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Wie leben die Präsidenten? Residenz der Pompadour, später unter anderem ein gelegentlicher Sommersitz der Kaiserin Eugenie, zum erstenmal zur Jung gesellenwohnung berufen sah. Indessen spielt der Zivilsland des Präsidenten keine erhebliche Rolle, wenigstens im amtlichen Sinne, da die Verfassung nichts von der Gattin des Präsidenten weiß und sein Haus halt im übrigen der Wachsamkeit des „Protokolls“ untersteht, soweit sich nicht die Herrn vom zivilen und militärischemLeib- dienst mit ihren Damen darum kümmern. Die Leiter des Protokollamtes, auch „Ein führung der Botschafter“ genannt, machten zuweilen durch allerlei Umständlichkeiten von sich reden, mit denen sie das präsi- dentliche Dasein umgaben. Herr de Fou- quieres, der jetzige Zeremonienmeister der Republik, waltet seines Amtes mit der dis kreten Vornehmheit, die ihn bereits zum „Schiedsrichter der Eleganzen“ gemacht hatte, bevor er ins Elysee berufen wurde. Die Republik bezahlt ihren Präsidenten knauserig genug. Die zwei Millionen Pa pierfranken, die sie ihm jährlich gewährt, und von denen alle laufenden Ausgaben der republikanischen Hofhaltung zu be streiten sind, stellen noch nicht einmal das Doppelte der Friedensziffer (r,2 Mil lionen) dar. So waren es, außer dem Fortschritt der Zeiten, wohl auch Spar samkeitsgründe, die zur vollständigen Auf lösung des einst recht stattlichen Marstalls geführt haben. Vorbei das flotte Schauspiel des hei feierlichen Gelegenheiten im Vierer gespann „a la Daumont“, d. h. mit reiten den Postillionen, ausfahrenden Präsidenten. Das Staatsoberhaupt fährt, wie gewöhnliche Sterbliche, nur noch im Auto aus, und statt des herrlichen Vorreiters, der ehedem auf glänzendem Piappen voransprengte, ist, höchstens noch das Polizeiauto zu sehen, das dem Wagen des Präsidenten voranzu fahren pflegt. Wie der gewöhnliche Sterbliche seine I age zu verbringen ist auch sonst Herrn Doumergues Bestreben, das sich freilich nur in beschränktem Maße durchführen läßt. Auch wenn nicht, wie in diesen Tagen der sich überstürzenden Minister krisen, die politischen Empfänge einen außerordentlichen Raum in des Präsidenten Tageswerk beanspruchen, dem es in solchen Fällen obliegt, mit völliger Hintansetzung seiner persönlichen Vorliebe, die mittlere Linie aus den verschiedenen Ratschlägen zu ziehen, die ihm von den berufenen Parla mentariern für die Bildung des neuen Kabinetts gegeben werden. Die übrigen Amtsverrichtungen, die hauptsächlich in der Leistuns einer Masse Unterschriften, dann und w^ann dem Antritts- oder Abschieds besuch eines Botschafters u. dgl. bestehen, lassen ihm immerhin Zeit zu dem gediegen bürgerlichen und ein wenig provinzialen Lebensgenuß, der seit Loubet im Elysee heimisch ist. Herr Doumerguc gilt, wie es seiner ganzen Wesensart entspricht, als vorzüglicher Gesellschafter, und der Emp fang von unoffiziellen Gästen aus seinem persönlichen Bekanntenkreise ist denn auch seine bevorzugte Zerstreuung, der er sich ebenso wie der Arbeit ohne allzustrenge Zeiteinteilung zu überlassen liebt. Es gibt in Paris, hinter unscheinbaren Vorbauten verborgen, mehr als einen Adels palast, der es an Umfang mit dem Elysee aufnimmt und ihm an Pracht überlegen ist. Zwar birgt das Elysee manches der edelsten Stücke des ungeheuer reichen Möbelschatzes, den die Republik von den verflossenen Re gimen übernommen hat, doch hat man sich gehütet, den gewöhnlich aus einfachen, wenn auch grundsoliden Verhältnissen her- kommenden Staatschef in ein Versailles hin einzustellen, in dem er sich schwerlich wohl fühlen würde. Wenn man die dennoch unentbehrlichen Paradegemächer und die Amts- und Wohnräume des Hauspersonals in Abzug bringt, ist der Präsident sogar ein wenig eingeschränkt, und es ist öfters als Mangel empfunden worden, daß er nicht in der Lage war, erlauchte Gäs'.e der Re publik in seinem Hause zu beherbergen, sondern sie im Hotel oder, wde jetzt den Sultan von Marokko, in eigens gemieteter Villa unterbringen mußte. 637