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DIE GEISTERMASCHINE VON EVA LEIDMANN Eine Epoche machende Erfindung! Vorbei ist’s mit Tischrücken und Geisterklopfen. Nein, nicht vorbei. Im Gegenteil, die neukonstruierte Maschine, eines Amerikaners natürlich, wirft alles bisher Gewesene geradezu über den Haufen. Man stellt den kleinen handlichen Apparat auf den Tisch, denkt an den zu beschwörenden Geist, und wenn selbsttätig weißes Licht einschaltet, ist er oder sie da. Hat der Geist genug, schaltet, wieder selbsttätig, grünes Licht um, und die Audienz i st zu End e. Übrigens erscheint das grüne Licht auch dann, wenn dem Geist oder der Geistin die Fragen zu brenzlig werden. Ich habe sehr hübsche Resultate mit „Geistio“, so heißt der Apparat, erzielt und will Sie Ihnen nicht vorenthalten. J Druck. Intensiver Gedanke an Fräulein Ninon de Lenclos. Weißes Licht. „Wie geht es Ihnen, unsterbliche Ninon ?“ „Danke. Ein wenig langweilig ist es bei unseren letzten Empfängen. Etwas älter bin ich auch geworden. Leider auch mein Urenkel, der sich erdolchte, als ich in der Blüte meiner achtziger Jahre war. — Schade.“ „Wie gefällt Ihnen unser Jahrhundert ?“ „Man hat es den Frauen sehr leicht gemacht, finde ich. Sie erreichen durch kurze Röckchen und Seidenstrümpfe dasselbe, was wir uns mühsam durch Geist und Intrigen erwerben mußten.“ ’ „Sind sie gegen die kurze Mode ?“ „Meine Beine wären nicht schlank genug. Wir Frauen gehen immer nur von uns aus. Aber die Bilder in der letzten Rowohlt-Ausgabe finde ich grauenhaft. So alt und vollbusig; gar nicht mehr nach dem Geschmack der heutigen Männer, die mir übrigens zuviel Sport treiben. Dieses fort währende Training schadet den Verrücktheiten des Herzens. — Adjö, ich muß zum Rendezvous — rein geistiger Art, meine Liebe.“ Grünes Licht. Denken. Weißes Licht. „Hier Delila Simson.“ Fräulein Delila hat eine kleine, pipsige Stimme. Ich hatte sie mir in meiner Phantasie immer walkürlich vorgestellt.' „Frau Simson, bitte. Simson und ich sind schon lange glücklich verheiratet. Sie möchten gern wissen, wie die Geschichte mit dem Haarabschneiden eigentlich war f — Mein Mann und ich hatten keine Ahnung, daß in seinem langen, zottigen Haar eine besondere Kraft stecken sollte. Ich schloß, ganz ehrlich gesagt, auf ganz andere Dinge. Deshalb schnitt ich ihm die Mähne ab. Berühmt gemacht haben uns die Maler und Dichter. Ich hatte schon in meiner frühesten Jugend Neigung zur Frisöse; aber meine Eltern hätten es nie zugegeben.“ Grünes Licht. Denken. Weißes Licht. „Wer hat mich gerufen ? — Hailoh! Hier ist Thusneldchen, des Cheruskers Gattin.“ „Frau Thusnelda, erlaubt mir die Frage: Würdet Ihr auch heute noch einer Locke willen den schönen Römer einer Bärin überlassen ?“ „Man ist dumm und unbesonnen in der Jugend. Doch rachsüchtig bin ich immer noch. Ich kann es nicht leiden, wenn ein Mann indiskret ist.“