nach ihm in ihrem Riesenbett noch nicht zur Ruhe kommen lassen. Ihr liebliches Lockenköpfchen verschwand fast in den vielen duftigen Spitzenkissen. Beinahe als ob er ihr einen kleinen freudigen Schreck einjagen wollte, näherte er sich ihr dann auf Zehenspitzen, um urplötzlich ihre zarte weiße Schulter mit seinem schwarzen Bart zu streifen und ihr einen schallenden Kuß zu geben. Er konnte sie jedoch kaum über raschen, denn sie fühlte instinktiv seine geliebte Gegenwart. Ihre großen blauen Augensterne strahlten ihn dann innig und hingebungsvoll an. Er war immer und ewig für sie ihr Herr und Meister, und alles, was er auch tun mochte, war in ihren Augen wohlgetan. Er kannte ihre schrankenlose Liebe zu ihm und schätzte sie wie ein kostbares Kleinod. Sie hüllte ihn weich und zärtlich ein. Nichtsdestoweniger ließ er sich mitunter aber auch von scharmanten kleinen