Volltext Seite (XML)
Gemixt von Dr. Martin Maske Der jüngste Modetanz wurde zuerst in Berlin populär. Und doch kennt der Berliner kein ausgelassenes Ballfesttreiben, sondern seine Bälle sind Schablone und wenn man einen besucht hat, kennt man sie alle. Man geht bei uns zum Ball, um zu sehen — und die Prominenten gehen dorthin, um gesehen zu werden; und wenn die Schaulust und die Tanzlust gleichermaßen befriedigt werden, ist für Berliner Begriffe die Aufgabe eines Ballfestes erfüllt. Die Loslösung von aller Erden schwere, wie sie ein rheinischer Karneval mit sich bringt, die beschwingte Lustig keit natürlichen Frohsinns der südlichen Länderist uns unbekannt. Der Unterschied lautet in einem Satz zusammengefaßt: der Berliner sagt nach jedem Ball: „Nun habe ick die Neese pläng, det war der letzte“, und die Leute hinter der Mainlinie sagen: „Im nächsten Jahr könnte es noch lustiger sein!“ Die Berliner Bälle sind Unternehmungen, der Karneval in den außerpreußischen Ländern Europas ist Volksfest. Ein Berliner Ball ist meistens ein Betrieb, bei dem die Leute mehr Geld ausgeben sollen als sie möchten. Das ist sehr bedauerlich, denn der Berliner verdiente es wirklich, daß er sich einmal so amüsieren kann, wie es im Grunde seines durchaus heiteren Gemütes möglich ist. Am meisten hindert ihn jedoch die Berlinerin daran. Wenn sich ein Gatte oder Freund endlich zu dem Ent schluß durchgerungen hat, einen Ball zu besuchen, dann fährt ihm die Gattin oder Freundin ziemlich anspruchsvoll in die Parade und behauptet plötzlich, sie hätte nichts anzuziehen, selbst nicht das Wenige, das zu einem Ballfest notwendig ist. An den Bekleidungsforderungen der Damen scheitert mancher Ballbesuch, obwohl die großen Modesalons in den meisten Fällen sehr bereitwillig Kredite einräumen. Von Strassner bis zur kleinen Schneiderin herab ist man bereit, Kredite zu gewähren. Trotzdem werden die meisten Wünsche vieler Frauen nicht erfüllt, denn sehr viele Männer sind auch dazu nicht in der Lage. Viele Frauen gehen heimlich zur Schnei, derin, in der Hoffnung, den Kredit doch früher oder später auf irgendeine Weise ab decken zu können. Und das ist dann der Anfang vom Ende dieser Geschäftsverbin dung, denn die Bezahlung wird zum Zankapfel, weil die Kundin nicht zahlen kann und der Modesalon mit Enthüllungen an den Gatten droht. Diese Kreditgeberei ist erstens der Grund, weswegen man noch immer sehr viele schöne Frauen in Berlin sehr gut angezogen sieht, zweitens, weswegen so viele Mode salons ihre Zahlungen eingestellt haben, nachdem ihre Kundinnen das geraume Zeit vorher taten. Da wir gerade bei der Mode sind: Wissen Sie auch, daß Wien als neueste Kreation den gitterartig durchbrochenen Abendhandschuh aus rosa Sämischleder, der in einer festen Stulpe endet, lanciert? Das wird sich zu Sommerkleidern besonders hübsch ausnehmen. So werden die schönen Frauen, ob sie nun wollen oder nicht, immer wieder ver führt. Hoffentlich nicht nur von modischen Spielereien und darauf — einen Cocktail!