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geben hatte“, ging er leise, Ade, er gekom men, wieder fort. Als Beethoven später an Francesco die ihm während finanzieller Schwierigkeiten zur Verfügung gestellte Summe zurückgeben wollte, wehrte ihm Francesco mit den vornehmen Worten, er möge ihm nicht „die größte Freude seines Lebens nehmen: einem Genius geholfen zu haben.“ Durch die Übersiedlung des Bren- tanoschen Paares nach Frankfurt a. M. ent stand Beethoven ein nicht zu verschmerzen der Verlust. Noch ein Großer der Großen war in Freundschaft Frau Toni ergeben: Goeth.e ! Dort, wo im Winkel im Rheingau, am Fuß des Johannisberges, der berühmte Winkler Hasensprung wuchst, lag und liegt das Sommerhaus der Brentanos, in dem Goethe zweimal längere Zeit einkehrte. Etwa 30 Briefe geben Zeugnis von seiner Freund schaft für Toni Brentano. Zu den markan testen Kindheitserinnerungen Schillings ge hört es, daß in einem Zimmer dieses „Wink ler-Hauses“ die Kinder nur leise sprechen durften, denn hier hing ein Farbendruck der dortigen Landschaft, den ein Vierzeiler in Goethes Handschrift zierte. Der Schmerz um den Tod der hochkünstlerisch veranlagten Mutter gab Veranlassung zu Schillings erster größerer Orchesterkomposition, die auch aufgeführt wurde, wobei er zum ersten Male den Taktstock führte. Seine Hände sind ein Bild dieses von künstlerischen Interessen, von frühester Kindheit an mit Musik durchwobenen Lebens. Vergeistigte Künstlerhände mit den ausdrucksvollsten Außenlinien, mit präg nantem Daumen, mit Fingerspitzen und Fin gernägeln, in deren Form die geistige Pro duktion deutlich betont ist. Sie zeigen aber auch den starken, unbeeinflußbaren und zu verlässigen Menschen, wie auch in einigen Innenlinicn die unerhörte Unruhe dieses von Kämpfen aller Art durchpulsten Künstler lebens. ln ihrer ganzen Form geben die Hände die durch Abstammung bedingte glückliche Mischung in Schillings’ Persön lichkeit wieder, zu der der Vater — Natur freund, Landwirt und Politiker — „des Lebens ernstes Führen“ beisteuerte, während von der mütterlichen Seite der überragende künstlerische Einfluß sich geltend macht. £3engt £3erg Also, Sie wollen über meine Pfoten /1 schreiben. Ich fürchte, gnädige Frau, _/jidie sind zu sehr Expeditionshände und Arbeitshände, um von einer so scharmanten trau untersucht zu werden.“ So empfing mich der berühmte Forscher in liebenswürdi ger Weise in der Halle des Hotels. Sehr groß, elegant, schlank, ein Lächeln in den Augen, stand Bengt Berg vor mir, und ich hatte sofort den Eindruck eines unbeschwer ten Sonnenmenschen. Wir setzten uns, und während ich seine Hand hielt und sie eingehend betrachtete, er zählte er mir auf meine Frage, wie er zu seiner Passion, seiner Lebensaufgabe gekom men sei, in kurzen Zügen: „Ich habe die Pas sion von früheren Generationen ererbt. Mein Großvater väterlicherseits, der sich bei Dennewitz schlug, war ein leidenschaftlicher Weidmann, wie mein Vater auch. Mein an derer Großvater fungierte als Hofprediger beim schwedischen König und war gleich zeitig Herausgeber einer der ersten Zeitun gen in Schweden. Er predigte frei aus dem Impuls, ohne alle Papiere. Mein Vater wie der war ein passionierter Blumenzüchter und Vogelfreund, der übrigens mit seinen Freun den über das alltägliche Leben — z. B. über I leisehknödel und Kachelöfen — lateinisch zu sprechen pflegte. Er hat mir die Liebe zur Vogelwelt schon in meinen ersten Lebensjahren eingeimpft.“ Ich betrachtete noch immer diese Hand, die in der meinen ruhte. Ihre Form, ihre Linien harmonierten mit dem, was Bengt Berg sagte, mit dem Eindruck, den ich durch sein Sprechen erhalten hatte. Diese Hand — breit, kräftig, von einer derben Männlichkeit, mit etwas kurzen, starken Fingern, mit rund lichen Nägeln — war die Hand des geistig Produktiven, des Denkers, des Künstlers. Eine Kraftnatur ist dieser lebensstarke Mann, gesund, ungekünstelt und voller Humor, von außerordentlicher Vitalität und geistiger Vielseitigkeit, ein Mensch mit starkem Innen leben, bei dem sich seelische Tiefe mit einer großen Daseinsfreudigkeit vereint! Zähe, geradeaus, geboren zum Organisieren, hart, 356