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67 Bei d en SM avenKändlern .Arabiens Von Captain Harry Wilkinson Sektionskommandant der englischen Küstenwache im Roten Meer Uber die Küsten Arabiens allein werden trotz aller Verbote und Überwachungs maßnahmen noch immer alljährlich etwa fünfzigtausend Menschen der Sklaverei zugeführt, und die bisher bewiesene Unfähigkeit, diesem unwürdigen Zustand ein Ende zu bereiten, ist wohl das beschämendste Zeugnis, das unserer Zeit ausgestellt werden kann. Vielleicht werden sich die Vorschläge des Völkerbundes, der die Ab schaffung des Sklavenhandels auf sein Programm gesetzt hat, im Laufe der Jahre günstig auswirken; aber wer die Einstellung der Orientalen zu dieser Frage aus eigener Erfahrung kennt, wird einen durchgreifenden Erfolg wenigstens in absehbarer Zeit bezweifeln müssen. Zwar haben die Herrscher über die am" Sklavenhandel be teiligten Länder durchweg ihre Bereitwilligkeit, den Kampf gegen den Schacher mit Menschenleben tatkräftigst zu unterstützen, zum Ausdruck gebracht. Aber ihre Macht gegenüber den verschiedenen einflußreichen Stammeshäuptlingen ist meistens nicht stark genug, um ihren Anordnungen entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Dazu kommt schließlich noch, daß die Gewohnheit uralter Überlieferungen nur schwer zu brechen ist; der Mohammedaner, dem der Koran die Sklaverei nicht nur gestattet, sondern sogar empfiehlt, zeigt nur wenig Verständnis für den Abscheu, den die Kulturländer den Sitten seiner Väter entgegenbringen und sieht lieber sich selbst und seine Nächsten leiden als die Forderung nach Abschaffung des Menschen handels Raum gewinnen. Am ergiebigsten ist die Jagd auf geeignetes Menschenmaterial noch immer in den Hochländern Abessiniens, wo beispielsweise die Stämme der Sidamos, Chaukallas und Oulamos, die an der Grenze des Sudans leben, seit Jahrhunderten nicht nur einen großen Teil ihrer eigenen Völker in die Sklaverei verkauft, sondern auf ihren aus gedehnten Raubzügen unzählige Mitglieder anderer Stämme mit sich fortgeführt haben. Die dabei angewendeten Methoden sind den Umständen entsprechend ganz verschieden. Bei kleineren Expeditionen begnügt man sich meistens damit, einzelne halbwüchsige Burschen und Mädchen einzufangen, die auf den Bergen die Ziegen und Kühe weiden; mit unglaublicher Geschwindigkeit werden die Unglücklichen mit starken Riemen aus Tierhaut an Armen und Beinen wie ein Bündel verschnürt und zu zweit oder dritt auf den zu diesem Zweck mitgeführten Packpferden fest gebunden. Ist die Ausbeute auf diese Weise nicht befriedigend, so werden mit ent sprechend vergrößerter Macht auch Überfälle auf ganze Ortschaften ausgeführt, bei denen die jüngeren, arbeitsfähigen Personen gefangen genommen, die wertlosen älteren und kranken Einwohner kurzerhand niedergemacht werden. Mit Stricken zu vier oder fünf zusammengebunden, werden die Geraubten zwischen den Pferden wie ein Rudel Vieh hergetrieben; unbarmherzig saust die Peitsche, sobald einer der Sklaven Ermüdung zeigt, und ein schneller Säbelhieb endet die Leiden, wenn einer der Unglücklichen unter den Strapazen des Transports zusammenbricht! Aber in den weitaus meisten Fällen ist die Anwendung von Gewalt überhaupt un nötig. Kann oder will einer der Dorfhäuptlinge die Steuern und Abgaben, die ihm die Behörden der Hauptstadt auferlegt haben, nicht bezahlen, so bleibt als Ausweg noch immer die Ablieferung von einigen Dutzenden seiner Untertanen an den stets bereiten Sklavenhändler, der dafür die benötigte Summe an die Staatskasse entrichtet. Das Vorgehen ist dabei unbeschwert von irgendwelcher Rücksichtnahme oder Gerechtig keit. Das Stammesoberhaupt wählt die zu verkaufenden Bewohner seines Dorfes nach eigenem Gutdünken aus; hat sich einer der Einwohner aus irgendeinem Grunde mißliebig gemacht oder gar etwa Unzufriedenheit mit der Herrschaft des Häupt lings gezeigt, so verschwindet er sicher beim nächsten Besuch des Sklavenhändlers auf Nimmerwiedersehen. Diese einfache Methode,beginnenden Wideistand zu brechen, macht dabei oft vor der eigenen Familie des örtlichen Herrschers nicht halt; erregt ein Bruder oder ein Sohn des Häuptlings den Verdacht, daß er etwa selbst nach der Macht über den Stamm strebt, so wird er mit Sicherheit das erste Verkaufsobjekt bilden, das der Sklavenhändler ohne viele Umstände an sich bringen kann!