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UMGANG VON | MITAUTOREN | O t> Der Dichter ist verdammt, zu leiden. Auf dem Land stört ihn die Natur in Gestalt von Bauern Mist und Mücken. I.ebt er in der Stadt, da peinigt ihn der Leser. Der Leser persönlich. ’ Hier sollen dem Ungebildeten eine Reihe von Weisungen gegeben werden, wie man mit Dichtern zu verkehren hat. Wer sie befolgt, wird in gebundener und ungebundener Rede als angenehmster Zeitgenosse gepriesen werden. V enn wir durch unverdiente Götterhuld einen Autor kennengelernt haben, genügt es nicht ihm zu versichern, man habe sein neuestes Werk gelesen. Das hält er für selbstverständlich, und das Gegenteil würde ihn nur mit Mitleid erfüllen. Man muß ihm sagen, man habe sein Buch schon viermal gelesen und gedenke demnächst einige Wochen Urlaub zu nehmen — zu einer Seelenkur an der Quelle jenes Buches. Man spreche immer nur von einem Werk und einem Buch. Nennt man den Titel, so ist hundert gegen eins zu wetten, daß man ihn falsch nennt. Nach diesen einleitenden Floskeln wird der Dichter, wenn er auch nur einen Deut von sich hält, mit todesmüder Geste abwinken, lächeln und unsre Worte als die ihm gebührende Tagesration an Lob einstreichen. Schon glaubt man, genug getan zu haben. Weit gefehlt. Nun heißt es, das Examen bestehen. Der Dichter hat sich mittlerweile an eine Dame gewendet — nur um in uns keinen Hochmut aufkommen zu lassen. „Was ist mir ein Leser ?“ will er uns mit seinem Benehmen sagen. „Einer unter Millionen. Täglich begegne ich Hunderten. Keiner wird mir zum Ereignis.“ Und doch — und doch — mit allen Gedanken ist er bei uns. Er fängt plötzlich träumerisch zu lächeln an mit einem Blick ins Leere — und schon ist er "wieder da. „Nicht wahr, Herr. . .“ „. . .Rekkheimer,“ ergänzen wir hilfreich. „Herr Rekkheimer, Sie waren’s doch, der vorhin von meinen „Herbststürmen“ gesprochen hat ?“ Man darf sich eine Antwort ruhig sparen, der Dichter wird von selbst fortsetzen. Und richtig, er setzt fort: ,,-”U. n sonderbarer Zufall W T’ daß U 1 eben he ute auf Umwegen einen Brief aus Jamaika bekam. lelleicht habe ich ihn bei mir. (Der Dichter zieht nach einigem Suchen einen zerschlissenen Bogen rcTN’ < T r se«: Jahren m der rechten Rocktasche trägt.) — Da ist er ja! Von einem Leser. — (Süffisantes Lächeln.) — Der Gouverneur dort. Natürlich wieder so ’ne Autogrammbettelei. Aber hinterher kommt eine Bemerkung, die mich sehr interessiert hat. Mmm . . . (Der Dichter überfliegt murmelnd den Text. Auch wenn er ihn noch nicht oft gelesen hätte, müßte er ihn kennen, denn er hat ihn selbst verfaßt.) — Hier, Herr Rekkheimer, hören Sie, was man mir schreibt: , . . . und warum lassen Sie Ihre Agathe, nachdem sie den Offizier zurückgewiesen hat, zu Hans gehen ? Daß sie, Hochverehrter, der subtilste Kenner der weiblichen Seele, Agathens Schritte aus schwer wiegenden Gründen zu Hans gelenkt haben, ist mir ohne weiteres klar. Doch erläutern Sie Ihre Grunde einem Verehrer, der Ihnen in diese Tiefen der Erkenntnis nicht mehr folgen kann.“ — e en ie ( er ichter zeigt uns die Unterschrift), das schreibt mir der Gouverneur von Jamaika Aun, sagen Sie mal, Herr. . J . .Rekkheimer.“ ”fcl^ errRekk o heimer ~ es interessie rt mich rein als Dokument zur Psychologie des Lesers (GacneJn), wissen Sie, warum. .“ falU S ihm r mir TtT" 'wm an Pflichtgefühl, den Dichter jetzt ausreden zu lassen. Man falle ihm mit leidenschaftlicher Ungeduld ins Wort — etwa so: iTTAii^ £1St “ ! , Ich .V, Ihre G. ründe nicht verstehen ? Grade diesen Weg Agathens zu Hans habe ich von eher a s herrlichste Feinheit Ihres Gedankengangs empfunden.“ „Empfunden“ klingt besser als „geschätzt“. Von nun an sind wir geborgen. Der Dichter ist von unsern Qualitäten felsenfest überzeugt. Er redet nun allem, wir brauchen nur mehr hie und da zu nicken. Und wenn wir’s auch an falscher Stelle tun - er merkt s nicht mehr. (Fortsetzung auf Seite 66) 2