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50 Das Interview N ovellette von A4 i c h a e l AA, w i clc Äm Portal des Hotels „Rodrigo“ hielt ein elegantes Auto, aus ihm sprang ein „ großer Herr mit braungebranntem, energischem Gesicht und war mit zwei Riesenschritten neben dem Portier. „Wohnt in Ihrem Hotel Mrs. Irene Brandt?“ „Jawohl, mein Herr, aber...“ „Kein Aber, ich bin der Reporter der Zeitung ,Time is money“, und ich kenne keine Hemmungen.“ Vor der Tür des Appartements Irene Brandts warteten schon ungeduldig einige nervöse, junge Leute mit Notizbüchern in den Händen. Der soeben Angekommene klopfte energisch an die Tür. „Aber gestatten Sie“, schalten einige unzufriedene Stimmen, „wie sind ja früher da gewesen!“ „Ich gestatte nichts“, rief der Reporter der „Time is money“, und schon reichte er der schönen Zofe mit der weißen Haube, welche die Tür erstaunt öffnete, seine Visitenkarte. „Sofort abgeben. Sehr eilig!“ und für alle Fälle stellte er schon einen Fuß auf die Schwelle. Hinter seinem breiten Rücken wuchs die Unzufriedenheit von einem leisen Murren zum lauten Protest. „Mrs. Brandt läßt bitten“, sagte nach einer Weile die Zofe. Der Willkommene trat ein und schloß die Tür hinter sich. „Mrs. Brandt“, begann er, nachdem er galant die Hand der schönen Irene geküßt hatte, „ich bin nicht gewohnt, Zeit zu verlieren, ich brauche von Ihnen ein ausführ liches Interview, und Sie werden sich überzeugen, daß gerade dieses Interview für Ihre weitere Karriere von besonderer Bedeutung sein wird. — Ihr gestriger Erfolg in der Operette ,Narkose der Liebe“ hat ganz New York auf den Kopf gestellt. Diesem Siege muß man einen guten Schlußakkord geben, und Ihre Karriere ist gesichert. Er ließ sich in einem Sessel nieder und holte ein in Leder gebundenes Notizbuch aus der Tasche. Solange er seine Vorbereitungen traf, beobachtete ihn Irene. Sie war ganz ent zückt von der Ungezwungenheit seiner Manieren, der Eleganz seines Anzuges, der geschmackvollen Farbe seiner Krawatte und überhaupt von seiner ganzen Gestalt. „Also, wann sind Sie geboren? Mrs. Brandt, mir können Sie die volle Wahrheit sagen. Ich bin genügend Gentleman, um von Ihrem Alter einige Jährchen zu kürzen, wenn ich es notwendig halten werde“, fügte er mit einem galanten Lächeln hinzu. Irene Brandt lachte herzlich; der Frechdachs war direkt entzückend. „ Ich bin 25 Jahre alt, auch auf dem Geburtsschein“, sagte sie lachend. „Sehr gut“, murmelte er. „Wo geboren?“ „In Deutschland, im Rheinland.“ „Sehr gut.“ Er machte sich Notizen in seinem Buch. „Verheiratet?“ „Nein.“