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Die Prinzessin und die Beridde aus Frankreich da mit ein paar Zahlen garniert. Auffallend gut gemachte Berichte! Auf meiner Rückfahrt nach Bern stieg ich in Lausanne aus und- suchte Prinz S. auf. Seine Durchlaucht geruhten wieder ein mal einen höchst respektablen Whiskyrausch auszuschlafen, und waren ziemlich unwirsch, als sie mich erblickten. „Entschuldigen Durchlaucht,“ begann ich, „wenn ich hier so sans faijon eindringe, aber ich möchte Sie fragen, ob Sie in den letzten Tagen Nachrichten von Ihrer Frau Gemah lin erhalten haben.“ Der Trunkenbold stierte mich einige Se kunden lang blöd an, dann brach er in ein meckerndes Gelächter aus. Widerlicher Kerl! Wenn man bedenkt, daß der Mensch vor zehn Jahren einer unserer besten Reiter offiziere gewesen war, drehte sich einem der Magen um. „Das werden Sie doch besser wissen als ich!“ gluckste er endlich. „Wie ist’s mit einem Schnaps, Bruderherz?“ Um ihn in gute Laune zu bringen, trank ich einen Schnaps gegen meine Prinzipien, denn es war erst neun Uhr vormittags. Seine Durchlaucht schenkten sich ein Mundspül- glas voll 'und leerten es in drei Zügen. Augenscheinlich hatte diese reiche Libation eine gute Wirkung, denn seine Augen wur den jetzt klarer und seine Zunge geläufiger. „Ich liefere doch sowieso immer die Briefe a,n den F. nach Genf ab“, sagte er u,nd unternahm mit schwerfällig-schwankenden Beinen den Versuch, sich anzukleiden. „Ja, ja,“ sagte ich, „das ist schon in Ordnung, und die Berichte sind auch aus gezeichnet. Aber ich habe von einer anderen Seite eine Meldung bekommen, daß die Sache nicht mehr klappt.“ S. war gerade dabei, in die Hosen zu schlüpfen, eine Prozedur, die mit unge heuren Schwierigkeiten verbunden war und starrte mich mit verkniffenen Augen an. Blutunterlaufen waren sie und an den Rän dern entzündet. Brr — — „Was heißt das?“ „Das weiß ich nicut recht, Durchlaucht, ich habe bis jetzt nur eine Andeutung be kommen. Aber ich bin auf dem Wege nach Hause und erwarte, dort neue Meldungen vorzufinden, da ich sie verlangt habe. Ich bin deshalb hier ausgestiegen, um Sie ab zuholen. Kommen Sie mit, vielleicht ist nichts daran, vielleicht ist es aber notwen dig, daß wir irgendwelche Maßregeln er greifen.“ „Großartig. Noch einen Schnaps? Ich ziehe mich nur rasch an, und bin dann der Ihrige.“ Die Sache glückte. Ich bekam ihn noch mit dem nächsten Schnellzug nach Bern, ohne daß er Gelegenheit fand, sich mit irgend jemand, auch nicht mit F. in Genf, in Verbindung setzen zu können. Ich schleppte ihn in meine Wohnung hin auf, kramte dort vor seinen Augen in der mich erwartenden Post herum und hielt ihm schließlich eine chiffrierte Depesche vor die Nase. „Da haben wir es!“ rief ich. „Ihre Frau wurde gestern früh verhaftet und nach Paris überführt.“ S. wurde totenbleich. „Aber das ist doch nicht möglich“, stammelte er. „Vor allen Dingen ist es nicht gefährlich. Beruhigen Sie sich, ich habe schon Mittel und YY ege, um sie frei zu bekommen. YVissen Sie was, wir fahren jetzt zu Daetwyler, leisten uns ein anständiges Frühstück und reden die Sache durch.“ Damit war er ein verstanden. Bei Daetwyler kamen wir ge rade am Tisch gegenüber Monsieur M., des Chefs der französischen Propaganda, zu sitzen. Einen Moment lang schien es mir, als ob zwischen S. und M. so etwas wie ein stummer Augengruß hin- und herflog. Als sich der Prinz ostentativ mit dem Rücken zu dem Franzosen setzte, wußte ich Bescheid. Wir saßen in einer^ Ecke und konnten uns daher, wenn auch vorsichtig, ungestört unterhalten. „'Wissen Sie, wer das da drüben ist?“ „Keine Ahnung. Also was ist’s mit meiner Frau?“ „Die Franzosen haben sie aus dem Zuge herausgeholt, ihre Papiere beschlagnahmt und nach Paris gebracht!“ Einen Moment lang schien es, als wollte er auffahren. Ich schenkte ihm gleich ein Glas Chablis ein, das er auf einen Schluck austrank, und verhinderte so eine früh zeitige Explosion seiner verletzten Gatten gefühle. -— Dem ersten Glas folgte ein zwei tes, dem zweiten ein drittes, der ersten Flasche eine zweite, der zweiten eine dritte. . . Schließlich war Prinz S. soweit wie ich ihn haben wollte. „Irgend jemand muß die Geschichte aus- G14