von Roberto Bracco rnelita! Du bist eine anständige Frau; wie ein hervorragender Psychologe, dessen Name mir momentan nicht einfällt, gesagt hat: die anständige Frau ist stets unerfahren. Wir wollen mal das Betragen Panocchis, namentlich sein zentrales und propulsives Verhalten, zusammen prüfen. Carmelita (heftig weinend): Sein zen trales und propulsives Verhalten . . . ersiehst du aus diesem Briefe (sie holt aus ihrem Busen ein zerknülltes Brief lein), den der Portier mir gestern insgeheim zugesteckt hat . . . Agostino: Ein Brief von ihm, an dich gerichtet? Carmelita: Jawohl. Agostino: ...in welchem er dir ... Carmelita. So lies ihn doch. Agostino: Die Ungeduld verzehrt mich (er beginnt, den Brief stammelnd zu entziffern) Ent. . . ent. .. ent. . . ich kann die Schrift nicht lesen! Carmelita (die Tränen trocknend, be ginnt hinter dem Rücken ihres Mannes den Brief zu lesen). Verzeihen Sie, daß ich es wage, Ihnen zu schreiben. Nach dem nega tiven Ergebnis meiner mündlichen Erklä rungen (von hier angefangen liest Carmelita den Brief zusammen mit Agostino, wobei sie jedes einzelne Wort betonen) folge ich einer geheimen Eingebung, die mich hoffen läßt, daß diese meine zu Papier gebrachten Worte, als greifbare Beweise meiner Liebe, das Herz meines Ideals erweichen und mir zu dem beglückenden Jawort verhelfen wer den. Wohl weiß ich, daß diese Liebe ver möge der Freundschaft, die mich an Ihren Mann knüpft, eine unmoralische sei (Ago stino setzt einen Finger an die Stirn), doch muß ich mich über dieses Bedenken hin wegsetzen, da die Leidenschaft für Sie mein ganzes Wesen beherrscht. Carmelita (hochrot im Gesicht): Nun, was sagst du dazu? Agostino (gerührt aufatmend, in hel ler Freude): Er ist verliebt! Bis über die Ohren verliebt! Das Pathetische seiner Psyche bricht aus ihm offensichtlich hervor. Ich muß dir offen gestehen: wäre ich eine Frau, Üie nicht meine Gattin ist, so ist es gar nicht ausgeschlossen, daß ich ihn erhörte . . . Armer Kerl! Er wollte mich behandeln, als wäre ich ein Gatte alten Schlages, so ein 703