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Die Prinzessin und die Berichte aus Frankreich. Von Major * * * scheinbar ihr Aeußeres war, so stark waren <Iie Energie und der Geist, die in dieser schwächlichen Hülle steckten. Brunhildc zeigte sich zur Abwechslung einmal in der Gestalt eines anämischen Ellchens. Etwa vierzehn Tage später wurde ich in Ilern aus dem Hotel Bellevue angerufen. Prinzessin S. war am Apparat. „Herr ITaupt- mann, dürfte ich Sie bitten, mich hier im Hotel aufzusuchen!“ Sie empfang mich in der Halle, sah schwach und bleich aus, wie immer. In ihren großen farblosen Augen flackerte ein seltsames Liebt., Wie bei unserer ersten Un terredung ging sie sofort in medias res. „Ich habe es wohl Ihnen zu danken, daß mein hübscher kleiner Plan aufgedeckt wurde.“ Ich verbeugte mich. Sie zuckte die Ach seln. „Ich kann Ihnen daraus keinen Vor wurf machen. Sie haben nur Ihre Pflicht als Offizier getan. Nicht wahr, es war mein Mann, der mich verraten hat?“ „Gar keine Spur. Ich sage offen, ich habe versucht ihn auszupumpen, aber er ist dicht geblieben, wie ein geteertes Faß.“ „Das freut mich zu hören. Aber Sie haben doch bei Daetwyler mit ihm gefrüh- stiiekt? Da Sie mit meinem Mann so gut sind,“ begann -sie nach einer Weile, „habe ich den Mut zu einer kleinen Bitte. Es ist ihm absolut unmöglich, es hier in der Schweiz zu irgend etwas zu bringen. Es muß etwas geschehen, um unsere Lage .aufzu helfen. Ich wollte Sie daher bitten, ob es Ihnen nicht möglich wäre, daß Sie ihm in Oesterreich eine Stellung verschaffen würden — in irgendeinem Militärbüro, schließlich war er doch Offizier. . .“ „Durchlaucht, das ist leider nicht mög lich. So ^gerne ich Ihnen dienen möchte, aber Sie werden einsehen, daß diese Frage für uns undiskutabel ist.“ „Wirklich? Schade — ich habe bestimmt darauf gerechnet. Was soll ich jetzt tun?“ Auf diese Frage wußte ich natürlich keine Antwort. Wir wechselten noch ein paar leere Redensarten, dann empfahl ich mich, in der Hoffnung, das seltsame Weib jetzt aber bestimmt für immer losgeworden zu sein. Ich hörte auch tatsächlich einen gan zen Monat nichts von ihr. Bis ich 'eines Tages den Besuch eines mir unbekannten Schweizers erhielt. Der Mann wies sich durch seine Papiere aus und überbrachte mir einen Brief des Prinzen S.: „Sehr geehrter Herr Hauptmann XYZ! Ich schreibe Ihnen aus dem Militärgefäng- nis in Evian. Meine Frau, die Canaille, hat mich dorthin verschleppen lassen. Ich weiß nicht, wie sie es angefangen hat, aber eines schönen Abends erwachte ich aus einer — wie ich leider gestehen muß — durch all zureichen Alkoholgenuß verursachten Be täubung, und fand mich in einem offenen Motorboot, das von zwei mir unbekannten Kerlen gelenkt wurde. Auf meine Fragen gaben sie mir keine Antwort. Doch wußte ich sofort, was los war, als wir in Evian anlangten und mich dort zwei Gendarme in Empfang nahmen Ein Kapitän verhörte mich dann und ließ in hochmütiger Weise durchblicken, daß meine Frau „meine Uebei- führung auf französisches Staatsgebiet“ ver anlaßt habe. Ich hätte durch meinen Ver kehr mit österreichischen Agenten die Durch führung eines von ihr entworfenen Planes unmöglich gemacht und würde daher vom französischen Gericht abgeurteilt werden. Ich flehe Sie an, da Sie doch nicht ohne Schuld an dieser Entwicklung der Dinge sind, mir zu helfen! Ich werde zwar ganz an ständig behandelt, aber wenn sie mich vor ein französisches Gericht stellen, ist es aus mit mir, und ich möchte doch nicht so frühzeitig aus meinem jungen, schönen Leben scheiden, zumal ich den dringenden Wunsch in mir fühle, meiner Frau, der Canaille, das Kreuz einzuschlagen, was ich schon hätte früher tun müssen. Also, nicht nur als Oester reicher und ehemaliger Kamerad, sondern auch als Alleinschuldiger sind v ie verpflichtet, mir aus der Patsche zn helfen, in die ich allein durch Ihre Schuld hineingeraten bin. Ihr Prinz S.“ Der Zufall wollte es, daß die Sache ging. Wir hatten in Feldkirch einen fran zösischen Spion festgenommen, und durch allerlei geheime Kanäle, die nur einem K.-Offizier offenstehen, gelang es mir, die ses Individuum gegen den Prinzen S. aus zutauschen. Ich will dem Leser die Schil derung der Miedersehensszene mit dem Trunkenbold ersparen. Ich schaffte ihn jetzt tatsächlich nach Oesterreich zurück, allerdings nicht, um ihn dort zu beschäfti gen, sondern vor seiner Frau in Sicherheit zu bringen. Zwei Tage, nachdem er bei Feldkirch die österreichische Grenze über schritten hatte, erhielt ich ein sehr vornehm aussehendes, blaßblaues Billett, auf dem zu lesen stand: „Je vous remercie! M. S.“ 618