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Unsere ersteKunstfliegerin hat auffallend zarte, kleine Frauenhände, die eher auf eine künst lerische Betätigung hin deuten ^/^asche Thea Rasche und Ernst Udet auf dem Tempelhofer Feld in Berlin Phot. Sclierl / m Hotel empfängt mich, unsere bekann teste deutsche Fliegerin, die mir erzählt, daß sie mit 15 Jahren ihren ersten Passa gierflug gemacht und seitdem „die große Sehnsucht“ nicht mehr aus ihrem Herzen bannen konnte! Sie ließ sich — gegen den Willen ihres Vaters — heimlich auf einem Flugzeugwerk ausbilden. Ihr Talent zeigte sich in der Lehrzeit, die sie in Münster und Hamburg absolvierte. Als Schülerin von Paul Bäumer machte sie im Januar 1925 ihren ersten Alleinflug, bestand im Mai ihr Examen. 1926 flog sie mit Bäumer über ganz Deutschland, nachdem sie ihrem Vater zuliebe auch noch zwischendurch Musik und Landwirtschaft studiert hatte. Thea Hasche ist unsere erste Nachkriegs- fliegerin, die erste Kunstfliegerin. Bei dem Großflugtag im September 1926 flog sie als einzige Frau gegen 38 Männer. Endlich hatte sie den Widerstand ihres Vaters be siegt, der ihr, als sie wenige Stunden vor der standesamtlichen Trauung zurücktrat, „da ihre einzige Liebe doch die Fliegerei war“, auch ihr erstes Flugzeug schenkte. 1927 bekam sie im Wettbewerb gegen amerika nische Armee- und Marineflieger den 1. Preis im Kunstflug. Ihr größter Wunsch, nach Amerika zu kommen, erfüllte sich. Beim Air-Derby, das durch ganz Amerika und durch die bösesten Gegenden der Rocky Mountains führte, erhielt sie den 1., 2. und 4. Preis. Sie preist die unerhörte Kamerad schaft „dort drüben“, besonders die neidlose Anteilnahme der weiblichen Kollegen, die die deutsche als die erfahrenste und beste Fliegerin anerkannten. Erstaunlich sind ihre Hände. Denn die Frau, die kühn ihr Flugzeug durch Sturm und Wetter steuert, besitzt auffallend kleine, zarte Frauenhände, denen man kein Kraft stück zutraut. Die konische Form von Handfläche und Finger läßt auf einen pro duktiven Menschen mit künstlerischem Ein schlag schließen. Das „flying-Fräulein“, wie man sie in Amerika ehrend nannte, hat den schlagenden Beweis erbracht, daß die Fliegerei ihre „einzige Liebe“ ist und daß ihre „ewige Sehnsucht“ in den „höchsten Regionen“ liegt. 351