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Wie leben die Präsidenten? würde des Gutsherrn von Jauern. Was merken sie denn von ihr? Wenn der Bundespräsident nach Jauern fährt, er laubt er nicht einmal, daß der Schnellzug in der nächstgelegenen kleinen Station zum Halten gebracht wird; und er kommt gänz lich ohne Trabanten und Adjutanten, ein fach mit einer Reisetasche und in seinen ältesten Lederhosen! Gleich kommen ihn seine Lieblingstiere begrüßen, der zahme Rehbock Ilansi, der Dackel Schnipi'el und der Wolfshund; und natürlich muß der Stolz von Jauern, Bella, gleich besichtigt und gestreichelt werden. Die Bauern der ganzen Umgebung kennen ihr Staatsober ohne jede Künstlichkeit einfach sein, also ein Mensch, also jedem König eben bürtig. Der Gelehrte Masaryk. Masaryk, der Präsident der Tschecho slowakei, war Wissenschaftler, ehe ihn sein Volk zum Staatsoberhaupt wählte, und er ist es geblieben. Es ist selbstverständlich, daß die Staalsgeschäfte selbst den Staats- Ersten nicht den ganzen Tag ausfüllen, wie man es Untertanen früherer Genera tionen einredete. Diese „freie" Zeit ver wendet der 76jährige Präsident-Philosoph fast ausschließlich zu seiner Bildung, zu Forschung und Studium, zum Verfassen liaupt als den einfachsten aller Mitmen schen, als den einsamen Jäger im Berg wald, als den eifrigen Redner in der von Büchern oder zu neuen Konzeptionen, landwirtschaftlichen Versamm lung, als den großen Fach mann in allen Fragen der prak tischen und theoretischen Agro nomie. Sie kennen ihn auch als den Mann, der das Rauchen und Trinken haßt. Die höchsten Wür denträger der Republik seufzen manchmal, wenn sie in Gegen wart des Bundespräsidenten nicht rauchen dürfen, so lange auch eine Beratung dauern mag, von Alkohol ganz zu schweigen. Unter den Bauern von Jauern hat sich aber durch llainischs Einfluß schon eine Partei der Abstinenten ge bildet, die „Milchner“, die mit den „Mostlern“ im Krieg liegen. Wie haben die Bauern gelacht, als der junge Doktor llainisch zum erstenmal seinen landwirt schaftlichen Arbeitern Milch statt Most zum Trinken geben wollte. Jetzt lachen sie nicht mehr. Niemand in Europa lacht über diesen prachtvollen und ernsten Idealisten, diesen schlichten öster reichischen Menschen, der die schwerste Kunst kann: ohne jede Pose die Pose verschmähen, Masaryk in seiner Bibliothek. 633