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von Richard Lehmann mehr. Berühmt wurde übrigens das Mittelalter und die neuere Zeit durch die geheimnis vollen Automaten, die von geistreichen Köpfen immer wie der konstruiert wurden. Vom Bischof von Regensburg, Alber tus Magnus, wird erzählt, daß er einen Menschen baute, der für echt gehalten wurde, der Türen öffnete und die Gäste be grüßte. Berühmt wurde im acht- zehnten Jahrhundert der Fran- zose Pierre Jacques Troz und sein Landsmann, der Me chaniker Vaucanson. Derkon- struierte auch eine Ente, die fraß und auf ordnungsgemäßem Wege verdaute. Historische Be deutung hat der Schachauto mat Wolfgang von Kem pelens, eines Ungarn, erlangt, den wir nach einer alten Ab bildung zeigen können. Ver schiedene Türen wurden nach einander geöffnet und zeigten ein kompliziertes Räderwerk, das umständlich aufgezogen wurde, das aber tat sächlich nur dazu diente, einem Zwerge Gelegenheit zum Verstecken zu geben. Die ser Zwerg war ein glänzender Schachspieler und beobachtete und leitete durch ge heime Oeffnungen den Lauf der Schachpartien. Der Apparat hat gegen ge krönte Häupter, wie Napoleon, Katharina von Rußland und Eugen Beauharnais ge spielt und gewonnen. Katharina wollte ihn sogar kaufen, aber seinem Besitzer wurde die Sache zu brenzlich und er verschwand kurz vorher aus Petersburg. Andere Schach spieler haben tatsächlich ihr Geld für das Geheimnis geopfert, das keines war. Das heraufsteigende Jahrhundert der Technik mußte sich auch in seinen Aus wirkungen auf die Zauberkunst bemerkbar machen. Einer der bedeutendsten Köpfe des vorigen Jahrhunderts auf dem Gebiete der Zauberei war B o s c o. Er ist der Vater und Schöpfer einer ganz neuen Richtung der Taschenspielerei. Hunderte von geistreichen Apparaten wurden von ihm konstruiert: Kästen mit geheimen Böden und Versen kungen und doppelten Fächern sind wohl zuerst von Bosco hergestellt worden. Die zeitgenössischen Berichte sind erfüllt von Wolfgang von Kempelens Schachautomat, der Napoleon besiegte maßlosem Staunen über die Wunderwelt, die Bosco vor seinen Zuschauern aus dem „Nichts“ erstehen ließ — wobei zu bemer ken ist, daß das „Nichts“ des Zauberers eben nur für den naiven Beobachter tatsächlich ein Nichts ist. Wie Bosco zauberte, zeigt eine Abbildung auf Seite 67 A Auf dem Tische steht rechts ein schwarzer Holzkasten, der vollständig leer gezeigt wird. Alles, was außerdem auf dem Tische aufgebaut ist, wurde nach und nach aus diesem „leeren" Kasten, der inzwischen immer wieder leer vorgezeigt wird, herausgenommen. Der Tisch unserer Abbildung stammt von dem un längst verstorbenen Zauberkünstler Tischner. Er — der Tisch —- hat noch geheime Ver senkungen, aus denen sich im unbeobach teten Moment allerlei hervorzaubern ließ. Heute ist die Welt anspruchsvoller gewor den; keinem modernen Zauberer würde es einfallen, noch mit einem solchen Tisch zu arbeiten; eine ebene Platte mit vier Beinen, unter der man hindurchsehen kann, ist das Höchstmaß dessen, was vor der aufmerk samen Kritik der vielköpfigen Hydra Publi kum bestehen kann. Getäuscht wird sie trotzdem. Und da sind wir mitten drin in der Zau- 673